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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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gen seine Natur als ein hoher Saitensteg da ste¬
hen sollte, auf welchen andere Menschen wie
Saiten gespannt waren; er schlug die Augen vor
den Akzessit-Erben nieder, die gekommen wa¬
ren, ihren Broddieb abzuwägen. Blos der stol¬
ze Neupeter fehlte sammt dem Kirchenrath Glanz,
der ein viel zu berühmter Prediger auf dem Kan¬
zel- und dem Schreibpulte war, um zur Schau
eines ungedruckten Menschen nur drei Schritte
zu thun, von dem er die gröste Begierde forder¬
te, vielmehr Glanzen aufzusuchen.

Der regierende Burgermeister und Exekutor
Kuhnold wurde mit Einem Blick der heimliche
Freund des Jünglings, der mit so erröthendem
Schmerz sich allein, vor den Augen stehender
gefräßiger Zuschauer an die gedeckte Glückstafel
sezte. Lukas aber besichtigte jeden sehr scharf.

Das Testament wurde verlesen. Nach dem
Ende der 3ten Klausel zeigte Kuhnold auf den
Frühprediger Flachs, als den redlichen Finder
und Gewinner des Kabelschen Hauses; und Walt
warf schnell die Augen auf ihn und sie standen
voll Glückwünsche und Gönnen.

gen ſeine Natur als ein hoher Saitenſteg da ſte¬
hen ſollte, auf welchen andere Menſchen wie
Saiten geſpannt waren; er ſchlug die Augen vor
den Akzeſſit-Erben nieder, die gekommen wa¬
ren, ihren Broddieb abzuwaͤgen. Blos der ſtol¬
ze Neupeter fehlte ſammt dem Kirchenrath Glanz,
der ein viel zu beruͤhmter Prediger auf dem Kan¬
zel- und dem Schreibpulte war, um zur Schau
eines ungedruckten Menſchen nur drei Schritte
zu thun, von dem er die groͤſte Begierde forder¬
te, vielmehr Glanzen aufzuſuchen.

Der regierende Burgermeiſter und Exekutor
Kuhnold wurde mit Einem Blick der heimliche
Freund des Juͤnglings, der mit ſo erroͤthendem
Schmerz ſich allein, vor den Augen ſtehender
gefraͤßiger Zuſchauer an die gedeckte Gluͤckstafel
ſezte. Lukas aber beſichtigte jeden ſehr ſcharf.

Das Teſtament wurde verleſen. Nach dem
Ende der 3ten Klauſel zeigte Kuhnold auf den
Fruͤhprediger Flachs, als den redlichen Finder
und Gewinner des Kabelſchen Hauſes; und Walt
warf ſchnell die Augen auf ihn und ſie ſtanden
voll Gluͤckwuͤnſche und Goͤnnen.

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[192/0202] gen ſeine Natur als ein hoher Saitenſteg da ſte¬ hen ſollte, auf welchen andere Menſchen wie Saiten geſpannt waren; er ſchlug die Augen vor den Akzeſſit-Erben nieder, die gekommen wa¬ ren, ihren Broddieb abzuwaͤgen. Blos der ſtol¬ ze Neupeter fehlte ſammt dem Kirchenrath Glanz, der ein viel zu beruͤhmter Prediger auf dem Kan¬ zel- und dem Schreibpulte war, um zur Schau eines ungedruckten Menſchen nur drei Schritte zu thun, von dem er die groͤſte Begierde forder¬ te, vielmehr Glanzen aufzuſuchen. Der regierende Burgermeiſter und Exekutor Kuhnold wurde mit Einem Blick der heimliche Freund des Juͤnglings, der mit ſo erroͤthendem Schmerz ſich allein, vor den Augen ſtehender gefraͤßiger Zuſchauer an die gedeckte Gluͤckstafel ſezte. Lukas aber beſichtigte jeden ſehr ſcharf. Das Teſtament wurde verleſen. Nach dem Ende der 3ten Klauſel zeigte Kuhnold auf den Fruͤhprediger Flachs, als den redlichen Finder und Gewinner des Kabelſchen Hauſes; und Walt warf ſchnell die Augen auf ihn und ſie ſtanden voll Gluͤckwuͤnſche und Goͤnnen.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/202>, abgerufen am 26.11.2024.