Es darf ferner nicht übergangen werden, dass da, wo die Vegetazion ärmer ist, sich eine scheinbare Mannigfaltig- keit zeigt, weil zwar der Formen im Ganzen weniger sind, sich aber Repräsentanten jeder Form überal vorfinden müssen.
Gehn wir nun zu den Thieranfängen in's besondere über, so mus vorangeschikt werden, dass die Locumotivität der Thiere grösser ist als die der Pflanzen: bei diesen findet sie nur im Eie statt, bei jenen dauert sie das ganze Leben hindurch. Bei den unförmlichen Gestalten der Acephalen und Gasteropoden ist sie freilich nur sehr gering: denn diese scheinen von der Natur angewiesen zu sein, auf der Stelle zu bleiben, wo sie entstanden. Die Echinus oder Seeigel bewegen sich volkomner, indem sie lange weisse Fäden aus mehreren Öfnungen herausstrekken: dennoch sind sie nur Zoophyten. Eben wegen jener Locumotivität streifen die Thiere durch mehrere Klimaten, wovon wir auf- fallende Beispiele unter den Fischen finden: man trift dieselben Arten von den Inseln des grünen Vorgebirges bis zum Kap der guten Hofnung hinunter. Diese Erscheinung
Es darf ferner nicht übergangen werden, dass da, wo die Vegetazion ärmer ist, sich eine scheinbare Mannigfaltig- keit zeigt, weil zwar der Formen im Ganzen weniger sind, sich aber Repräsentanten jeder Form überal vorfinden müssen.
Gehn wir nun zu den Thieranfängen in’s besondere über, so mus vorangeschikt werden, dass die Locumotivität der Thiere grösser ist als die der Pflanzen: bei diesen findet sie nur im Eie statt, bei jenen dauert sie das ganze Leben hindurch. Bei den unförmlichen Gestalten der Acephalen und Gasteropoden ist sie freilich nur sehr gering: denn diese scheinen von der Natur angewiesen zu sein, auf der Stelle zu bleiben, wo sie entstanden. Die Echinus oder Seeigel bewegen sich volkomner, indem sie lange weisse Fäden aus mehreren Öfnungen herausstrekken: dennoch sind sie nur Zoophyten. Eben wegen jener Locumotivität streifen die Thiere durch mehrere Klimaten, wovon wir auf- fallende Beispiele unter den Fischen finden: man trift dieselben Arten von den Inseln des grünen Vorgebirges bis zum Kap der guten Hofnung hinunter. Diese Erscheinung
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[21r/0045]
Es darf ferner nicht übergangen werden, dass da, wo die
Vegetazion ärmer ist, sich eine scheinbare Mannigfaltig-
keit zeigt, weil zwar der Formen im Ganzen weniger sind,
sich aber Repräsentanten jeder Form überal vorfinden
müssen.
Gehn wir nun zu den Thieranfängen in’s besondere über,
so mus vorangeschikt werden, dass die Locumotivität der
Thiere grösser ist als die der Pflanzen: bei diesen findet
sie nur im Eie statt, bei jenen dauert sie das ganze Leben
hindurch. Bei den unförmlichen Gestalten der Acephalen
und Gasteropoden ist sie freilich nur sehr gering: denn
diese scheinen von der Natur angewiesen zu sein, auf der
Stelle zu bleiben, wo sie entstanden. Die Echinus oder
Seeigel bewegen sich volkomner, indem sie lange weisse
Fäden aus mehreren Öfnungen herausstrekken: dennoch
sind sie nur Zoophyten. Eben wegen jener Locumotivität
streifen die Thiere durch mehrere Klimaten, wovon wir auf-
fallende Beispiele unter den Fischen finden: man trift
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zum Kap der guten Hofnung hinunter. Diese Erscheinung
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Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 21r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/45>, abgerufen am 24.11.2024.
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