Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

"Sehr wie ich, (versezte Vult und sah be¬
deutende trinkende Dikasterianten an,) falls nicht
das Geschlecht einen Unterschied macht; denn ich
könnte wohl eben so gut eine verkleidete Ritterin
d'Eon seyn, als diese bekannte Frau, Messieurs,
-- ob wir gleich davon abbrechen wollen. -- Vult
selber ist wohl der artigste Mann und der schön¬
ste, ohne es aber zu wissen, dem ich je ins Ge¬
sicht gesehen, nur zu ernst und zu gelehrt, näm¬
lich für einen Musikus. Sie alle sollten ihn se¬
hen, das heisset hören. -- Und doch so beschei¬
den, wie schon gesagt. Der Musikdirektor der
Sphärenmusik werd' ich doch nie, sagt er einst,
sich verbeugend die Flöte weglegend, und meinte
wahrscheinlich Gott. Jeder konnte mit ihm so
frei reden, wie mit einem russischen Kaiser, der
in Kaiserspracht in die Kulisse von der Bühne
kommt und fühlt, daß ihn Kozebue geschaffen
und er diesen. -- Er war Herzensgut und voll
Liebe, nur aber zu aufgebracht auf sämmtliche
Menschen. Ich weis, daß er Fliegen, die ihn
plagten, Einen Flügel auszupfte und sie auf
die Stube warf mit den Worten:

„Sehr wie ich, (verſezte Vult und ſah be¬
deutende trinkende Dikaſterianten an,) falls nicht
das Geſchlecht einen Unterſchied macht; denn ich
koͤnnte wohl eben ſo gut eine verkleidete Ritterin
d'Eon ſeyn, als dieſe bekannte Frau, Messieurs,
— ob wir gleich davon abbrechen wollen. — Vult
ſelber iſt wohl der artigſte Mann und der ſchoͤn¬
ſte, ohne es aber zu wiſſen, dem ich je ins Ge¬
ſicht geſehen, nur zu ernſt und zu gelehrt, naͤm¬
lich fuͤr einen Muſikus. Sie alle ſollten ihn ſe¬
hen, das heiſſet hoͤren. — Und doch ſo beſchei¬
den, wie ſchon geſagt. Der Muſikdirektor der
Sphaͤrenmuſik werd' ich doch nie, ſagt er einſt,
ſich verbeugend die Floͤte weglegend, und meinte
wahrſcheinlich Gott. Jeder konnte mit ihm ſo
frei reden, wie mit einem ruſſiſchen Kaiſer, der
in Kaiſerspracht in die Kuliſſe von der Buͤhne
kommt und fuͤhlt, daß ihn Kozebue geſchaffen
und er dieſen. — Er war Herzensgut und voll
Liebe, nur aber zu aufgebracht auf ſaͤmmtliche
Menſchen. Ich weis, daß er Fliegen, die ihn
plagten, Einen Fluͤgel auszupfte und ſie auf
die Stube warf mit den Worten:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0081" n="71"/>
&#x201E;Sehr wie ich, (ver&#x017F;ezte Vult und &#x017F;ah be¬<lb/>
deutende trinkende Dika&#x017F;terianten an,) falls nicht<lb/>
das Ge&#x017F;chlecht einen Unter&#x017F;chied macht; denn ich<lb/>
ko&#x0364;nnte wohl eben &#x017F;o gut eine verkleidete Ritterin<lb/><hi rendition="#aq">d</hi>'<hi rendition="#aq">Eon</hi> &#x017F;eyn, als die&#x017F;e bekannte Frau, <hi rendition="#aq">Messieurs</hi>,<lb/>
&#x2014; ob wir gleich davon abbrechen wollen. &#x2014; Vult<lb/>
&#x017F;elber i&#x017F;t wohl der artig&#x017F;te Mann und der &#x017F;cho&#x0364;<lb/>
&#x017F;te, ohne es aber zu wi&#x017F;&#x017F;en, dem ich je ins Ge¬<lb/>
&#x017F;icht ge&#x017F;ehen, nur zu ern&#x017F;t und zu gelehrt, na&#x0364;<lb/>
lich fu&#x0364;r einen Mu&#x017F;ikus. Sie alle &#x017F;ollten ihn &#x017F;<lb/>
hen, das hei&#x017F;&#x017F;et ho&#x0364;ren. &#x2014; Und doch &#x017F;o be&#x017F;chei¬<lb/>
den, wie &#x017F;chon ge&#x017F;agt. Der Mu&#x017F;ikdirektor der<lb/>
Spha&#x0364;renmu&#x017F;ik werd' ich doch nie, &#x017F;agt er ein&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;ich verbeugend die Flo&#x0364;te weglegend, und meinte<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich Gott. Jeder konnte mit ihm &#x017F;o<lb/>
frei reden, wie mit einem ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Kai&#x017F;er, der<lb/>
in Kai&#x017F;erspracht in die Kuli&#x017F;&#x017F;e von der Bu&#x0364;hne<lb/>
kommt und fu&#x0364;hlt, daß ihn Kozebue ge&#x017F;chaffen<lb/>
und er die&#x017F;en. &#x2014; Er war Herzensgut und voll<lb/>
Liebe, nur aber zu aufgebracht auf &#x017F;a&#x0364;mmtliche<lb/>
Men&#x017F;chen. Ich weis, daß er Fliegen, die ihn<lb/>
plagten, Einen Flu&#x0364;gel auszupfte und &#x017F;ie auf<lb/>
die Stube warf mit den Worten:<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0081] „Sehr wie ich, (verſezte Vult und ſah be¬ deutende trinkende Dikaſterianten an,) falls nicht das Geſchlecht einen Unterſchied macht; denn ich koͤnnte wohl eben ſo gut eine verkleidete Ritterin d'Eon ſeyn, als dieſe bekannte Frau, Messieurs, — ob wir gleich davon abbrechen wollen. — Vult ſelber iſt wohl der artigſte Mann und der ſchoͤn¬ ſte, ohne es aber zu wiſſen, dem ich je ins Ge¬ ſicht geſehen, nur zu ernſt und zu gelehrt, naͤm¬ lich fuͤr einen Muſikus. Sie alle ſollten ihn ſe¬ hen, das heiſſet hoͤren. — Und doch ſo beſchei¬ den, wie ſchon geſagt. Der Muſikdirektor der Sphaͤrenmuſik werd' ich doch nie, ſagt er einſt, ſich verbeugend die Floͤte weglegend, und meinte wahrſcheinlich Gott. Jeder konnte mit ihm ſo frei reden, wie mit einem ruſſiſchen Kaiſer, der in Kaiſerspracht in die Kuliſſe von der Buͤhne kommt und fuͤhlt, daß ihn Kozebue geſchaffen und er dieſen. — Er war Herzensgut und voll Liebe, nur aber zu aufgebracht auf ſaͤmmtliche Menſchen. Ich weis, daß er Fliegen, die ihn plagten, Einen Fluͤgel auszupfte und ſie auf die Stube warf mit den Worten:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/81
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/81>, abgerufen am 25.11.2024.