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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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Im Revolutionstribunal war er dafür bekannt, daß er immer für die Todesstrafe stimmte. Einst brachte ihm eine arme Frau ein Gnadengesuch für ihren verurtheilten Mann. David ahnete den Inhalt, zeichnete rasch mit Bleistift eine Guillotine auf das Couvert, und warf den uneröffneten Brief der Bittstellerin aus dem Fenster nach. Daß er die Engländer eben so heftig haßte als die Preußen, läßt sich wohl denken. Im Jahre 1814 besuchte Wellington sein Atelier, um sich von ihm malen zu lassen. David kehrte ihm den Rücken und verließ das Zimmer. Mit Blücher würde er es wahrscheinlich eben so gemacht haben, wenn Blücher überhaupt Lust bezeigt hätte, sich in Paris porträtiren zu lassen.

Von Horace Vernet sah ich im Luxembourg die Niedermetzelung der Mamlucken in Kairo (1811), die mir unvergeßlich bleibt.



Im Frühjahre 1821 kam der Präsident von Feuerbach im Auftrage der bairischen Regierung nach Paris, um das französische Gerichtswesen näher kennen zu lernen. Die Herzogin nahm ihn als alten Freund mit gewohnter Liebenswürdigkeit auf, und sah ihn oft bei sich. Feuerbach war in demselben Falle wie mein Freund Ganzel; er las und verstand das französische ganz gut, konnte aber nur mangelhaft sprechen. Daher erbot ich mich zum Cicerone für die Gallerien, Museen und andere Sehenswürdigkeiten, mit Ausnahme der Tollhäuser, Lazarethe, Anatomien und Gefängnisse. Er nahm dies nicht nur gern an, sondern bat mich auch, ihn in die Assisensitzungen zu begleiten, um eventuell auch dort zu dolmetschen. Dies


Im Revolutionstribunal war er dafür bekannt, daß er immer für die Todesstrafe stimmte. Einst brachte ihm eine arme Frau ein Gnadengesuch für ihren verurtheilten Mann. David ahnete den Inhalt, zeichnete rasch mit Bleistift eine Guillotine auf das Couvert, und warf den uneröffneten Brief der Bittstellerin aus dem Fenster nach. Daß er die Engländer eben so heftig haßte als die Preußen, läßt sich wohl denken. Im Jahre 1814 besuchte Wellington sein Atelier, um sich von ihm malen zu lassen. David kehrte ihm den Rücken und verließ das Zimmer. Mit Blücher würde er es wahrscheinlich eben so gemacht haben, wenn Blücher überhaupt Lust bezeigt hätte, sich in Paris porträtiren zu lassen.

Von Horace Vernet sah ich im Luxembourg die Niedermetzelung der Mamlucken in Kairo (1811), die mir unvergeßlich bleibt.



Im Frühjahre 1821 kam der Präsident von Feuerbach im Auftrage der bairischen Regierung nach Paris, um das französische Gerichtswesen näher kennen zu lernen. Die Herzogin nahm ihn als alten Freund mit gewohnter Liebenswürdigkeit auf, und sah ihn oft bei sich. Feuerbach war in demselben Falle wie mein Freund Ganzel; er las und verstand das französische ganz gut, konnte aber nur mangelhaft sprechen. Daher erbot ich mich zum Cicerone für die Gallerien, Museen und andere Sehenswürdigkeiten, mit Ausnahme der Tollhäuser, Lazarethe, Anatomien und Gefängnisse. Er nahm dies nicht nur gern an, sondern bat mich auch, ihn in die Assisensitzungen zu begleiten, um eventuell auch dort zu dolmetschen. Dies

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[470/0478] Im Revolutionstribunal war er dafür bekannt, daß er immer für die Todesstrafe stimmte. Einst brachte ihm eine arme Frau ein Gnadengesuch für ihren verurtheilten Mann. David ahnete den Inhalt, zeichnete rasch mit Bleistift eine Guillotine auf das Couvert, und warf den uneröffneten Brief der Bittstellerin aus dem Fenster nach. Daß er die Engländer eben so heftig haßte als die Preußen, läßt sich wohl denken. Im Jahre 1814 besuchte Wellington sein Atelier, um sich von ihm malen zu lassen. David kehrte ihm den Rücken und verließ das Zimmer. Mit Blücher würde er es wahrscheinlich eben so gemacht haben, wenn Blücher überhaupt Lust bezeigt hätte, sich in Paris porträtiren zu lassen. Von Horace Vernet sah ich im Luxembourg die Niedermetzelung der Mamlucken in Kairo (1811), die mir unvergeßlich bleibt. Im Frühjahre 1821 kam der Präsident von Feuerbach im Auftrage der bairischen Regierung nach Paris, um das französische Gerichtswesen näher kennen zu lernen. Die Herzogin nahm ihn als alten Freund mit gewohnter Liebenswürdigkeit auf, und sah ihn oft bei sich. Feuerbach war in demselben Falle wie mein Freund Ganzel; er las und verstand das französische ganz gut, konnte aber nur mangelhaft sprechen. Daher erbot ich mich zum Cicerone für die Gallerien, Museen und andere Sehenswürdigkeiten, mit Ausnahme der Tollhäuser, Lazarethe, Anatomien und Gefängnisse. Er nahm dies nicht nur gern an, sondern bat mich auch, ihn in die Assisensitzungen zu begleiten, um eventuell auch dort zu dolmetschen. Dies

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/478>, abgerufen am 24.11.2024.