Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.oder an ihr einen geliebten Bruder verloren, -- "Ich meine, versezte Walt, sonst dachten Aber nun vermochte sein entbranntes Herz oder an ihr einen geliebten Bruder verloren, — „Ich meine, verſezte Walt, ſonſt dachten Aber nun vermochte ſein entbranntes Herz <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0161" n="151"/> oder an ihr einen geliebten Bruder verloren, —<lb/> und welchen Schmerz er und die Eltern bisher<lb/> getragen, da es ein kleinerer ſei, einen Verwand¬<lb/> ten im Grabe zu haben, als in jeder frohen<lb/> Stunde ſich zu fragen, mit welcher dunklen,<lb/> kalten, mag jezt der Fluͤchtling auf ſeinem Bret<lb/> im Weltmeer ringen. „Da aber Ihr Hr. Bru¬<lb/> der ein Mann von muſikaliſchem Gewicht ſein ſoll,<lb/> ſo kann er ja eben ſo gut im Ueberfluſſe ſchwim¬<lb/> men als im Weltmeer“ ſagte er ſelber.</p><lb/> <p>„Ich meine, verſezte Walt, ſonſt dachten<lb/> wir ſo traurig, jezt nicht mehr; und da war es<lb/> kein Wunder, wenn man jede Floͤte fuͤr ein Stum¬<lb/> mengloͤkgen hielt, das der in Nacht hinaus ver¬<lb/> lorne Bruder hoͤren lies, weil er nicht zu uns<lb/> reden konnte.“ Unwillkuͤrlich fuhr Vult nach<lb/> deſſen Hand, gab ſie eben ſo ſchnell zuruͤk, ſag¬<lb/> te: „genug! Mich ruͤhren 100 Sachen zu ſtark<lb/> — Himmel, die ganze Landſchaft haͤngt ja voll<lb/> Duft und Gold!“</p><lb/> <p>Aber nun vermochte ſein entbranntes Herz<lb/> keine halbe Stunde laͤnger den Kuß des bruͤder¬<lb/> lichen aufzuſchieben; ſo ſehr hatte die vertrauen¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [151/0161]
oder an ihr einen geliebten Bruder verloren, —
und welchen Schmerz er und die Eltern bisher
getragen, da es ein kleinerer ſei, einen Verwand¬
ten im Grabe zu haben, als in jeder frohen
Stunde ſich zu fragen, mit welcher dunklen,
kalten, mag jezt der Fluͤchtling auf ſeinem Bret
im Weltmeer ringen. „Da aber Ihr Hr. Bru¬
der ein Mann von muſikaliſchem Gewicht ſein ſoll,
ſo kann er ja eben ſo gut im Ueberfluſſe ſchwim¬
men als im Weltmeer“ ſagte er ſelber.
„Ich meine, verſezte Walt, ſonſt dachten
wir ſo traurig, jezt nicht mehr; und da war es
kein Wunder, wenn man jede Floͤte fuͤr ein Stum¬
mengloͤkgen hielt, das der in Nacht hinaus ver¬
lorne Bruder hoͤren lies, weil er nicht zu uns
reden konnte.“ Unwillkuͤrlich fuhr Vult nach
deſſen Hand, gab ſie eben ſo ſchnell zuruͤk, ſag¬
te: „genug! Mich ruͤhren 100 Sachen zu ſtark
— Himmel, die ganze Landſchaft haͤngt ja voll
Duft und Gold!“
Aber nun vermochte ſein entbranntes Herz
keine halbe Stunde laͤnger den Kuß des bruͤder¬
lichen aufzuſchieben; ſo ſehr hatte die vertrauen¬
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