Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].die Pflicht, das köstlichste als dauernden Besitz für künftige Zeiten dem Volke zu erhalten, und vor dem Verderben zu schützen. Ein andrer Theil der Samlung meines Oheims blieb in Tante Jettchens Besitz und ging mit ihr nach Hannover. Mehrere sehr werthe Andenken sind mir zu Theil geworden, anderes kam nach Tegel an Wilhelm von Humboldt. Wo ich meinem Gedächtniß trauen darf, da will ich den Befundort der Kunstsachen angeben, und beim Rückblicke in eine so reiche Vergangenheit auch der folgenden Zeiten gedenken. In dem Bibliothekzimmer meines Oheims prangte auf einem hohen Untersatze, vortheilhaft beleuchtet, ein Gypsabguß der Juno Ludovisi, an dem man sich gar nicht satt sehn konnte. Der Standpunkt war freilich viel zu nahe, auch wenn man das daran stoßende Wohnzimmer mit zu Hülfe nahm, allein auch so war der Eindruck ein überwältigender. Die vollkommne Regelmäßigkeit der Züge hatte anfangs etwas abstraktes, übermenschliches, von der Natur abweichendes, und es dauerte lange, ehe ich mich damit befreunden konnte. Rauch sagte einmal, mit seinen schönen blauen Augen ganz im Anschauen versunken: Das ist ein griechischer Kopf! Ja wohl! krähte Tieck mit seiner feinen Stimme ihm entgegen, so kann die Königin der Götter wohl ausgesehn haben! Auf den Bücherschränken sah man die Gypsköpfe des Apollo von Belvedere, des Laokoon, der Mediceischen Venus u. a. Diese konnte man nicht recht genießen; denn unglücklicher Weise hatte Kohlrausch dieselben, wie er sagte, auf Schinkels Anrathen, um sie vor Staub und Schmutz zu schützen, mit einem eignen Firniß überziehn die Pflicht, das köstlichste als dauernden Besitz für künftige Zeiten dem Volke zu erhalten, und vor dem Verderben zu schützen. Ein andrer Theil der Samlung meines Oheims blieb in Tante Jettchens Besitz und ging mit ihr nach Hannover. Mehrere sehr werthe Andenken sind mir zu Theil geworden, anderes kam nach Tegel an Wilhelm von Humboldt. Wo ich meinem Gedächtniß trauen darf, da will ich den Befundort der Kunstsachen angeben, und beim Rückblicke in eine so reiche Vergangenheit auch der folgenden Zeiten gedenken. In dem Bibliothekzimmer meines Oheims prangte auf einem hohen Untersatze, vortheilhaft beleuchtet, ein Gypsabguß der Juno Ludovisi, an dem man sich gar nicht satt sehn konnte. Der Standpunkt war freilich viel zu nahe, auch wenn man das daran stoßende Wohnzimmer mit zu Hülfe nahm, allein auch so war der Eindruck ein überwältigender. Die vollkommne Regelmäßigkeit der Züge hatte anfangs etwas abstraktes, übermenschliches, von der Natur abweichendes, und es dauerte lange, ehe ich mich damit befreunden konnte. Rauch sagte einmal, mit seinen schönen blauen Augen ganz im Anschauen versunken: Das ist ein griechischer Kopf! Ja wohl! krähte Tieck mit seiner feinen Stimme ihm entgegen, so kann die Königin der Götter wohl ausgesehn haben! Auf den Bücherschränken sah man die Gypsköpfe des Apollo von Belvedere, des Laokoon, der Mediceischen Venus u. a. Diese konnte man nicht recht genießen; denn unglücklicher Weise hatte Kohlrausch dieselben, wie er sagte, auf Schinkels Anrathen, um sie vor Staub und Schmutz zu schützen, mit einem eignen Firniß überziehn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0070" n="62"/> die