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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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Bei diesem Titel muste es bleiben.

Beide mengten sich wieder in die Gegen¬
wart ein.

Der Notar nahm ein Glas und drehte sich
von der Gesellschaft ab, und sagte mit tropfen¬
den Augen zu Vult: "auf das Glück unserer
Eltern und auch der armen Goldine! Sie sizen
jezt gewiß ohne Licht in der Stube und reden
von uns." -- Hierauf zog der Flötenist sein In¬
strument hervor, und blies der Gesellschaft einige
gemeine Schleifer vor. Der lange Wirth tanzte
darnach langsam und zerrend mit dem schläfri¬
gen Knaben; manche Gäste regten den Takt-
Schenkel; der Notarius weinte dazu seelig, und
sah ins Abendroth. "Ich möchte wohl, -- sagt'
er dem Bruder ins Ohr -- die armen Fuhrleute
sämmtlich in Bier freihalten." -- "Wahrschein¬
lich, sagte Vult, würfen sie dich dann aus point
d'honneur
den Hügel hinunter. Himmel! sie
sind ja Krösi gegen uns und sehen herab." Vult
lies den Wirth plözlich, statt zu tanzen, servie¬
ren; so ungern der Notarius in seine Entzückung
hinein essen und käuen wollte.

Bei dieſem Titel muſte es bleiben.

Beide mengten ſich wieder in die Gegen¬
wart ein.

Der Notar nahm ein Glas und drehte ſich
von der Geſellſchaft ab, und ſagte mit tropfen¬
den Augen zu Vult: „auf das Gluͤck unſerer
Eltern und auch der armen Goldine! Sie ſizen
jezt gewiß ohne Licht in der Stube und reden
von uns.“ — Hierauf zog der Floͤteniſt ſein In¬
ſtrument hervor, und blies der Geſellſchaft einige
gemeine Schleifer vor. Der lange Wirth tanzte
darnach langſam und zerrend mit dem ſchlaͤfri¬
gen Knaben; manche Gaͤſte regten den Takt-
Schenkel; der Notarius weinte dazu ſeelig, und
ſah ins Abendroth. „Ich moͤchte wohl, — ſagt'
er dem Bruder ins Ohr — die armen Fuhrleute
ſaͤmmtlich in Bier freihalten.“ — „Wahrſchein¬
lich, ſagte Vult, wuͤrfen ſie dich dann aus point
d'honneur
den Huͤgel hinunter. Himmel! ſie
ſind ja Kroͤſi gegen uns und ſehen herab.“ Vult
lies den Wirth ploͤzlich, ſtatt zu tanzen, ſervie¬
ren; ſo ungern der Notarius in ſeine Entzuͤckung
hinein eſſen und kaͤuen wollte.

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[176/0186] Bei dieſem Titel muſte es bleiben. Beide mengten ſich wieder in die Gegen¬ wart ein. Der Notar nahm ein Glas und drehte ſich von der Geſellſchaft ab, und ſagte mit tropfen¬ den Augen zu Vult: „auf das Gluͤck unſerer Eltern und auch der armen Goldine! Sie ſizen jezt gewiß ohne Licht in der Stube und reden von uns.“ — Hierauf zog der Floͤteniſt ſein In¬ ſtrument hervor, und blies der Geſellſchaft einige gemeine Schleifer vor. Der lange Wirth tanzte darnach langſam und zerrend mit dem ſchlaͤfri¬ gen Knaben; manche Gaͤſte regten den Takt- Schenkel; der Notarius weinte dazu ſeelig, und ſah ins Abendroth. „Ich moͤchte wohl, — ſagt' er dem Bruder ins Ohr — die armen Fuhrleute ſaͤmmtlich in Bier freihalten.“ — „Wahrſchein¬ lich, ſagte Vult, wuͤrfen ſie dich dann aus point d'honneur den Huͤgel hinunter. Himmel! ſie ſind ja Kroͤſi gegen uns und ſehen herab.“ Vult lies den Wirth ploͤzlich, ſtatt zu tanzen, ſervie¬ ren; ſo ungern der Notarius in ſeine Entzuͤckung hinein eſſen und kaͤuen wollte.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/186>, abgerufen am 27.11.2024.