Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Musik. Schauspiel. Geselligkeit. So wie mein Vater uns im Hause durch sein schönes Klavierspiel vergnügte, so war er auch darauf bedacht, unser Ohr durch das Hören von guten Oratorien zu bilden. Mit den Opern war er weit sparsamer, weil hier das theatralische Beiwerk störend einwirkt. Vielleicht begann er diese musikalische Erziehung etwas zu früh, denn die Oratorien verursachten meiner Schwester und mir die tödtlichste Langeweile, und es ist gewiß, daß man nichts lernen kann, wenn man sich langweilt. Wir erhielten ein Textbuch, in das wir zusammen einsahen. Meine Schwester machte bald die Entdeckung, daß bei der Ueberschrift "Recitativ" alles hinter einander abgesungen, dagegen unter der Rubrik "Arie" oder "Chor" die Worte unzählige Male wiederholt wurden. Wir schätzten daher die Oratorien anfangs nach der größeren oder geringeren Menge von Recitativen, die recht schnell vorübergingen, bis uns mit zunehmendem Alter der Sinn für den Werth der Händelschen und Graunschen Werke aufging. Von den guten Opern hatten wir schon manche am Klavier kennen gelernt, und freuten uns doppelt, sie nun mit allem Bühnenschmuck wiederzufinden. Bei seinem Aufenthalte in Paris im Jahre 1814 lernte der König Friedrich Wilhelm III. den jungen italiänischen Musik. Schauspiel. Geselligkeit. So wie mein Vater uns im Hause durch sein schönes Klavierspiel vergnügte, so war er auch darauf bedacht, unser Ohr durch das Hören von guten Oratorien zu bilden. Mit den Opern war er weit sparsamer, weil hier das theatralische Beiwerk störend einwirkt. Vielleicht begann er diese musikalische Erziehung etwas zu früh, denn die Oratorien verursachten meiner Schwester und mir die tödtlichste Langeweile, und es ist gewiß, daß man nichts lernen kann, wenn man sich langweilt. Wir erhielten ein Textbuch, in das wir zusammen einsahen. Meine Schwester machte bald die Entdeckung, daß bei der Ueberschrift „Recitativ“ alles hinter einander abgesungen, dagegen unter der Rubrik „Arie“ oder „Chor“ die Worte unzählige Male wiederholt wurden. Wir schätzten daher die Oratorien anfangs nach der größeren oder geringeren Menge von Recitativen, die recht schnell vorübergingen, bis uns mit zunehmendem Alter der Sinn für den Werth der Händelschen und Graunschen Werke aufging. Von den guten Opern hatten wir schon manche am Klavier kennen gelernt, und freuten uns doppelt, sie nun mit allem Bühnenschmuck wiederzufinden. Bei seinem Aufenthalte in Paris im Jahre 1814 lernte der König Friedrich Wilhelm III. den jungen italiänischen <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0088" n="80"/> <div n="1"> <head rendition="#c">Musik. Schauspiel. Geselligkeit.</head><lb/> <p>So wie mein Vater uns im Hause durch sein schönes Klavierspiel vergnügte, so war er auch darauf bedacht, unser Ohr durch das Hören von guten Oratorien zu bilden. Mit den Opern war er weit sparsamer, weil hier das theatralische Beiwerk störend einwirkt. Vielleicht begann er diese musikalische Erziehung etwas zu früh, denn die Oratorien verursachten meiner Schwester und mir die tödtlichste Langeweile, und es ist gewiß, daß man nichts lernen kann, wenn man sich langweilt. Wir erhielten ein Textbuch, in das wir zusammen einsahen. Meine Schwester machte bald die Entdeckung, daß bei der Ueberschrift „Recitativ“ alles hinter einander abgesungen, dagegen unter der Rubrik „Arie“ oder „Chor“ die Worte unzählige Male wiederholt wurden. Wir schätzten daher die Oratorien anfangs nach der größeren oder geringeren Menge von Recitativen, die recht schnell vorübergingen, bis uns mit zunehmendem Alter der Sinn für den Werth der Händelschen und Graunschen Werke aufging. Von den guten Opern hatten wir schon manche am Klavier kennen gelernt, und freuten uns doppelt, sie nun mit allem Bühnenschmuck wiederzufinden. </p><lb/> <p>Bei seinem Aufenthalte in Paris im Jahre 1814 lernte der König Friedrich Wilhelm III. den jungen italiänischen </p> </div> </body> </text> </TEI> [80/0088]
Musik. Schauspiel. Geselligkeit.
So wie mein Vater uns im Hause durch sein schönes Klavierspiel vergnügte, so war er auch darauf bedacht, unser Ohr durch das Hören von guten Oratorien zu bilden. Mit den Opern war er weit sparsamer, weil hier das theatralische Beiwerk störend einwirkt. Vielleicht begann er diese musikalische Erziehung etwas zu früh, denn die Oratorien verursachten meiner Schwester und mir die tödtlichste Langeweile, und es ist gewiß, daß man nichts lernen kann, wenn man sich langweilt. Wir erhielten ein Textbuch, in das wir zusammen einsahen. Meine Schwester machte bald die Entdeckung, daß bei der Ueberschrift „Recitativ“ alles hinter einander abgesungen, dagegen unter der Rubrik „Arie“ oder „Chor“ die Worte unzählige Male wiederholt wurden. Wir schätzten daher die Oratorien anfangs nach der größeren oder geringeren Menge von Recitativen, die recht schnell vorübergingen, bis uns mit zunehmendem Alter der Sinn für den Werth der Händelschen und Graunschen Werke aufging. Von den guten Opern hatten wir schon manche am Klavier kennen gelernt, und freuten uns doppelt, sie nun mit allem Bühnenschmuck wiederzufinden.
Bei seinem Aufenthalte in Paris im Jahre 1814 lernte der König Friedrich Wilhelm III. den jungen italiänischen
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