Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

in seinem Leben zu sagen: du bist mein Glük.
So lange verharrte Vult auf dem Baume. Als
aber die Mutter nun erst die ausführlichen Be¬
richte Schomackers über den Flötenspieler um ihr
warmes Herz versammlen wollte, stieg er, um
nichts zu hören, weil ihm der Tadel bitterer war
als das Lob süs, vom Baume herunter, schon
beglükt genug durch den Bruder, dessen Unschuld
und Dichtkunst ihn so liebend- eng umstrikten,
daß er gern die Nacht im Abendroth ersäuft hät¬
te, um nur den Tag zu haben, und den Poeten
an der Brust.


Nro. 12. Unächte Wendeltreppe.

Reiterstük.

Früh am bethaueten blauen Morgen stand
der Notar schon unter der Hausthüre reit- und
reisefertig. Er hatte statt des Schanzloopers den
guten gelbenSommer- und Frühlings- Roke von
Nanking am Leibe, weil er als UniversalErbe
mehr aufwenden konnte, einen runden weissen
braungeflammten Hut auf dem Kopf, die Reit-
Gerte in der Hand, und Kindesthränen in den

in ſeinem Leben zu ſagen: du biſt mein Gluͤk.
So lange verharrte Vult auf dem Baume. Als
aber die Mutter nun erſt die ausfuͤhrlichen Be¬
richte Schomackers uͤber den Floͤtenſpieler um ihr
warmes Herz verſammlen wollte, ſtieg er, um
nichts zu hoͤren, weil ihm der Tadel bitterer war
als das Lob ſuͤs, vom Baume herunter, ſchon
begluͤkt genug durch den Bruder, deſſen Unſchuld
und Dichtkunſt ihn ſo liebend- eng umſtrikten,
daß er gern die Nacht im Abendroth erſaͤuft haͤt¬
te, um nur den Tag zu haben, und den Poeten
an der Bruſt.


Nro. 12. Unaͤchte Wendeltreppe.

Reiterſtuͤk.

Fruͤh am bethaueten blauen Morgen ſtand
der Notar ſchon unter der Hausthuͤre reit- und
reiſefertig. Er hatte ſtatt des Schanzloopers den
guten gelbenSommer- und Fruͤhlings- Roke von
Nanking am Leibe, weil er als UniverſalErbe
mehr aufwenden konnte, einen runden weiſſen
braungeflammten Hut auf dem Kopf, die Reit-
Gerte in der Hand, und Kindesthraͤnen in den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0136" n="126"/>
in &#x017F;einem Leben zu &#x017F;agen: du bi&#x017F;t mein Glu&#x0364;k.<lb/>
So lange verharrte Vult auf dem Baume. Als<lb/>
aber die Mutter nun er&#x017F;t die ausfu&#x0364;hrlichen Be¬<lb/>
richte Schomackers u&#x0364;ber den Flo&#x0364;ten&#x017F;pieler um ihr<lb/>
warmes Herz ver&#x017F;ammlen wollte, &#x017F;tieg er, um<lb/>
nichts zu ho&#x0364;ren, weil ihm der Tadel bitterer war<lb/>
als das Lob &#x017F;u&#x0364;s, vom Baume herunter, &#x017F;chon<lb/>
beglu&#x0364;kt genug durch den Bruder, de&#x017F;&#x017F;en Un&#x017F;chuld<lb/>
und Dichtkun&#x017F;t ihn &#x017F;o liebend- eng um&#x017F;trikten,<lb/>
daß er gern die Nacht im Abendroth er&#x017F;a&#x0364;uft ha&#x0364;<lb/>
te, um nur den Tag zu haben, und den Poeten<lb/>
an der Bru&#x017F;t.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#aq #b">N</hi> <hi rendition="#aq #sup">ro</hi> <hi rendition="#b">. 12. Una&#x0364;chte Wendeltreppe.</hi><lb/>
        </head>
        <argument>
          <p rendition="#c"> <hi rendition="#g">Reiter&#x017F;tu&#x0364;k.</hi> </p>
        </argument><lb/>
        <p>Fru&#x0364;h am bethaueten blauen Morgen &#x017F;tand<lb/>
der Notar &#x017F;chon unter der Hausthu&#x0364;re reit- und<lb/>
rei&#x017F;efertig. Er hatte &#x017F;tatt des Schanzloopers den<lb/>
guten gelbenSommer- und Fru&#x0364;hlings- Roke von<lb/>
Nanking am Leibe, weil er als Univer&#x017F;alErbe<lb/>
mehr aufwenden konnte, einen runden wei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
braungeflammten Hut auf dem Kopf, die Reit-<lb/>
Gerte in der Hand, und Kindesthra&#x0364;nen in den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0136] in ſeinem Leben zu ſagen: du biſt mein Gluͤk. So lange verharrte Vult auf dem Baume. Als aber die Mutter nun erſt die ausfuͤhrlichen Be¬ richte Schomackers uͤber den Floͤtenſpieler um ihr warmes Herz verſammlen wollte, ſtieg er, um nichts zu hoͤren, weil ihm der Tadel bitterer war als das Lob ſuͤs, vom Baume herunter, ſchon begluͤkt genug durch den Bruder, deſſen Unſchuld und Dichtkunſt ihn ſo liebend- eng umſtrikten, daß er gern die Nacht im Abendroth erſaͤuft haͤt¬ te, um nur den Tag zu haben, und den Poeten an der Bruſt. Nro. 12. Unaͤchte Wendeltreppe. Reiterſtuͤk. Fruͤh am bethaueten blauen Morgen ſtand der Notar ſchon unter der Hausthuͤre reit- und reiſefertig. Er hatte ſtatt des Schanzloopers den guten gelbenSommer- und Fruͤhlings- Roke von Nanking am Leibe, weil er als UniverſalErbe mehr aufwenden konnte, einen runden weiſſen braungeflammten Hut auf dem Kopf, die Reit- Gerte in der Hand, und Kindesthraͤnen in den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/136
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/136>, abgerufen am 18.12.2024.