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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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heilige Ton wie ein Billardsack am Spieltische
zum Spielen spielen und klingeln muß, red' ich
gar nicht vor Grimm, da ein Ball in einem
Bilderkabinet nicht toller wäre; aber das ist
Jammer, daß ich in Konzertsälen, wo doch je¬
der bezahlt, mit solchem Rechte erwarte, er
werde für sein Geld etwas empfinden wollen,
allein ganz umsonst. Sondern damit das Klin¬
gen aufhöre ein paarmal und endlich ganz, --
deswegen geht der Narr hinein. Hebt noch et¬
was den Spiesbürger empor am Ohr, so ists
zwei-höchstens dreierlei, 1) wenn aus einem
halbtodten Pianissimo plözlich ein Fortissimo wie
ein Rebhuhn aufknattert, 2) wenn einer, beson¬
ders mit dem Geigenbogen, auf dem höchsten
Seile der höchsten Töne lange tanzt und ruscht
und nun kopf-unter in die tiefsten herunter¬
klatscht, 3) wenn gar beides vorfällt. In sol¬
chen Punkten ist der Bürger seiner nicht mehr
mächtig, sondern schwizt vor Lob.

Freilich bleiben Herzen übrig, Walt, die
delikater fühlen und eigennütziger. Ich habe
aber Stunden, wo ich aufbrausen kann gegen

heilige Ton wie ein Billardſack am Spieltiſche
zum Spielen ſpielen und klingeln muß, red' ich
gar nicht vor Grimm, da ein Ball in einem
Bilderkabinet nicht toller waͤre; aber das iſt
Jammer, daß ich in Konzertſaͤlen, wo doch je¬
der bezahlt, mit ſolchem Rechte erwarte, er
werde fuͤr ſein Geld etwas empfinden wollen,
allein ganz umſonſt. Sondern damit das Klin¬
gen aufhoͤre ein paarmal und endlich ganz, —
deswegen geht der Narr hinein. Hebt noch et¬
was den Spiesbuͤrger empor am Ohr, ſo iſts
zwei-hoͤchſtens dreierlei, 1) wenn aus einem
halbtodten Pianiſſimo ploͤzlich ein Fortiſſimo wie
ein Rebhuhn aufknattert, 2) wenn einer, beſon¬
ders mit dem Geigenbogen, auf dem hoͤchſten
Seile der hoͤchſten Toͤne lange tanzt und ruſcht
und nun kopf-unter in die tiefſten herunter¬
klatſcht, 3) wenn gar beides vorfaͤllt. In ſol¬
chen Punkten iſt der Buͤrger ſeiner nicht mehr
maͤchtig, ſondern ſchwizt vor Lob.

Freilich bleiben Herzen uͤbrig, Walt, die
delikater fuͤhlen und eigennuͤtziger. Ich habe
aber Stunden, wo ich aufbrauſen kann gegen

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[135/0143] heilige Ton wie ein Billardſack am Spieltiſche zum Spielen ſpielen und klingeln muß, red' ich gar nicht vor Grimm, da ein Ball in einem Bilderkabinet nicht toller waͤre; aber das iſt Jammer, daß ich in Konzertſaͤlen, wo doch je¬ der bezahlt, mit ſolchem Rechte erwarte, er werde fuͤr ſein Geld etwas empfinden wollen, allein ganz umſonſt. Sondern damit das Klin¬ gen aufhoͤre ein paarmal und endlich ganz, — deswegen geht der Narr hinein. Hebt noch et¬ was den Spiesbuͤrger empor am Ohr, ſo iſts zwei-hoͤchſtens dreierlei, 1) wenn aus einem halbtodten Pianiſſimo ploͤzlich ein Fortiſſimo wie ein Rebhuhn aufknattert, 2) wenn einer, beſon¬ ders mit dem Geigenbogen, auf dem hoͤchſten Seile der hoͤchſten Toͤne lange tanzt und ruſcht und nun kopf-unter in die tiefſten herunter¬ klatſcht, 3) wenn gar beides vorfaͤllt. In ſol¬ chen Punkten iſt der Buͤrger ſeiner nicht mehr maͤchtig, ſondern ſchwizt vor Lob. Freilich bleiben Herzen uͤbrig, Walt, die delikater fuͤhlen und eigennuͤtziger. Ich habe aber Stunden, wo ich aufbrauſen kann gegen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/143>, abgerufen am 23.11.2024.