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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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grauen Augen und sein blutloses GelehrtenGesicht,
zumal unter dem Leichenpuder auf der gebräunten
Haut sehr ins nahe Licht sezte, so wie seinen ewi¬
gen regnerischen Feldzug gegen das Geschik -- fer¬
ner, daß Veronika dicht neben dem Sohne, mit
den Händen auf dem Magen betend, stand und
das stille WeiberAuge, das in die närrischen Ar¬
beitsLogen der Männer dringen will, zwischen
Examinator und Examinanden hin und wieder
gleiten ließ -- und zulezt, daß Vult mit seinen
leisen Flüchen zwischen den unreifen Pelzäpfeln
sas und neben ihm -- da ja alle Leser durch ein
Fenster in die Stube sehen -- auf den benachbar¬
ten Aesten sämtliche 10 deutsche Reichs- und Le¬
seKreise oder LeseZirkel; so viele tausend Leser und
Seelen von jedem Stande, was in dieser Zusam¬
menstellung auf dem Baume lächerlich genug
wird. -- -- Alles ist in der größten Erwartung
über den Ablauf des Examens, Knol in der al¬
lergrösten, weil er nicht wuste, ob nicht viel¬
leicht manche mögliche Ignoranzen den Notarian¬
dus nach den geheimen Artikeln des Testaments
auf mehrere Monate zurükschöben oder sonst be¬
schädigten.

grauen Augen und ſein blutloſes GelehrtenGeſicht,
zumal unter dem Leichenpuder auf der gebraͤunten
Haut ſehr ins nahe Licht ſezte, ſo wie ſeinen ewi¬
gen regneriſchen Feldzug gegen das Geſchik — fer¬
ner, daß Veronika dicht neben dem Sohne, mit
den Haͤnden auf dem Magen betend, ſtand und
das ſtille WeiberAuge, das in die naͤrriſchen Ar¬
beitsLogen der Maͤnner dringen will, zwiſchen
Examinator und Examinanden hin und wieder
gleiten ließ — und zulezt, daß Vult mit ſeinen
leiſen Fluͤchen zwiſchen den unreifen Pelzaͤpfeln
ſas und neben ihm — da ja alle Leſer durch ein
Fenſter in die Stube ſehen — auf den benachbar¬
ten Aeſten ſaͤmtliche 10 deutſche Reichs- und Le¬
ſeKreiſe oder LeſeZirkel; ſo viele tauſend Leſer und
Seelen von jedem Stande, was in dieſer Zuſam¬
menſtellung auf dem Baume laͤcherlich genug
wird. — — Alles iſt in der groͤßten Erwartung
uͤber den Ablauf des Examens, Knol in der al¬
lergroͤſten, weil er nicht wuſte, ob nicht viel¬
leicht manche moͤgliche Ignoranzen den Notarian¬
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auf mehrere Monate zuruͤkſchoͤben oder ſonſt be¬
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[91/0101] grauen Augen und ſein blutloſes GelehrtenGeſicht, zumal unter dem Leichenpuder auf der gebraͤunten Haut ſehr ins nahe Licht ſezte, ſo wie ſeinen ewi¬ gen regneriſchen Feldzug gegen das Geſchik — fer¬ ner, daß Veronika dicht neben dem Sohne, mit den Haͤnden auf dem Magen betend, ſtand und das ſtille WeiberAuge, das in die naͤrriſchen Ar¬ beitsLogen der Maͤnner dringen will, zwiſchen Examinator und Examinanden hin und wieder gleiten ließ — und zulezt, daß Vult mit ſeinen leiſen Fluͤchen zwiſchen den unreifen Pelzaͤpfeln ſas und neben ihm — da ja alle Leſer durch ein Fenſter in die Stube ſehen — auf den benachbar¬ ten Aeſten ſaͤmtliche 10 deutſche Reichs- und Le¬ ſeKreiſe oder LeſeZirkel; ſo viele tauſend Leſer und Seelen von jedem Stande, was in dieſer Zuſam¬ menſtellung auf dem Baume laͤcherlich genug wird. — — Alles iſt in der groͤßten Erwartung uͤber den Ablauf des Examens, Knol in der al¬ lergroͤſten, weil er nicht wuſte, ob nicht viel¬ leicht manche moͤgliche Ignoranzen den Notarian¬ dus nach den geheimen Artikeln des Teſtaments auf mehrere Monate zuruͤkſchoͤben oder ſonſt be¬ ſchaͤdigten.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/101>, abgerufen am 24.11.2024.