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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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Notarius: "er sei zweifelhaft, sagt' er, ob er
jezt fortfahren lasse; aber da ers sei, so lass' er
lieber nicht." -- Einige Schatten von innern
Wolken flogen über sein Gesicht. Walt sah zum
erstenmale einen geliebten Menschen, noch dazu ei¬
nen Mann, in verhehlter Bekümmerniß -- und
die fremde besiegte wurd' in ihm eine siegende.
Eigennützig wär' es jezt, dacht' er, nur daran
zu erinnern, (wie er anfangs gewollt,) daß er
den Brief gefunden und gegeben; desgleichen
wahrhaft grob, nur darnach zu fragen, ob der
Schwiegervater solchen ausgehändigt. Beym
Abschied wollte der Graf ihm etwas härteres in
die Hand drücken als seine eigne. "Nein, nein,"
stotterte Walt. "Meine Verbindlichkeit, sagte
der Graf, ist dieselbe, Freund," -- Ich neh¬
me nichts an, als die Anrede!" sagte Walt,
wurd' aber wegen seines Ideen-Sprungs wenig
verstanden. Klothar drang verwundert und halb
beleidigt in ihn. "Aber meinen Bogen nähm'
ich gern" sagte Walt, weil es ihm so wohl ge¬
than, darauf zu schreiben: ich Jonathan von
Klothar. -- "H. Graf, sagte Knol, der Bogen

Notarius: „er ſei zweifelhaft, ſagt' er, ob er
jezt fortfahren laſſe; aber da ers ſei, ſo laſſ' er
lieber nicht.“ — Einige Schatten von innern
Wolken flogen uͤber ſein Geſicht. Walt ſah zum
erſtenmale einen geliebten Menſchen, noch dazu ei¬
nen Mann, in verhehlter Bekuͤmmerniß — und
die fremde beſiegte wurd' in ihm eine ſiegende.
Eigennuͤtzig waͤr' es jezt, dacht' er, nur daran
zu erinnern, (wie er anfangs gewollt,) daß er
den Brief gefunden und gegeben; desgleichen
wahrhaft grob, nur darnach zu fragen, ob der
Schwiegervater ſolchen ausgehaͤndigt. Beym
Abſchied wollte der Graf ihm etwas haͤrteres in
die Hand druͤcken als ſeine eigne. „Nein, nein,“
ſtotterte Walt. „Meine Verbindlichkeit, ſagte
der Graf, iſt dieſelbe, Freund,“ — Ich neh¬
me nichts an, als die Anrede!“ ſagte Walt,
wurd' aber wegen ſeines Ideen-Sprungs wenig
verſtanden. Klothar drang verwundert und halb
beleidigt in ihn. „Aber meinen Bogen naͤhm'
ich gern“ ſagte Walt, weil es ihm ſo wohl ge¬
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[163/0171] Notarius: „er ſei zweifelhaft, ſagt' er, ob er jezt fortfahren laſſe; aber da ers ſei, ſo laſſ' er lieber nicht.“ — Einige Schatten von innern Wolken flogen uͤber ſein Geſicht. Walt ſah zum erſtenmale einen geliebten Menſchen, noch dazu ei¬ nen Mann, in verhehlter Bekuͤmmerniß — und die fremde beſiegte wurd' in ihm eine ſiegende. Eigennuͤtzig waͤr' es jezt, dacht' er, nur daran zu erinnern, (wie er anfangs gewollt,) daß er den Brief gefunden und gegeben; desgleichen wahrhaft grob, nur darnach zu fragen, ob der Schwiegervater ſolchen ausgehaͤndigt. Beym Abſchied wollte der Graf ihm etwas haͤrteres in die Hand druͤcken als ſeine eigne. „Nein, nein,“ ſtotterte Walt. „Meine Verbindlichkeit, ſagte der Graf, iſt dieſelbe, Freund,“ — Ich neh¬ me nichts an, als die Anrede!“ ſagte Walt, wurd' aber wegen ſeines Ideen-Sprungs wenig verſtanden. Klothar drang verwundert und halb beleidigt in ihn. „Aber meinen Bogen naͤhm' ich gern“ ſagte Walt, weil es ihm ſo wohl ge¬ than, darauf zu ſchreiben: ich Jonathan von Klothar. — „H. Graf, ſagte Knol, der Bogen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/171>, abgerufen am 27.11.2024.