"In meinen Nebenstunden, versezte Knol, las ich alle mögliche auftreibliche Aktenstücke und wurde vielleicht das, was ich bin. Ueberspannte Floskeln hingegen greifen zulezt in dem Geschäfts¬ stil Plaz und vergiften ihn ganz; ein Gericht wei¬ set dergleichen dann zurück als inept. -- Natür¬ lich denn und verzeihlich daher, (fieng Schoma¬ ker als Selbstkrumschließer an) daß ich aus Un¬ kunde der Rechtskunde, diese mit der Poesie ver¬ einbaren wollen; aber ganz wahrscheinlich deshalb, daß H. Harnisch, seinem alleinigen Fache heißer sich weihend, nun ganz vom poetischen absteht: nicht gewis, gewis H. Notar?"
Da fuhr und schnaubte der bisher sanfte Mensch -- den Abfall des sonst lobenden Lehrers für eine Hofmännerei ansehend, die gleich einem Balbiermesser sich vor- und rükwärts beugt, obgleich Schomaker blos nicht fähig war, so auf der Stelle, in der Schnelle, einem ThronDiener gegenüber, und bei der Liebe für den Schüler im Herzen sogleich das Jus auszufinden, sondern immer zu leicht fürchtete, unter der Hand gegen seinen Fürsten zu rebellieren, indes er sonst bei dem
Flegeljahre I. Bd. 8
„In meinen Nebenſtunden, verſezte Knol, las ich alle moͤgliche auftreibliche Aktenſtuͤcke und wurde vielleicht das, was ich bin. Ueberſpannte Floskeln hingegen greifen zulezt in dem Geſchaͤfts¬ ſtil Plaz und vergiften ihn ganz; ein Gericht wei¬ ſet dergleichen dann zuruͤck als inept. — Natuͤr¬ lich denn und verzeihlich daher, (fieng Schoma¬ ker als Selbſtkrumſchließer an) daß ich aus Un¬ kunde der Rechtskunde, dieſe mit der Poeſie ver¬ einbaren wollen; aber ganz wahrſcheinlich deshalb, daß H. Harniſch, ſeinem alleinigen Fache heißer ſich weihend, nun ganz vom poetiſchen abſteht: nicht gewis, gewis H. Notar?“
Da fuhr und ſchnaubte der bisher ſanfte Menſch — den Abfall des ſonſt lobenden Lehrers fuͤr eine Hofmaͤnnerei anſehend, die gleich einem Balbiermeſſer ſich vor- und ruͤkwaͤrts beugt, obgleich Schomaker blos nicht faͤhig war, ſo auf der Stelle, in der Schnelle, einem ThronDiener gegenuͤber, und bei der Liebe fuͤr den Schuͤler im Herzen ſogleich das Jus auszufinden, ſondern immer zu leicht fuͤrchtete, unter der Hand gegen ſeinen Fuͤrſten zu rebellieren, indes er ſonſt bei dem
Flegeljahre I. Bd. 8
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0123"n="113"/><p>„In meinen Nebenſtunden, verſezte Knol,<lb/>
las ich alle moͤgliche auftreibliche Aktenſtuͤcke und<lb/>
wurde vielleicht das, was ich bin. Ueberſpannte<lb/>
Floskeln hingegen greifen zulezt in dem Geſchaͤfts¬<lb/>ſtil Plaz und vergiften ihn ganz; ein Gericht wei¬<lb/>ſet dergleichen dann zuruͤck als inept. — Natuͤr¬<lb/>
lich denn und verzeihlich daher, (fieng Schoma¬<lb/>
ker als Selbſtkrumſchließer an) daß ich aus Un¬<lb/>
kunde der Rechtskunde, dieſe mit der Poeſie ver¬<lb/>
einbaren wollen; aber ganz wahrſcheinlich deshalb,<lb/>
daß H. Harniſch, ſeinem alleinigen Fache heißer<lb/>ſich weihend, nun ganz vom poetiſchen abſteht:<lb/>
nicht gewis, gewis H. Notar?“</p><lb/><p>Da fuhr und ſchnaubte der bisher ſanfte<lb/>
Menſch — den Abfall des ſonſt lobenden Lehrers<lb/>
fuͤr eine Hofmaͤnnerei anſehend, die gleich einem<lb/>
Balbiermeſſer ſich vor- und ruͤkwaͤrts beugt,<lb/>
obgleich Schomaker blos nicht faͤhig war, ſo auf<lb/>
der Stelle, in der Schnelle, einem ThronDiener<lb/>
gegenuͤber, und bei der Liebe fuͤr den Schuͤler im<lb/>
Herzen ſogleich das <hirendition="#aq">Jus</hi> auszufinden, ſondern<lb/>
immer zu leicht fuͤrchtete, unter der Hand gegen<lb/>ſeinen Fuͤrſten zu rebellieren, indes er ſonſt bei dem<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Flegeljahre <hirendition="#aq">I</hi>. Bd. 8<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[113/0123]
„In meinen Nebenſtunden, verſezte Knol,
las ich alle moͤgliche auftreibliche Aktenſtuͤcke und
wurde vielleicht das, was ich bin. Ueberſpannte
Floskeln hingegen greifen zulezt in dem Geſchaͤfts¬
ſtil Plaz und vergiften ihn ganz; ein Gericht wei¬
ſet dergleichen dann zuruͤck als inept. — Natuͤr¬
lich denn und verzeihlich daher, (fieng Schoma¬
ker als Selbſtkrumſchließer an) daß ich aus Un¬
kunde der Rechtskunde, dieſe mit der Poeſie ver¬
einbaren wollen; aber ganz wahrſcheinlich deshalb,
daß H. Harniſch, ſeinem alleinigen Fache heißer
ſich weihend, nun ganz vom poetiſchen abſteht:
nicht gewis, gewis H. Notar?“
Da fuhr und ſchnaubte der bisher ſanfte
Menſch — den Abfall des ſonſt lobenden Lehrers
fuͤr eine Hofmaͤnnerei anſehend, die gleich einem
Balbiermeſſer ſich vor- und ruͤkwaͤrts beugt,
obgleich Schomaker blos nicht faͤhig war, ſo auf
der Stelle, in der Schnelle, einem ThronDiener
gegenuͤber, und bei der Liebe fuͤr den Schuͤler im
Herzen ſogleich das Jus auszufinden, ſondern
immer zu leicht fuͤrchtete, unter der Hand gegen
ſeinen Fuͤrſten zu rebellieren, indes er ſonſt bei dem
Flegeljahre I. Bd. 8
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/123>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.