Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Mit Vergnügen bemerkte er, daß alle noch
so trocken da saßen wie Korkhölzer; besonders jezt
konnten Krokodille, Hirsche, Elephanten, Hexen,
Reben leichter weinen als die Erben, von Glan¬
zen so gestört, und grimmig gemacht. Blos
Flachsen schlugs heimlich zu; dieser hielt sich Ka¬
bels Wohlthaten und die schlechten Röcke und
grauen Haare seiner Zuhörerinnen des Frühgot¬
tesdienstes, den Lazarus mit seinen Hunden und
seinen eigenen langen Sarg in der Eile vor, fer¬
ner das Köpfen so mancher Menschen, Werthers
Leiden, ein kleines Schlachtfeld, und sich selber,
wie er sich da so erbärmlich um den Testaments-
Artikel in seinen jungen Jahren abquäle und ab¬
ringe -- noch drei Stöße hat er zu thun mit dem
Pumpenstiefel, so hatte er sein Wasser und Haus.

"O Kabel, mein Kabel -- fuhr Glanz fort,
fast vor Freude über nahe Trauerthränen weinend
-- einst wenn neben deine mit Erde bedekte Brust
voll Liebe auch die meinige zum Vermod" -- --

"Ich glaube, meine verehrtesten Herren --
sagte Flachs, betrübt aufstehend und überflies¬
send umher sehend -- ich weine" -- sezte sich dar¬

Mit Vergnuͤgen bemerkte er, daß alle noch
ſo trocken da ſaßen wie Korkhoͤlzer; beſonders jezt
konnten Krokodille, Hirſche, Elephanten, Hexen,
Reben leichter weinen als die Erben, von Glan¬
zen ſo geſtoͤrt, und grimmig gemacht. Blos
Flachſen ſchlugs heimlich zu; dieſer hielt ſich Ka¬
bels Wohlthaten und die ſchlechten Roͤcke und
grauen Haare ſeiner Zuhoͤrerinnen des Fruͤhgot¬
tesdienſtes, den Lazarus mit ſeinen Hunden und
ſeinen eigenen langen Sarg in der Eile vor, fer¬
ner das Koͤpfen ſo mancher Menſchen, Werthers
Leiden, ein kleines Schlachtfeld, und ſich ſelber,
wie er ſich da ſo erbaͤrmlich um den Teſtaments-
Artikel in ſeinen jungen Jahren abquaͤle und ab¬
ringe — noch drei Stoͤße hat er zu thun mit dem
Pumpenſtiefel, ſo hatte er ſein Waſſer und Haus.

„O Kabel, mein Kabel — fuhr Glanz fort,
faſt vor Freude uͤber nahe Trauerthraͤnen weinend
— einſt wenn neben deine mit Erde bedekte Bruſt
voll Liebe auch die meinige zum Vermod“ — —

„Ich glaube, meine verehrteſten Herren —
ſagte Flachs, betruͤbt aufſtehend und uͤberflieſ¬
ſend umher ſehend — ich weine“ — ſezte ſich dar¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0022" n="12"/>
          <p>Mit Vergnu&#x0364;gen bemerkte er, daß alle noch<lb/>
&#x017F;o trocken da &#x017F;aßen wie Korkho&#x0364;lzer; be&#x017F;onders jezt<lb/>
konnten Krokodille, Hir&#x017F;che, Elephanten, Hexen,<lb/>
Reben leichter weinen als die Erben, von Glan¬<lb/>
zen &#x017F;o ge&#x017F;to&#x0364;rt, und grimmig gemacht. Blos<lb/>
Flach&#x017F;en &#x017F;chlugs heimlich zu; die&#x017F;er hielt &#x017F;ich Ka¬<lb/>
bels Wohlthaten und die &#x017F;chlechten Ro&#x0364;cke und<lb/>
grauen Haare &#x017F;einer Zuho&#x0364;rerinnen des Fru&#x0364;hgot¬<lb/>
tesdien&#x017F;tes, den Lazarus mit &#x017F;einen Hunden und<lb/>
&#x017F;einen eigenen langen Sarg in der Eile vor, fer¬<lb/>
ner das Ko&#x0364;pfen &#x017F;o mancher Men&#x017F;chen, Werthers<lb/>
Leiden, ein kleines Schlachtfeld, und &#x017F;ich &#x017F;elber,<lb/>
wie er &#x017F;ich da &#x017F;o erba&#x0364;rmlich um den Te&#x017F;taments-<lb/>
Artikel in &#x017F;einen jungen Jahren abqua&#x0364;le und ab¬<lb/>
ringe &#x2014; noch drei Sto&#x0364;ße hat er zu thun mit dem<lb/>
Pumpen&#x017F;tiefel, &#x017F;o hatte er &#x017F;ein Wa&#x017F;&#x017F;er und Haus.</p><lb/>
          <p>&#x201E;O Kabel, mein Kabel &#x2014; fuhr Glanz fort,<lb/>
fa&#x017F;t vor Freude u&#x0364;ber nahe Trauerthra&#x0364;nen weinend<lb/>
&#x2014; ein&#x017F;t wenn neben deine mit Erde bedekte Bru&#x017F;t<lb/>
voll Liebe auch die meinige zum Vermod&#x201C; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich glaube, meine verehrte&#x017F;ten Herren &#x2014;<lb/>
&#x017F;agte Flachs, betru&#x0364;bt auf&#x017F;tehend und u&#x0364;berflie&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;end umher &#x017F;ehend &#x2014; ich weine&#x201C; &#x2014; &#x017F;ezte &#x017F;ich dar¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0022] Mit Vergnuͤgen bemerkte er, daß alle noch ſo trocken da ſaßen wie Korkhoͤlzer; beſonders jezt konnten Krokodille, Hirſche, Elephanten, Hexen, Reben leichter weinen als die Erben, von Glan¬ zen ſo geſtoͤrt, und grimmig gemacht. Blos Flachſen ſchlugs heimlich zu; dieſer hielt ſich Ka¬ bels Wohlthaten und die ſchlechten Roͤcke und grauen Haare ſeiner Zuhoͤrerinnen des Fruͤhgot¬ tesdienſtes, den Lazarus mit ſeinen Hunden und ſeinen eigenen langen Sarg in der Eile vor, fer¬ ner das Koͤpfen ſo mancher Menſchen, Werthers Leiden, ein kleines Schlachtfeld, und ſich ſelber, wie er ſich da ſo erbaͤrmlich um den Teſtaments- Artikel in ſeinen jungen Jahren abquaͤle und ab¬ ringe — noch drei Stoͤße hat er zu thun mit dem Pumpenſtiefel, ſo hatte er ſein Waſſer und Haus. „O Kabel, mein Kabel — fuhr Glanz fort, faſt vor Freude uͤber nahe Trauerthraͤnen weinend — einſt wenn neben deine mit Erde bedekte Bruſt voll Liebe auch die meinige zum Vermod“ — — „Ich glaube, meine verehrteſten Herren — ſagte Flachs, betruͤbt aufſtehend und uͤberflieſ¬ ſend umher ſehend — ich weine“ — ſezte ſich dar¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/22
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/22>, abgerufen am 24.11.2024.