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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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halb aus achtender Angst vor dem großen einge¬
fleischten corpus juris neben ihm, das gegen
Fürsten und alle Welt gerade so kek war, als er
selber scheu, halb aus sorgender, das corpus
nehm' es übel, daß Walt noch fehlte. Am Fen¬
ster, das dem Baum und Vulten am nächsten
war, saß Goldine, eine bildschöne, aber buk¬
lige Jüdin, auf ihr rothes Knäul niedersehend,
woraus sie einen schafwollenen Rothstrumpf strik¬
te; Veronika ernährte die blutarme, aber fein-ge¬
schikte Waise, weil Gottwalt sie ungemein liebte
und lobte, und sie einen kleinen Edelstein hieß,
der Fassung brauchte, um nicht verlohren zu
gehen.

"Der Knecht ist nach dem Spizbuben aus¬
geschikt," versezte Lukas, als der Fiskal unwillig
erzählte, Walt habe nicht einmal seine eignen
Felder, geschweige des seel. Van der Kabels seine
ihm zu zeigen gewußt, sondern ihm einen Frohn¬
bauern Kabels dazu hergeholt, und sei wie ein
Grobian weggeblieben. Vom erfreulichen Testa¬
mente, sah Vult, hatte der Fiskal noch kein Wort
gesagt.

halb aus achtender Angſt vor dem großen einge¬
fleiſchten corpus juris neben ihm, das gegen
Fuͤrſten und alle Welt gerade ſo kek war, als er
ſelber ſcheu, halb aus ſorgender, das corpus
nehm' es uͤbel, daß Walt noch fehlte. Am Fen¬
ſter, das dem Baum und Vulten am naͤchſten
war, ſaß Goldine, eine bildſchoͤne, aber buk¬
lige Juͤdin, auf ihr rothes Knaͤul niederſehend,
woraus ſie einen ſchafwollenen Rothſtrumpf ſtrik¬
te; Veronika ernaͤhrte die blutarme, aber fein-ge¬
ſchikte Waiſe, weil Gottwalt ſie ungemein liebte
und lobte, und ſie einen kleinen Edelſtein hieß,
der Faſſung brauchte, um nicht verlohren zu
gehen.

„Der Knecht iſt nach dem Spizbuben aus¬
geſchikt,“ verſezte Lukas, als der Fiſkal unwillig
erzaͤhlte, Walt habe nicht einmal ſeine eignen
Felder, geſchweige des ſeel. Van der Kabels ſeine
ihm zu zeigen gewußt, ſondern ihm einen Frohn¬
bauern Kabels dazu hergeholt, und ſei wie ein
Grobian weggeblieben. Vom erfreulichen Teſta¬
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[85/0095] halb aus achtender Angſt vor dem großen einge¬ fleiſchten corpus juris neben ihm, das gegen Fuͤrſten und alle Welt gerade ſo kek war, als er ſelber ſcheu, halb aus ſorgender, das corpus nehm' es uͤbel, daß Walt noch fehlte. Am Fen¬ ſter, das dem Baum und Vulten am naͤchſten war, ſaß Goldine, eine bildſchoͤne, aber buk¬ lige Juͤdin, auf ihr rothes Knaͤul niederſehend, woraus ſie einen ſchafwollenen Rothſtrumpf ſtrik¬ te; Veronika ernaͤhrte die blutarme, aber fein-ge¬ ſchikte Waiſe, weil Gottwalt ſie ungemein liebte und lobte, und ſie einen kleinen Edelſtein hieß, der Faſſung brauchte, um nicht verlohren zu gehen. „Der Knecht iſt nach dem Spizbuben aus¬ geſchikt,“ verſezte Lukas, als der Fiſkal unwillig erzaͤhlte, Walt habe nicht einmal ſeine eignen Felder, geſchweige des ſeel. Van der Kabels ſeine ihm zu zeigen gewußt, ſondern ihm einen Frohn¬ bauern Kabels dazu hergeholt, und ſei wie ein Grobian weggeblieben. Vom erfreulichen Teſta¬ mente, ſah Vult, hatte der Fiſkal noch kein Wort geſagt.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/95>, abgerufen am 24.11.2024.