sagt, man könne ohne Bedenken ein von ent¬ weder vor den Ort oder auch vor den Vater sezen, von welchem man komme; ich konnte mich nach ihm eben so gut Herr von Elterlein umtau¬ fen als Herr von Harnisch. Nennt mich einer gnädiger Herr, so weis ich schon, daß ich einen Wiener höre, der jeden bürgerlichen Gentleman so anspricht und lass' ihm gern seine so unschul¬ dige Sitte." --
"Aber du konntest es gestern aushalten, sag¬ te Walt, die Eltern zu sehen und den Jammer der Mutter unter dem Essen über dein Schicksal zu hören, ohne herab und hinein an die besorg¬ ten Herzen zu stürzen?" --
"So lange sas ich nicht auf dem Baume -- -- Walt, sagt' er plözlich vor ihn vorsprin¬ gend -- Sieh mich an! Wie Leute gewöhnlich sonst aus ihren Noth- und Ehrenzügen durch Euro¬ pa, heimkommen, besonders wie morsch, wie zerschabt, wie zerschossen gleich Fahnen, braucht dir wohl niemand bei deiner ausgedehnten Lektü¬ re lange zu sagen; -- ob es gleich sehr erläu¬ tert würde, wenn man dir dazu einen Fahnen¬
ſagt, man koͤnne ohne Bedenken ein von ent¬ weder vor den Ort oder auch vor den Vater ſezen, von welchem man komme; ich konnte mich nach ihm eben ſo gut Herr von Elterlein umtau¬ fen als Herr von Harniſch. Nennt mich einer gnaͤdiger Herr, ſo weis ich ſchon, daß ich einen Wiener hoͤre, der jeden buͤrgerlichen Gentleman ſo anſpricht und laſſ' ihm gern ſeine ſo unſchul¬ dige Sitte.“ —
„Aber du konnteſt es geſtern aushalten, ſag¬ te Walt, die Eltern zu ſehen und den Jammer der Mutter unter dem Eſſen uͤber dein Schickſal zu hoͤren, ohne herab und hinein an die beſorg¬ ten Herzen zu ſtuͤrzen?“ —
„So lange ſas ich nicht auf dem Baume — — Walt, ſagt' er ploͤzlich vor ihn vorſprin¬ gend — Sieh mich an! Wie Leute gewoͤhnlich ſonſt aus ihren Noth- und Ehrenzuͤgen durch Euro¬ pa, heimkommen, beſonders wie morſch, wie zerſchabt, wie zerſchoſſen gleich Fahnen, braucht dir wohl niemand bei deiner ausgedehnten Lektuͤ¬ re lange zu ſagen; — ob es gleich ſehr erlaͤu¬ tert wuͤrde, wenn man dir dazu einen Fahnen¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0169"n="159"/>ſagt, man koͤnne ohne Bedenken ein <hirendition="#g">von</hi> ent¬<lb/>
weder vor den Ort oder auch vor den Vater<lb/>ſezen, von welchem man komme; ich konnte mich<lb/>
nach ihm eben ſo gut Herr von Elterlein umtau¬<lb/>
fen als Herr von Harniſch. Nennt mich einer<lb/>
gnaͤdiger Herr, ſo weis ich ſchon, daß ich einen<lb/>
Wiener hoͤre, der jeden buͤrgerlichen <hirendition="#g">Gentleman</hi><lb/>ſo anſpricht und laſſ' ihm gern ſeine ſo unſchul¬<lb/>
dige Sitte.“—</p><lb/><p>„Aber du konnteſt es geſtern aushalten, ſag¬<lb/>
te Walt, die Eltern zu ſehen und den Jammer<lb/>
der Mutter unter dem Eſſen uͤber dein Schickſal<lb/>
zu hoͤren, ohne herab und hinein an die beſorg¬<lb/>
ten Herzen zu ſtuͤrzen?“—</p><lb/><p>„So lange ſas ich nicht auf dem Baume<lb/>—— Walt, ſagt' er ploͤzlich vor ihn vorſprin¬<lb/>
gend — Sieh mich an! Wie Leute gewoͤhnlich ſonſt<lb/>
aus ihren Noth- und Ehrenzuͤgen durch Euro¬<lb/>
pa, heimkommen, beſonders wie morſch, wie<lb/>
zerſchabt, wie zerſchoſſen gleich Fahnen, braucht<lb/>
dir wohl niemand bei deiner ausgedehnten Lektuͤ¬<lb/>
re lange zu ſagen; — ob es gleich ſehr erlaͤu¬<lb/>
tert wuͤrde, wenn man dir dazu einen Fahnen¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[159/0169]
ſagt, man koͤnne ohne Bedenken ein von ent¬
weder vor den Ort oder auch vor den Vater
ſezen, von welchem man komme; ich konnte mich
nach ihm eben ſo gut Herr von Elterlein umtau¬
fen als Herr von Harniſch. Nennt mich einer
gnaͤdiger Herr, ſo weis ich ſchon, daß ich einen
Wiener hoͤre, der jeden buͤrgerlichen Gentleman
ſo anſpricht und laſſ' ihm gern ſeine ſo unſchul¬
dige Sitte.“ —
„Aber du konnteſt es geſtern aushalten, ſag¬
te Walt, die Eltern zu ſehen und den Jammer
der Mutter unter dem Eſſen uͤber dein Schickſal
zu hoͤren, ohne herab und hinein an die beſorg¬
ten Herzen zu ſtuͤrzen?“ —
„So lange ſas ich nicht auf dem Baume
— — Walt, ſagt' er ploͤzlich vor ihn vorſprin¬
gend — Sieh mich an! Wie Leute gewoͤhnlich ſonſt
aus ihren Noth- und Ehrenzuͤgen durch Euro¬
pa, heimkommen, beſonders wie morſch, wie
zerſchabt, wie zerſchoſſen gleich Fahnen, braucht
dir wohl niemand bei deiner ausgedehnten Lektuͤ¬
re lange zu ſagen; — ob es gleich ſehr erlaͤu¬
tert wuͤrde, wenn man dir dazu einen Fahnen¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/169>, abgerufen am 19.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.