dienen den Galgenstrang als Nabelschnur der zweiten Welt. Du bekommst wahrlich schwere Aufgaben durch sie." -- Walt sah sehr ernsthaft aus. -- "Denn, fuhr jener lustiger fort, erwägt man dein liebliches Nein und Adio, als Flora vorhin nach Befehlen fragte und ihr belvedere d. h. ihre belle-vue von schönem Gesicht und dazu das enterbte Diebs- und Siebengestirn, das dir vielleicht blos wegen der Klausel, die dich um ein Sechstel puncto Sexti zu strafen droht, eine Flora so nahe mag hergesezt haben, die zu deflorieren" -- -- --
"Bruder -- unterbrach ihn der zorn- und schamrothe Jüngling und hofte, eine ironische Frage zu thun -- ist das die Sprache eines Welt¬ manns wie du?" -- "Auch wollt' ich effleurer sagen statt deflorer, sagte Vult. O, reiner starker Freund, die Poesie ist ja doch ein paar Schlittschuh, womit man auf dem glatten reinen krystallenen Boden des Ideals leicht fliegt, aber miserabel forthumpelt auf gemeiner Gasse." Er brach ab und fragte nach der Ursache, warum er ihn vorhin so traurend gefunden. Walt, jezt
dienen den Galgenſtrang als Nabelſchnur der zweiten Welt. Du bekommſt wahrlich ſchwere Aufgaben durch ſie.” — Walt ſah ſehr ernſthaft aus. — „Denn, fuhr jener luſtiger fort, erwaͤgt man dein liebliches Nein und Adio, als Flora vorhin nach Befehlen fragte und ihr belvedere d. h. ihre belle-vue von ſchoͤnem Geſicht und dazu das enterbte Diebs- und Siebengeſtirn, das dir vielleicht blos wegen der Klauſel, die dich um ein Sechſtel puncto Sexti zu ſtrafen droht, eine Flora ſo nahe mag hergeſezt haben, die zu deflorieren” — — —
„Bruder — unterbrach ihn der zorn- und ſchamrothe Juͤngling und hofte, eine ironiſche Frage zu thun — iſt das die Sprache eines Welt¬ manns wie du?” — „Auch wollt' ich effleurer ſagen ſtatt déflorer, ſagte Vult. O, reiner ſtarker Freund, die Poeſie iſt ja doch ein paar Schlittſchuh, womit man auf dem glatten reinen kryſtallenen Boden des Ideals leicht fliegt, aber miſerabel forthumpelt auf gemeiner Gaſſe.” Er brach ab und fragte nach der Urſache, warum er ihn vorhin ſo traurend gefunden. Walt, jezt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0213"n="203"/>
dienen den Galgenſtrang als Nabelſchnur der<lb/>
zweiten Welt. Du bekommſt wahrlich ſchwere<lb/>
Aufgaben durch ſie.”— Walt ſah ſehr ernſthaft<lb/>
aus. —„Denn, fuhr jener luſtiger fort, erwaͤgt<lb/>
man dein liebliches Nein und Adio, als Flora<lb/>
vorhin nach Befehlen fragte und ihr <hirendition="#aq">belvedere</hi><lb/>
d. h. ihre <hirendition="#aq">belle-vue</hi> von ſchoͤnem Geſicht und<lb/>
dazu das enterbte Diebs- und Siebengeſtirn, das<lb/>
dir vielleicht blos wegen der Klauſel, die dich<lb/>
um ein Sechſtel <hirendition="#aq">puncto Sexti</hi> zu ſtrafen droht,<lb/>
eine Flora ſo nahe mag hergeſezt haben, die zu<lb/>
deflorieren”———</p><lb/><p>„Bruder — unterbrach ihn der zorn- und<lb/>ſchamrothe Juͤngling und hofte, eine ironiſche<lb/>
Frage zu thun — iſt das die Sprache eines Welt¬<lb/>
manns wie du?”—„Auch wollt' ich <hirendition="#aq">effleurer</hi><lb/>ſagen ſtatt <hirendition="#aq">déflorer</hi>, ſagte Vult. O, reiner<lb/>ſtarker Freund, die Poeſie iſt ja doch ein paar<lb/>
Schlittſchuh, womit man auf dem glatten reinen<lb/>
kryſtallenen Boden des Ideals leicht fliegt, aber<lb/>
miſerabel forthumpelt auf gemeiner Gaſſe.” Er<lb/>
brach ab und fragte nach der Urſache, warum<lb/>
er ihn vorhin ſo traurend gefunden. Walt, jezt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[203/0213]
dienen den Galgenſtrang als Nabelſchnur der
zweiten Welt. Du bekommſt wahrlich ſchwere
Aufgaben durch ſie.” — Walt ſah ſehr ernſthaft
aus. — „Denn, fuhr jener luſtiger fort, erwaͤgt
man dein liebliches Nein und Adio, als Flora
vorhin nach Befehlen fragte und ihr belvedere
d. h. ihre belle-vue von ſchoͤnem Geſicht und
dazu das enterbte Diebs- und Siebengeſtirn, das
dir vielleicht blos wegen der Klauſel, die dich
um ein Sechſtel puncto Sexti zu ſtrafen droht,
eine Flora ſo nahe mag hergeſezt haben, die zu
deflorieren” — — —
„Bruder — unterbrach ihn der zorn- und
ſchamrothe Juͤngling und hofte, eine ironiſche
Frage zu thun — iſt das die Sprache eines Welt¬
manns wie du?” — „Auch wollt' ich effleurer
ſagen ſtatt déflorer, ſagte Vult. O, reiner
ſtarker Freund, die Poeſie iſt ja doch ein paar
Schlittſchuh, womit man auf dem glatten reinen
kryſtallenen Boden des Ideals leicht fliegt, aber
miſerabel forthumpelt auf gemeiner Gaſſe.” Er
brach ab und fragte nach der Urſache, warum
er ihn vorhin ſo traurend gefunden. Walt, jezt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/213>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.