Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

der aber das Terrain besser kennt. Das Paar
gruppirt sich indes ganz artig." -- Da der
schwarzhaarige Vult jezt langsam kam, das ei¬
ne Auge unter einem schwarzen Band, mit dem
andern starrblickend, den Kopf wie ein Blinder
ein wenig hoch und die Flöte am Munde hal¬
tend, -- mehr um sein Lachen zu bedecken; --
da er sich vom Pauker verbeugungs-recht stellen
ließ -- und da alle Schwäzereien stumm wurden
und weich, so konnte Walt sich der Thränen gar
nicht mehr enthalten, sowohl wegen der vorher¬
gehenden als schon über das blasse Gemählde
eines blinden Bruders und über den Gedancken,
das Verhängniß könne den Spastreiber beim
Worte fassen; und zulezt braucht' er wenig, um
mit dem ganzen Saale zu glauben, Vult sei
erblindet.

Dieser gab wie eine Monatsschrift stets das
beste Stück zuerst, und führte an, er gehe mit
Einsicht von den allmählig steigenden Virtuosen
ab, weil die Menschen einander nach der Erstge¬
burt, und nicht nach der Nachgeburt schäzten
und den schlimmen, mithin auch den guten Erst¬

der aber das Terrain beſſer kennt. Das Paar
gruppirt ſich indes ganz artig.“ — Da der
ſchwarzhaarige Vult jezt langſam kam, das ei¬
ne Auge unter einem ſchwarzen Band, mit dem
andern ſtarrblickend, den Kopf wie ein Blinder
ein wenig hoch und die Floͤte am Munde hal¬
tend, — mehr um ſein Lachen zu bedecken; —
da er ſich vom Pauker verbeugungs-recht ſtellen
ließ — und da alle Schwaͤzereien ſtumm wurden
und weich, ſo konnte Walt ſich der Thraͤnen gar
nicht mehr enthalten, ſowohl wegen der vorher¬
gehenden als ſchon uͤber das blaſſe Gemaͤhlde
eines blinden Bruders und uͤber den Gedancken,
das Verhaͤngniß koͤnne den Spastreiber beim
Worte faſſen; und zulezt braucht' er wenig, um
mit dem ganzen Saale zu glauben, Vult ſei
erblindet.

Dieſer gab wie eine Monatsſchrift ſtets das
beſte Stuͤck zuerſt, und fuͤhrte an, er gehe mit
Einſicht von den allmaͤhlig ſteigenden Virtuoſen
ab, weil die Menſchen einander nach der Erſtge¬
burt, und nicht nach der Nachgeburt ſchaͤzten
und den ſchlimmen, mithin auch den guten Erſt¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0116" n="108"/>
der aber das Terrain be&#x017F;&#x017F;er kennt. Das Paar<lb/>
gruppirt &#x017F;ich indes ganz artig.&#x201C; &#x2014; Da der<lb/>
&#x017F;chwarzhaarige Vult jezt lang&#x017F;am kam, das ei¬<lb/>
ne Auge unter einem &#x017F;chwarzen Band, mit dem<lb/>
andern &#x017F;tarrblickend, den Kopf wie ein Blinder<lb/>
ein wenig hoch und die Flo&#x0364;te am Munde hal¬<lb/>
tend, &#x2014; mehr um &#x017F;ein Lachen zu bedecken; &#x2014;<lb/>
da er &#x017F;ich vom Pauker verbeugungs-recht &#x017F;tellen<lb/>
ließ &#x2014; und da alle Schwa&#x0364;zereien &#x017F;tumm wurden<lb/>
und weich, &#x017F;o konnte Walt &#x017F;ich der Thra&#x0364;nen gar<lb/>
nicht mehr enthalten, &#x017F;owohl wegen der vorher¬<lb/>
gehenden als &#x017F;chon u&#x0364;ber das bla&#x017F;&#x017F;e Gema&#x0364;hlde<lb/>
eines blinden Bruders und u&#x0364;ber den Gedancken,<lb/>
das Verha&#x0364;ngniß ko&#x0364;nne den Spastreiber beim<lb/>
Worte fa&#x017F;&#x017F;en; und zulezt braucht' er wenig, um<lb/>
mit dem ganzen Saale zu glauben, Vult &#x017F;ei<lb/>
erblindet.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er gab wie eine Monats&#x017F;chrift &#x017F;tets das<lb/>
be&#x017F;te Stu&#x0364;ck zuer&#x017F;t, und fu&#x0364;hrte an, er gehe mit<lb/>
Ein&#x017F;icht von den allma&#x0364;hlig &#x017F;teigenden Virtuo&#x017F;en<lb/>
ab, weil die Men&#x017F;chen einander nach der Er&#x017F;tge¬<lb/>
burt, und nicht nach der Nachgeburt &#x017F;cha&#x0364;zten<lb/>
und den &#x017F;chlimmen, mithin auch den guten Er&#x017F;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0116] der aber das Terrain beſſer kennt. Das Paar gruppirt ſich indes ganz artig.“ — Da der ſchwarzhaarige Vult jezt langſam kam, das ei¬ ne Auge unter einem ſchwarzen Band, mit dem andern ſtarrblickend, den Kopf wie ein Blinder ein wenig hoch und die Floͤte am Munde hal¬ tend, — mehr um ſein Lachen zu bedecken; — da er ſich vom Pauker verbeugungs-recht ſtellen ließ — und da alle Schwaͤzereien ſtumm wurden und weich, ſo konnte Walt ſich der Thraͤnen gar nicht mehr enthalten, ſowohl wegen der vorher¬ gehenden als ſchon uͤber das blaſſe Gemaͤhlde eines blinden Bruders und uͤber den Gedancken, das Verhaͤngniß koͤnne den Spastreiber beim Worte faſſen; und zulezt braucht' er wenig, um mit dem ganzen Saale zu glauben, Vult ſei erblindet. Dieſer gab wie eine Monatsſchrift ſtets das beſte Stuͤck zuerſt, und fuͤhrte an, er gehe mit Einſicht von den allmaͤhlig ſteigenden Virtuoſen ab, weil die Menſchen einander nach der Erſtge¬ burt, und nicht nach der Nachgeburt ſchaͤzten und den ſchlimmen, mithin auch den guten Erſt¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/116
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/116>, abgerufen am 27.11.2024.