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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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ein Notar, so bedauer' ich bei jedem Ehe-Kon¬
trakt, den ich machen muß, daß die Liebe, das
Heiligste, Reinste, Uneigennüzigste, einen gro¬
ben juristischen eigennüzigen Körper annehmen
muß, um ins Leben zu wirken, wie der Son¬
nenstrahl, der feinste, beweglichste Stoff, mit der
heftigsten Bewegung nichts regen kann ohne Ver¬
mischung mit dem irdischen Dunstkreis."

Knol hatte mit saurem Gesicht nur auf
die Hälfte des Perioden gehört; der Graf aber
mit einem gefälligen: "ich lasse, sagt' er, aber
mit sanftester Stimme, wie schon gesagt, keine
Ehestiftung machen, sondern nur ein Schenkungs-
Instrument." Da trat ein Bedienter des Ge¬
nerals mit einem Briefe ein. Klothar schnitt ihn
aus dem Siegel -- ein zweiter, aber entsiegelter
lag darinn. Als er einige Zeilen im ersten gele¬
sen, gab er dem Notar ein schwaches Zeichen ein¬
zuhalten. Den eingeschlossenen macht' er gar
nicht auf; Walten kam er sehr wie der von ihm
gefundne vor. Mit leichtem Kopfnicken verab¬
schiedete Klothar den Boten; aber auch mit einer
Bitte um Vergebung das Zeugenpaar und den

ein Notar, ſo bedauer' ich bei jedem Ehe-Kon¬
trakt, den ich machen muß, daß die Liebe, das
Heiligſte, Reinſte, Uneigennuͤzigſte, einen gro¬
ben juriſtiſchen eigennuͤzigen Koͤrper annehmen
muß, um ins Leben zu wirken, wie der Son¬
nenſtrahl, der feinſte, beweglichſte Stoff, mit der
heftigſten Bewegung nichts regen kann ohne Ver¬
miſchung mit dem irdiſchen Dunſtkreis.“

Knol hatte mit ſaurem Geſicht nur auf
die Haͤlfte des Perioden gehoͤrt; der Graf aber
mit einem gefaͤlligen: „ich laſſe, ſagt' er, aber
mit ſanfteſter Stimme, wie ſchon geſagt, keine
Eheſtiftung machen, ſondern nur ein Schenkungs-
Inſtrument.“ Da trat ein Bedienter des Ge¬
nerals mit einem Briefe ein. Klothar ſchnitt ihn
aus dem Siegel — ein zweiter, aber entſiegelter
lag darinn. Als er einige Zeilen im erſten gele¬
ſen, gab er dem Notar ein ſchwaches Zeichen ein¬
zuhalten. Den eingeſchloſſenen macht' er gar
nicht auf; Walten kam er ſehr wie der von ihm
gefundne vor. Mit leichtem Kopfnicken verab¬
ſchiedete Klothar den Boten; aber auch mit einer
Bitte um Vergebung das Zeugenpaar und den

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[162/0170] ein Notar, ſo bedauer' ich bei jedem Ehe-Kon¬ trakt, den ich machen muß, daß die Liebe, das Heiligſte, Reinſte, Uneigennuͤzigſte, einen gro¬ ben juriſtiſchen eigennuͤzigen Koͤrper annehmen muß, um ins Leben zu wirken, wie der Son¬ nenſtrahl, der feinſte, beweglichſte Stoff, mit der heftigſten Bewegung nichts regen kann ohne Ver¬ miſchung mit dem irdiſchen Dunſtkreis.“ Knol hatte mit ſaurem Geſicht nur auf die Haͤlfte des Perioden gehoͤrt; der Graf aber mit einem gefaͤlligen: „ich laſſe, ſagt' er, aber mit ſanfteſter Stimme, wie ſchon geſagt, keine Eheſtiftung machen, ſondern nur ein Schenkungs- Inſtrument.“ Da trat ein Bedienter des Ge¬ nerals mit einem Briefe ein. Klothar ſchnitt ihn aus dem Siegel — ein zweiter, aber entſiegelter lag darinn. Als er einige Zeilen im erſten gele¬ ſen, gab er dem Notar ein ſchwaches Zeichen ein¬ zuhalten. Den eingeſchloſſenen macht' er gar nicht auf; Walten kam er ſehr wie der von ihm gefundne vor. Mit leichtem Kopfnicken verab¬ ſchiedete Klothar den Boten; aber auch mit einer Bitte um Vergebung das Zeugenpaar und den

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/170>, abgerufen am 24.11.2024.