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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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den. Er geniesset da Sommer und Winter rein,
ohne lange verdrüßliche Unterbrechungen, z. B.
in seinen späten Frühling fällt statt des Nachwin¬
ters sogleich der ganze reife Vorsommer ein, wei߬
roth und Blüthenschwer, so daß man in einer
Sommernacht das halbe Italien, und in einer
Winter-Nacht die halbe zweite Welt haben kann.

Ich will aber bei dem Winter anfangen, und
das Christfest nehmen.

Der Pfarrer, der aus Deutschland, aus Has¬
lau in ein sehr nördlich-polarisches Dörflein vo¬
ziert worden, steht heiter um 7 Uhr auf, und
brennt bis 91/2 Uhr sein dünnes Licht. Noch um
9 Uhr scheinen Sterne, der helle Mond noch län¬
ger. Aber dieses Hereinlangen des Sternen-Him¬
mels in den Vormittag giebt ihm liebe Empfin¬
dungen, weil er ein Deutscher ist, und über ei¬
nen gestirnten Vormittag erstaunt. Ich sehe den
Pfarrer und andere Kirchengänger mit Laternen
in die Kirche gehen; die vielen Lichtergen machen
die Gemeinde zu einer Familie und sezen den Pfar¬
rer in seine Kinderjahre, in die Winterstunden
und Weihnachtsmetten zurük, wo jeder sein Licht¬

Flegeljahre I. Bd. 3

den. Er genieſſet da Sommer und Winter rein,
ohne lange verdruͤßliche Unterbrechungen, z. B.
in ſeinen ſpaͤten Fruͤhling faͤllt ſtatt des Nachwin¬
ters ſogleich der ganze reife Vorſommer ein, wei߬
roth und Bluͤthenſchwer, ſo daß man in einer
Sommernacht das halbe Italien, und in einer
Winter-Nacht die halbe zweite Welt haben kann.

Ich will aber bei dem Winter anfangen, und
das Chriſtfeſt nehmen.

Der Pfarrer, der aus Deutſchland, aus Has¬
lau in ein ſehr noͤrdlich-polariſches Doͤrflein vo¬
ziert worden, ſteht heiter um 7 Uhr auf, und
brennt bis 9½ Uhr ſein duͤnnes Licht. Noch um
9 Uhr ſcheinen Sterne, der helle Mond noch laͤn¬
ger. Aber dieſes Hereinlangen des Sternen-Him¬
mels in den Vormittag giebt ihm liebe Empfin¬
dungen, weil er ein Deutſcher iſt, und uͤber ei¬
nen geſtirnten Vormittag erſtaunt. Ich ſehe den
Pfarrer und andere Kirchengaͤnger mit Laternen
in die Kirche gehen; die vielen Lichtergen machen
die Gemeinde zu einer Familie und ſezen den Pfar¬
rer in ſeine Kinderjahre, in die Winterſtunden
und Weihnachtsmetten zuruͤk, wo jeder ſein Licht¬

Flegeljahre I. Bd. 3
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[33/0043] den. Er genieſſet da Sommer und Winter rein, ohne lange verdruͤßliche Unterbrechungen, z. B. in ſeinen ſpaͤten Fruͤhling faͤllt ſtatt des Nachwin¬ ters ſogleich der ganze reife Vorſommer ein, wei߬ roth und Bluͤthenſchwer, ſo daß man in einer Sommernacht das halbe Italien, und in einer Winter-Nacht die halbe zweite Welt haben kann. Ich will aber bei dem Winter anfangen, und das Chriſtfeſt nehmen. Der Pfarrer, der aus Deutſchland, aus Has¬ lau in ein ſehr noͤrdlich-polariſches Doͤrflein vo¬ ziert worden, ſteht heiter um 7 Uhr auf, und brennt bis 9½ Uhr ſein duͤnnes Licht. Noch um 9 Uhr ſcheinen Sterne, der helle Mond noch laͤn¬ ger. Aber dieſes Hereinlangen des Sternen-Him¬ mels in den Vormittag giebt ihm liebe Empfin¬ dungen, weil er ein Deutſcher iſt, und uͤber ei¬ nen geſtirnten Vormittag erſtaunt. Ich ſehe den Pfarrer und andere Kirchengaͤnger mit Laternen in die Kirche gehen; die vielen Lichtergen machen die Gemeinde zu einer Familie und ſezen den Pfar¬ rer in ſeine Kinderjahre, in die Winterſtunden und Weihnachtsmetten zuruͤk, wo jeder ſein Licht¬ Flegeljahre I. Bd. 3

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/43>, abgerufen am 24.11.2024.