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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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de unbefangene Bruderseele heute und gestern in
seiner Brust, aus welcher die Winde der Reisen
eine Liebes-Kohle nach andern verweht hatten,
ein neues Feuer der Bruderflammen angezündet,
welche frei und hoch aufschlugen ohne das kleinste
Hindernis. Stiller giengen jezt beide im schönen
Abend. Als sie den Gottesacker öfneten, schwamm
er flammig im Schmelz und Brand der Abend¬
sonne. Hätte Vult zehn Meilen umher nach ei¬
nem schönen Postamente für eine Gruppe zwil¬
lings-brüderlicher Erkennung gesucht, ein besse¬
res hätt' er schwerlich aufgetrieben als der Herrn¬
huter Todtengarten war mit seinen flachen Bee¬
ten, worinn Gärtner aus Amerika, Asia und Bar¬
by gesäet waren, die sich alle auf einander mit
dem schönen Lebens-Endreim "heimgegan¬
gen" reimten. Wie schön war hier der Knochen¬
bau des Todes in Jugend-Fleisch gekleidet, und
der lezte blasse Schlaf mit Blüthen und Blättern
zugedekt! Um jedes stille Beet mit seinem Saat-
Herzen lebten treue Bäume und die ganze leben¬
dige Natur sah mit ihrem jungen Angesicht
herein.

de unbefangene Bruderſeele heute und geſtern in
ſeiner Bruſt, aus welcher die Winde der Reiſen
eine Liebes-Kohle nach andern verweht hatten,
ein neues Feuer der Bruderflammen angezuͤndet,
welche frei und hoch aufſchlugen ohne das kleinſte
Hindernis. Stiller giengen jezt beide im ſchoͤnen
Abend. Als ſie den Gottesacker oͤfneten, ſchwamm
er flammig im Schmelz und Brand der Abend¬
ſonne. Haͤtte Vult zehn Meilen umher nach ei¬
nem ſchoͤnen Poſtamente fuͤr eine Gruppe zwil¬
lings-bruͤderlicher Erkennung geſucht, ein beſſe¬
res haͤtt' er ſchwerlich aufgetrieben als der Herrn¬
huter Todtengarten war mit ſeinen flachen Bee¬
ten, worinn Gaͤrtner aus Amerika, Aſia und Bar¬
by geſaͤet waren, die ſich alle auf einander mit
dem ſchoͤnen Lebens-Endreim „heimgegan¬
gen“ reimten. Wie ſchoͤn war hier der Knochen¬
bau des Todes in Jugend-Fleiſch gekleidet, und
der lezte blaſſe Schlaf mit Bluͤthen und Blaͤttern
zugedekt! Um jedes ſtille Beet mit ſeinem Saat-
Herzen lebten treue Baͤume und die ganze leben¬
dige Natur ſah mit ihrem jungen Angeſicht
herein.

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[152/0162] de unbefangene Bruderſeele heute und geſtern in ſeiner Bruſt, aus welcher die Winde der Reiſen eine Liebes-Kohle nach andern verweht hatten, ein neues Feuer der Bruderflammen angezuͤndet, welche frei und hoch aufſchlugen ohne das kleinſte Hindernis. Stiller giengen jezt beide im ſchoͤnen Abend. Als ſie den Gottesacker oͤfneten, ſchwamm er flammig im Schmelz und Brand der Abend¬ ſonne. Haͤtte Vult zehn Meilen umher nach ei¬ nem ſchoͤnen Poſtamente fuͤr eine Gruppe zwil¬ lings-bruͤderlicher Erkennung geſucht, ein beſſe¬ res haͤtt' er ſchwerlich aufgetrieben als der Herrn¬ huter Todtengarten war mit ſeinen flachen Bee¬ ten, worinn Gaͤrtner aus Amerika, Aſia und Bar¬ by geſaͤet waren, die ſich alle auf einander mit dem ſchoͤnen Lebens-Endreim „heimgegan¬ gen“ reimten. Wie ſchoͤn war hier der Knochen¬ bau des Todes in Jugend-Fleiſch gekleidet, und der lezte blaſſe Schlaf mit Bluͤthen und Blaͤttern zugedekt! Um jedes ſtille Beet mit ſeinem Saat- Herzen lebten treue Baͤume und die ganze leben¬ dige Natur ſah mit ihrem jungen Angeſicht herein.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/162>, abgerufen am 25.11.2024.