Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].die Freude hatte, meine Wohnung mit Medem theilen zu können. Die Herzogin gab in diesem Winter mehrere große soirees, an denen sie in einer Reihe der prächtigsten Zimmer eine Auswahl der höchsten pariser Gesellschaft bei sich versammelte. Obgleich die Einladungen mit der grösten Sparsamkeit erfolgten, so war doch das Gedränge nicht gering: denn dies gehörte in jener Zeit, nach englischem Muster, mit zu den Erfordernissen einer eleganten vornehmen Vereinigung. Von diesen brillanten reunions, in denen ich stets ein Fremdling blieb, wüßte ich in der That nichts anderes zu sagen, als daß man sich durch das Gedränge langsam von Salon zu Salon schob, von manchem Bekannten ein Wort erhaschte, einigen Unbekannten vorgestellt wurde, und sehr spät nach Hause kam. Nachdem ich dies das erste Mal nicht ohne Mühe durchgemacht, wählte ich das nächste Mal eine andre Taktik. Ich lavirte bis in den Mittelsalon, und faßte hier in einer stillen Ecke Posto, um den Strom der glänzenden Gäste langsam vorüberrauschen zu lassen. Am lodernden Kamine stand einige Zeit lang Talleyrand im Gespräche mit einem scharlachrothen Geistlichen, den man mir als "le Nonce du Pape" bezeichnete; es kann wohl kein andrer als der Kardinal Lambruschini gewesen sein, dessen verderbliche Rathschläge wenige Jahre später mit dazu beitrugen, Karl X. ins Exil zu führen. Die beiden Größen am Kamine unterhielten sich über die Trefflichkeit und den Preis ihrer Taschenuhren. Der Nuntius zog die seinige hervor, und sagte etwas mir unverständliches. Talleyrand ließ die seine an der goldnen Kette wie ein Pendel hin- und die Freude hatte, meine Wohnung mit Medem theilen zu können. Die Herzogin gab in diesem Winter mehrere große soirées, an denen sie in einer Reihe der prächtigsten Zimmer eine Auswahl der höchsten pariser Gesellschaft bei sich versammelte. Obgleich die Einladungen mit der grösten Sparsamkeit erfolgten, so war doch das Gedränge nicht gering: denn dies gehörte in jener Zeit, nach englischem Muster, mit zu den Erfordernissen einer eleganten vornehmen Vereinigung. Von diesen brillanten réunions, in denen ich stets ein Fremdling blieb, wüßte ich in der That nichts anderes zu sagen, als daß man sich durch das Gedränge langsam von Salon zu Salon schob, von manchem Bekannten ein Wort erhaschte, einigen Unbekannten vorgestellt wurde, und sehr spät nach Hause kam. Nachdem ich dies das erste Mal nicht ohne Mühe durchgemacht, wählte ich das nächste Mal eine andre Taktik. Ich lavirte bis in den Mittelsalon, und faßte hier in einer stillen Ecke Posto, um den Strom der glänzenden Gäste langsam vorüberrauschen zu lassen. Am lodernden Kamine stand einige Zeit lang Talleyrand im Gespräche mit einem scharlachrothen Geistlichen, den man mir als „le Nonce du Pape“ bezeichnete; es kann wohl kein andrer als der Kardinal Lambruschini gewesen sein, dessen verderbliche Rathschläge wenige Jahre später mit dazu beitrugen, Karl X. ins Exil zu führen. Die beiden Größen am Kamine unterhielten sich über die Trefflichkeit und den Preis ihrer Taschenuhren. Der Nuntius zog die seinige hervor, und sagte etwas mir unverständliches. Talleyrand ließ die seine an der goldnen Kette wie ein Pendel hin- und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0503" n="495"/> die Freude hatte, meine Wohnung mit Medem theilen zu können. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die Herzogin gab in diesem Winter mehrere große soirées, an denen sie in einer Reihe der prächtigsten Zimmer eine Auswahl der höchsten pariser Gesellschaft bei sich versammelte. 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Am lodernden Kamine stand einige Zeit lang Talleyrand im Gespräche mit einem scharlachrothen Geistlichen, den man mir als „le Nonce du Pape“ bezeichnete; es kann wohl kein andrer als der Kardinal Lambruschini gewesen sein, dessen verderbliche Rathschläge wenige Jahre später mit dazu beitrugen, Karl X. ins Exil zu führen. Die beiden Größen am Kamine unterhielten sich über die Trefflichkeit und den Preis ihrer Taschenuhren. Der Nuntius zog die seinige hervor, und sagte etwas mir unverständliches. Talleyrand ließ die seine an der goldnen Kette wie ein Pendel hin- und </p> </div> </body> </text> </TEI> [495/0503]
die Freude hatte, meine Wohnung mit Medem theilen zu können.
Die Herzogin gab in diesem Winter mehrere große soirées, an denen sie in einer Reihe der prächtigsten Zimmer eine Auswahl der höchsten pariser Gesellschaft bei sich versammelte. Obgleich die Einladungen mit der grösten Sparsamkeit erfolgten, so war doch das Gedränge nicht gering: denn dies gehörte in jener Zeit, nach englischem Muster, mit zu den Erfordernissen einer eleganten vornehmen Vereinigung. Von diesen brillanten réunions, in denen ich stets ein Fremdling blieb, wüßte ich in der That nichts anderes zu sagen, als daß man sich durch das Gedränge langsam von Salon zu Salon schob, von manchem Bekannten ein Wort erhaschte, einigen Unbekannten vorgestellt wurde, und sehr spät nach Hause kam. Nachdem ich dies das erste Mal nicht ohne Mühe durchgemacht, wählte ich das nächste Mal eine andre Taktik. Ich lavirte bis in den Mittelsalon, und faßte hier in einer stillen Ecke Posto, um den Strom der glänzenden Gäste langsam vorüberrauschen zu lassen. Am lodernden Kamine stand einige Zeit lang Talleyrand im Gespräche mit einem scharlachrothen Geistlichen, den man mir als „le Nonce du Pape“ bezeichnete; es kann wohl kein andrer als der Kardinal Lambruschini gewesen sein, dessen verderbliche Rathschläge wenige Jahre später mit dazu beitrugen, Karl X. ins Exil zu führen. Die beiden Größen am Kamine unterhielten sich über die Trefflichkeit und den Preis ihrer Taschenuhren. Der Nuntius zog die seinige hervor, und sagte etwas mir unverständliches. Talleyrand ließ die seine an der goldnen Kette wie ein Pendel hin- und
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/503>, abgerufen am 27.07.2024. |