einer geraumen Viertheil Stunde unten im Hofe, habe mich aber vor fünf Gänsen, welche vor der Thüre Flügel und Schnabel gegen mich aufge¬ machet, nicht hereingetraut." -- "Nein, sechs warens," sagte die satirische Jüdin. "Oder auch sechs, versezte er; genung, eine ist genung, we ich gelesen, um einen Menschen durch einen wü¬ thigen Biß ganz toll und wasserscheu zu machen.'
"Ah ca! wandt' er sich zu Walten (mehr französisch konnt' er nicht), Ihre Polymeter!" -- "Was sinds?" fragte Knol trinkend. "Herr Grai, (sagte Schomaker, und lies die Pfalz weg) in der That eine neue Erfindung des jungen Kand¬ daten, meines Schülers, er machet Gedichte nach einem freien Metrum, so nur einen einzigen, aber reimfreien Vers haben, den er nach Belieben ver¬ längert, seiten-bogenlang; was er den St[ - 1 Zeichen fehlt]ek¬ vers nennt, ich einen Polymeter."
Vult fluchte aus Ungeduld zwischen den Ae¬ pfeln. Walt stellte sich endlich mit dem Nanu¬ skripte und mit dem Profil seiner Bogenstim und seiner graden Nase vor das Licht -- blätterte über alle Beschreibung lange und blöde nach dem Fron¬
einer geraumen Viertheil Stunde unten im Hofe, habe mich aber vor fuͤnf Gaͤnſen, welche vor der Thuͤre Fluͤgel und Schnabel gegen mich aufge¬ machet, nicht hereingetraut.“ — „Nein, ſechs warens,“ ſagte die ſatiriſche Juͤdin. „Oder auch ſechs, verſezte er; genung, eine iſt genung, we ich geleſen, um einen Menſchen durch einen wuͤ¬ thigen Biß ganz toll und waſſerſcheu zu machen.'
„Ah ça! wandt' er ſich zu Walten (mehr franzoͤſiſch konnt' er nicht), Ihre Polymeter!“ — „Was ſinds?“ fragte Knol trinkend. „Herr Grai, (ſagte Schomaker, und lies die Pfalz weg) in der That eine neue Erfindung des jungen Kand¬ daten, meines Schuͤlers, er machet Gedichte nach einem freien Metrum, ſo nur einen einzigen, aber reimfreien Vers haben, den er nach Belieben ver¬ laͤngert, ſeiten-bogenlang; was er den St[ – 1 Zeichen fehlt]ek¬ vers nennt, ich einen Polymeter.“
Vult fluchte aus Ungeduld zwiſchen den Ae¬ pfeln. Walt ſtellte ſich endlich mit dem Nanu¬ ſkripte und mit dem Profil ſeiner Bogenſtim und ſeiner graden Naſe vor das Licht — blaͤtterte uͤber alle Beſchreibung lange und bloͤde nach dem Fron¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0114"n="104"/>
einer geraumen Viertheil Stunde unten im Hofe,<lb/>
habe mich aber vor fuͤnf Gaͤnſen, welche vor der<lb/>
Thuͤre Fluͤgel und Schnabel gegen mich aufge¬<lb/>
machet, nicht hereingetraut.“—„Nein, ſechs<lb/>
warens,“ſagte die ſatiriſche Juͤdin. „Oder auch<lb/>ſechs, verſezte er; genung, eine iſt genung, we<lb/>
ich geleſen, um einen Menſchen durch einen wuͤ¬<lb/>
thigen Biß ganz toll und waſſerſcheu zu machen.'</p><lb/><p>„<hirendition="#aq">Ah ça!</hi> wandt' er ſich zu Walten (mehr<lb/>
franzoͤſiſch konnt' er nicht), Ihre Polymeter!“—<lb/>„Was ſinds?“ fragte Knol trinkend. „Herr Grai,<lb/>
(ſagte Schomaker, und lies die Pfalz weg) in<lb/>
der That eine neue Erfindung des jungen Kand¬<lb/>
daten, meines Schuͤlers, er machet Gedichte nach<lb/>
einem freien Metrum, ſo nur einen einzigen, aber<lb/>
reimfreien Vers haben, den er nach Belieben ver¬<lb/>
laͤngert, ſeiten-bogenlang; was er den <hirendition="#g">St<gapunit="chars"quantity="1"/>ek¬<lb/>
vers</hi> nennt, ich einen <hirendition="#g">Polymeter</hi>.“</p><lb/><p>Vult fluchte aus Ungeduld zwiſchen den Ae¬<lb/>
pfeln. Walt ſtellte ſich endlich mit dem Nanu¬<lb/>ſkripte und mit dem Profil ſeiner Bogenſtim und<lb/>ſeiner graden Naſe vor das Licht — blaͤtterte uͤber<lb/>
alle Beſchreibung lange und bloͤde nach dem Fron¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[104/0114]
einer geraumen Viertheil Stunde unten im Hofe,
habe mich aber vor fuͤnf Gaͤnſen, welche vor der
Thuͤre Fluͤgel und Schnabel gegen mich aufge¬
machet, nicht hereingetraut.“ — „Nein, ſechs
warens,“ ſagte die ſatiriſche Juͤdin. „Oder auch
ſechs, verſezte er; genung, eine iſt genung, we
ich geleſen, um einen Menſchen durch einen wuͤ¬
thigen Biß ganz toll und waſſerſcheu zu machen.'
„Ah ça! wandt' er ſich zu Walten (mehr
franzoͤſiſch konnt' er nicht), Ihre Polymeter!“ —
„Was ſinds?“ fragte Knol trinkend. „Herr Grai,
(ſagte Schomaker, und lies die Pfalz weg) in
der That eine neue Erfindung des jungen Kand¬
daten, meines Schuͤlers, er machet Gedichte nach
einem freien Metrum, ſo nur einen einzigen, aber
reimfreien Vers haben, den er nach Belieben ver¬
laͤngert, ſeiten-bogenlang; was er den St_ek¬
vers nennt, ich einen Polymeter.“
Vult fluchte aus Ungeduld zwiſchen den Ae¬
pfeln. Walt ſtellte ſich endlich mit dem Nanu¬
ſkripte und mit dem Profil ſeiner Bogenſtim und
ſeiner graden Naſe vor das Licht — blaͤtterte uͤber
alle Beſchreibung lange und bloͤde nach dem Fron¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/114>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.