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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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rückt -- als stehe die Braut zur Freundin zu
hoch. Ihren Brief ihr zu übergeben, dazu wa¬
ren ihm jezt Kraft und Recht entgangen, weil
er besser überdacht, daß eine bloße Unterschrift
des weiblichen Taufnamens nicht berechtigte, ei¬
ne Jungfrau für die Korrespondentin eines Jüng¬
lings durch Zurückgabe bestimmt zu erklären.

Die Musik fieng wieder an. Wenn Töne
schon ein ruhendes Herz erschüttern, wie weit
mehr ein tief bewegtes! Als der volle Baum der
Harmonie mit allen Zweigen über ihm rauschte:
so stieg daraus ein neuer seltsamer Geist zu ihm
herab, der weiter nichts zu ihm sagte als: wei¬
ne! -- Und er gehorchte, ohne zu wissen wem --
es war als wenn sein Himmel sich von einem
drückenden Gewölke plözlich abregnete, daß
dann das Leben luftig-leicht, himmelblau und
sonnenglänzend und heiß da stände wie ein Tag
-- die Töne bekamen Stimmen und Gesichte --
diese Götterkinder musten Wina die süssesten Na¬
men geben, -- sie musten die geschmückte Braut
im Kriegsschiff des Lebens ans Ufer einer Schä¬
ferwelt führen und wehen -- hier muste sie ihr

ruͤckt — als ſtehe die Braut zur Freundin zu
hoch. Ihren Brief ihr zu uͤbergeben, dazu wa¬
ren ihm jezt Kraft und Recht entgangen, weil
er beſſer uͤberdacht, daß eine bloße Unterſchrift
des weiblichen Taufnamens nicht berechtigte, ei¬
ne Jungfrau fuͤr die Korreſpondentin eines Juͤng¬
lings durch Zuruͤckgabe beſtimmt zu erklaͤren.

Die Muſik fieng wieder an. Wenn Toͤne
ſchon ein ruhendes Herz erſchuͤttern, wie weit
mehr ein tief bewegtes! Als der volle Baum der
Harmonie mit allen Zweigen uͤber ihm rauſchte:
ſo ſtieg daraus ein neuer ſeltſamer Geiſt zu ihm
herab, der weiter nichts zu ihm ſagte als: wei¬
ne! — Und er gehorchte, ohne zu wiſſen wem —
es war als wenn ſein Himmel ſich von einem
druͤckenden Gewoͤlke ploͤzlich abregnete, daß
dann das Leben luftig-leicht, himmelblau und
ſonnenglaͤnzend und heiß da ſtaͤnde wie ein Tag
— die Toͤne bekamen Stimmen und Geſichte —
dieſe Goͤtterkinder muſten Wina die ſuͤſſeſten Na¬
men geben, — ſie muſten die geſchmuͤckte Braut
im Kriegsſchiff des Lebens ans Ufer einer Schaͤ¬
ferwelt fuͤhren und wehen — hier muſte ſie ihr

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[119/0127] ruͤckt — als ſtehe die Braut zur Freundin zu hoch. Ihren Brief ihr zu uͤbergeben, dazu wa¬ ren ihm jezt Kraft und Recht entgangen, weil er beſſer uͤberdacht, daß eine bloße Unterſchrift des weiblichen Taufnamens nicht berechtigte, ei¬ ne Jungfrau fuͤr die Korreſpondentin eines Juͤng¬ lings durch Zuruͤckgabe beſtimmt zu erklaͤren. Die Muſik fieng wieder an. Wenn Toͤne ſchon ein ruhendes Herz erſchuͤttern, wie weit mehr ein tief bewegtes! Als der volle Baum der Harmonie mit allen Zweigen uͤber ihm rauſchte: ſo ſtieg daraus ein neuer ſeltſamer Geiſt zu ihm herab, der weiter nichts zu ihm ſagte als: wei¬ ne! — Und er gehorchte, ohne zu wiſſen wem — es war als wenn ſein Himmel ſich von einem druͤckenden Gewoͤlke ploͤzlich abregnete, daß dann das Leben luftig-leicht, himmelblau und ſonnenglaͤnzend und heiß da ſtaͤnde wie ein Tag — die Toͤne bekamen Stimmen und Geſichte — dieſe Goͤtterkinder muſten Wina die ſuͤſſeſten Na¬ men geben, — ſie muſten die geſchmuͤckte Braut im Kriegsſchiff des Lebens ans Ufer einer Schaͤ¬ ferwelt fuͤhren und wehen — hier muſte ſie ihr

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/127>, abgerufen am 27.11.2024.