Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Als Williams erfuhr, daß wir in der Eigenschaft simpler Touristen, und nicht in Handelsgeschäften nach England kämen, schlug er uns vor, mit ihm zusammen den kleinen Umweg über Canterbury und Maidstone nach London zu machen; in Canterbury sei eine schöne Kathedrale zu sehn, und in Maidstone würden so eben Assisen gehalten. Wir gingen gern darauf ein. Nachdem in Dover die strenge englische Maut überstanden war, nahmen wir Plätze auf der Außenseite der Mailcoach, und fuhren noch an demselben Abend im hellsten Mondenscheine durch ein schönes bebautes Land in zwei Stunden nach Canterbury. Williams erwies sich in allen Stücken überaus hülfreich und thätig. Ganz das Gegentheil der gewöhnlichen steifen, trocknen, unzugänglichen Engländer fand er ein besonderes Vergnügen daran, die Honneurs seines Vaterlandes zu machen. Gleich in Dover war uns der karakteristische Unterschied zwischen Frankreich und England entgegen getreten. Calais ist ein altes verräuchertes Nest, Dover macht den Eindruck einer modernen reinlichen Stadt; in Calais versinkt man bei schlechtem Wetter im Schmutz, in Dover laufen die Dienstmägde beim leichtesten Regenschauer auf einer Art von Soccus über das glatte, sorgfältig gehaltene Pflaster; das beste Gasthaus in Calais, das Hotel de Bourbon, konnte in Betreff der Reinlichkeit kaum den mäßigsten Ansprüchen genügen, das kleine bescheidene Unionhouse in Dover ließ an Nettigkeit gar nichts zu wünschen übrig. Und obgleich die Engländer in Frankreich alle Comforts ihrer Heimath entbehren, so wandern doch alljährlich viele Tausende über den Kanal, um kürzere oder längere Zeit in Frankreich zu verweilen. Sie finden dort Als Williams erfuhr, daß wir in der Eigenschaft simpler Touristen, und nicht in Handelsgeschäften nach England kämen, schlug er uns vor, mit ihm zusammen den kleinen Umweg über Canterbury und Maidstone nach London zu machen; in Canterbury sei eine schöne Kathedrale zu sehn, und in Maidstone würden so eben Assisen gehalten. Wir gingen gern darauf ein. Nachdem in Dover die strenge englische Maut überstanden war, nahmen wir Plätze auf der Außenseite der Mailcoach, und fuhren noch an demselben Abend im hellsten Mondenscheine durch ein schönes bebautes Land in zwei Stunden nach Canterbury. Williams erwies sich in allen Stücken überaus hülfreich und thätig. Ganz das Gegentheil der gewöhnlichen steifen, trocknen, unzugänglichen Engländer fand er ein besonderes Vergnügen daran, die Honneurs seines Vaterlandes zu machen. Gleich in Dover war uns der karakteristische Unterschied zwischen Frankreich und England entgegen getreten. Calais ist ein altes verräuchertes Nest, Dover macht den Eindruck einer modernen reinlichen Stadt; in Calais versinkt man bei schlechtem Wetter im Schmutz, in Dover laufen die Dienstmägde beim leichtesten Regenschauer auf einer Art von Soccus über das glatte, sorgfältig gehaltene Pflaster; das beste Gasthaus in Calais, das Hôtel de Bourbon, konnte in Betreff der Reinlichkeit kaum den mäßigsten Ansprüchen genügen, das kleine bescheidene Unionhouse in Dover ließ an Nettigkeit gar nichts zu wünschen übrig. Und obgleich die Engländer in Frankreich alle Comforts ihrer Heimath entbehren, so wandern doch alljährlich viele Tausende über den Kanal, um kürzere oder längere Zeit in Frankreich zu verweilen. 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Als Williams erfuhr, daß wir in der Eigenschaft simpler Touristen, und nicht in Handelsgeschäften nach England kämen, schlug er uns vor, mit ihm zusammen den kleinen Umweg über Canterbury und Maidstone nach London zu machen; in Canterbury sei eine schöne Kathedrale zu sehn, und in Maidstone würden so eben Assisen gehalten. Wir gingen gern darauf ein. Nachdem in Dover die strenge englische Maut überstanden war, nahmen wir Plätze auf der Außenseite der Mailcoach, und fuhren noch an demselben Abend im hellsten Mondenscheine durch ein schönes bebautes Land in zwei Stunden nach Canterbury. Williams erwies sich in allen Stücken überaus hülfreich und thätig. Ganz das Gegentheil der gewöhnlichen steifen, trocknen, unzugänglichen Engländer fand er ein besonderes Vergnügen daran, die Honneurs seines Vaterlandes zu machen.
Gleich in Dover war uns der karakteristische Unterschied zwischen Frankreich und England entgegen getreten. Calais ist ein altes verräuchertes Nest, Dover macht den Eindruck einer modernen reinlichen Stadt; in Calais versinkt man bei schlechtem Wetter im Schmutz, in Dover laufen die Dienstmägde beim leichtesten Regenschauer auf einer Art von Soccus über das glatte, sorgfältig gehaltene Pflaster; das beste Gasthaus in Calais, das Hôtel de Bourbon, konnte in Betreff der Reinlichkeit kaum den mäßigsten Ansprüchen genügen, das kleine bescheidene Unionhouse in Dover ließ an Nettigkeit gar nichts zu wünschen übrig. Und obgleich die Engländer in Frankreich alle Comforts ihrer Heimath entbehren, so wandern doch alljährlich viele Tausende über den Kanal, um kürzere oder längere Zeit in Frankreich zu verweilen. Sie finden dort
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