Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

71.
wo der Wechsel der Jahreszeiten nicht so heftig ist, als bei
uns, nent man die Regenzeit den Winter, und die Zeit des
heitern Himmels den Sommer, welcher grade in den Dezem-
ber fält. Das Anfangen der Regenzeit fält mit dem
Aufhören der östlichen Passatwinde zusammen. Bis zu
dieser Zeit bleibt der Himmel fast ganz wolkenlos; und
das einzige Wasser zur Nahrung der Thiere ist in den
Pflanzen. Das Parenchyma der Pflanzen, besonders der Melo-
cacten hat die Eigenschaft, dass es das in der Luft suspen-
dirte Wassergas an sich saugt: dies wissen die Pferde und
Esel durch einen sonderbaren Instinkt, und suchen mit ihren
Hufen die Stacheln dieser melonenartigen Früchte wegzu-
schlagen, um sich des Wasser zu bemeistern: oft verwunden
sie sich dabei, und bleiben lahm. In Caracas sind in den
5-6 Sommermonaten die Wolken so selten, dass ein über
dem Zenith hinziehendes Gewölk das Tagesgespräch der Stadt
wird; dann aber, wenn die Regenzeit bevorsteht, verändert
sich die Bläue des Himmels vom tiefen Indigo zu einem

71.
wo der Wechsel der Jahreszeiten nicht so heftig ist, als bei
uns, nent man die Regenzeit den Winter, und die Zeit des
heitern Himmels den Sommer, welcher grade in den Dezem-
ber fält. Das Anfangen der Regenzeit fält mit dem
Aufhören der östlichen Passatwinde zusammen. Bis zu
dieser Zeit bleibt der Himmel fast ganz wolkenlos; und
das einzige Wasser zur Nahrung der Thiere ist in den
Pflanzen. Das Parenchyma der Pflanzen, besonders der Melo-
cacten hat die Eigenschaft, dass es das in der Luft suspen-
dirte Wassergas an sich saugt: dies wissen die Pferde und
Esel durch einen sonderbaren Instinkt, und suchen mit ihren
Hufen die Stacheln dieser melonenartigen Früchte wegzu-
schlagen, um sich des Wasser zu bemeistern: oft verwunden
sie sich dabei, und bleiben lahm. In Caracas sind in den
5–6 Sommermonaten die Wolken so selten, dass ein über
dem Zenith hinziehendes Gewölk das Tagesgespräch der Stadt
wird; dann aber, wenn die Regenzeit bevorsteht, verändert
sich die Bläue des Himmels vom tiefen Indigo zu einem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="session" n="46">
          <p><pb facs="#f0567" n="282r"/><fw place="top" type="sig">71.</fw><lb/>
wo der Wechsel der Jahreszeiten nicht so heftig ist, als bei<lb/>
uns, nent man die Regenzeit den Winter, und die Zeit des<lb/>
heitern Himmels den Sommer, welcher grade in den Dezem-<lb/>
ber fält. Das Anfangen der Regenzeit fält mit dem<lb/>
Aufhören der östlichen Passatwinde zusammen. Bis zu<lb/>
dieser Zeit bleibt der Himmel fast ganz wolkenlos; und<lb/>
das einzige Wasser zur Nahrung der Thiere ist in den<lb/>
Pflanzen. Das Parenchyma der Pflanzen, besonders der Melo-<lb/>
cacten hat die Eigenschaft, dass es das in der Luft suspen-<lb/>
dirte Wassergas an sich saugt: dies wissen die Pferde und<lb/>
Esel durch einen sonderbaren Instinkt, und suchen mit ihren<lb/>
Hufen die Stacheln dieser melonenartigen Früchte wegzu-<lb/>
schlagen, um sich des Wasser zu bemeistern: oft verwunden<lb/>
sie sich dabei, und bleiben lahm. In Caracas sind in den<lb/>
5&#x2013;6 Sommermonaten die Wolken so selten, dass ein über<lb/>
dem Zenith hinziehendes Gewölk das Tagesgespräch der Stadt<lb/>
wird; dann aber, wenn die Regenzeit bevorsteht, verändert<lb/>
sich die Bläue des Himmels vom tiefen Indigo zu einem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282r/0567] 71. wo der Wechsel der Jahreszeiten nicht so heftig ist, als bei uns, nent man die Regenzeit den Winter, und die Zeit des heitern Himmels den Sommer, welcher grade in den Dezem- ber fält. Das Anfangen der Regenzeit fält mit dem Aufhören der östlichen Passatwinde zusammen. Bis zu dieser Zeit bleibt der Himmel fast ganz wolkenlos; und das einzige Wasser zur Nahrung der Thiere ist in den Pflanzen. Das Parenchyma der Pflanzen, besonders der Melo- cacten hat die Eigenschaft, dass es das in der Luft suspen- dirte Wassergas an sich saugt: dies wissen die Pferde und Esel durch einen sonderbaren Instinkt, und suchen mit ihren Hufen die Stacheln dieser melonenartigen Früchte wegzu- schlagen, um sich des Wasser zu bemeistern: oft verwunden sie sich dabei, und bleiben lahm. In Caracas sind in den 5–6 Sommermonaten die Wolken so selten, dass ein über dem Zenith hinziehendes Gewölk das Tagesgespräch der Stadt wird; dann aber, wenn die Regenzeit bevorsteht, verändert sich die Bläue des Himmels vom tiefen Indigo zu einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/567
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 282r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/567>, abgerufen am 18.07.2024.