Pflicht, das köstlichste als dauernden Besitz für künftige Zeiten dem Volke zu erhalten, und vor dem Verderben zu schützen. </p><lb/> <p>Ein andrer Theil der Samlung meines Oheims blieb in Tante Jettchens Besitz und ging mit ihr nach Hannover. Mehrere sehr werthe Andenken sind mir zu Theil geworden, anderes kam nach Tegel an Wilhelm von Humboldt. Wo ich meinem Gedächtniß trauen darf, da will ich den Befundort der Kunstsachen angeben, und beim Rückblicke in eine so reiche Vergangenheit auch der folgenden Zeiten gedenken. </p><lb/> <p>In dem Bibliothekzimmer meines Oheims prangte auf einem hohen Untersatze, vortheilhaft beleuchtet, ein Gypsabguß der Juno Ludovisi, an dem man sich gar nicht satt sehn konnte. Der Standpunkt war freilich viel zu nahe, auch wenn man das daran stoßende Wohnzimmer mit zu Hülfe nahm, allein auch so war der Eindruck ein überwältigender. Die vollkommne Regelmäßigkeit der Züge hatte anfangs etwas abstraktes, übermenschliches, von der Natur abweichendes, und es dauerte lange, ehe ich mich damit befreunden konnte. Rauch sagte einmal, mit seinen schönen blauen Augen ganz im Anschauen versunken: Das ist ein griechischer Kopf! Ja wohl! krähte Tieck mit seiner feinen Stimme ihm entgegen, so kann die Königin der Götter wohl ausgesehn haben! </p><lb/> <p>Auf den Bücherschränken sah man die Gypsköpfe des Apollo von Belvedere, des Laokoon, der Mediceischen Venus u. a. Diese konnte man nicht recht genießen; denn unglücklicher Weise hatte Kohlrausch dieselben, wie er sagte, auf Schinkels Anrathen, um sie vor Staub und Schmutz zu schützen, mit einem eignen Firniß überziehn </p> </div> </body> </text> </TEI> [62/0070]
die Pflicht, das köstlichste als dauernden Besitz für künftige Zeiten dem Volke zu erhalten, und vor dem Verderben zu schützen.
Ein andrer Theil der Samlung meines Oheims blieb in Tante Jettchens Besitz und ging mit ihr nach Hannover. Mehrere sehr werthe Andenken sind mir zu Theil geworden, anderes kam nach Tegel an Wilhelm von Humboldt. Wo ich meinem Gedächtniß trauen darf, da will ich den Befundort der Kunstsachen angeben, und beim Rückblicke in eine so reiche Vergangenheit auch der folgenden Zeiten gedenken.
In dem Bibliothekzimmer meines Oheims prangte auf einem hohen Untersatze, vortheilhaft beleuchtet, ein Gypsabguß der Juno Ludovisi, an dem man sich gar nicht satt sehn konnte. Der Standpunkt war freilich viel zu nahe, auch wenn man das daran stoßende Wohnzimmer mit zu Hülfe nahm, allein auch so war der Eindruck ein überwältigender. Die vollkommne Regelmäßigkeit der Züge hatte anfangs etwas abstraktes, übermenschliches, von der Natur abweichendes, und es dauerte lange, ehe ich mich damit befreunden konnte. Rauch sagte einmal, mit seinen schönen blauen Augen ganz im Anschauen versunken: Das ist ein griechischer Kopf! Ja wohl! krähte Tieck mit seiner feinen Stimme ihm entgegen, so kann die Königin der Götter wohl ausgesehn haben!
Auf den Bücherschränken sah man die Gypsköpfe des Apollo von Belvedere, des Laokoon, der Mediceischen Venus u. a. Diese konnte man nicht recht genießen; denn unglücklicher Weise hatte Kohlrausch dieselben, wie er sagte, auf Schinkels Anrathen, um sie vor Staub und Schmutz zu schützen, mit einem eignen Firniß überziehn
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