Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Im Verlaufe dieser Studien erschien mir eine recht ausgiebige Bekanntschaft mit den antiken Monumenten, basirt auf eine gründliche Kenntniß der alten Autoren als eine würdige und erreichbare Lebensaufgabe. Doch ward ich später durch meine Reise nach Ägypten von diesen schönen Ziele weit abgelenkt. Stieg man im Louvre aus dem zu ebner Erde gelegenen Antikenkabinet in den ersten Stock zu den Gemälden hinauf so kam man durch ein großes Vorzimmer in einen fast unabsehbaren 540 Fuß langen Saal, der zu beiden Seiten mit Bildern aus allen Schulen bedeckt war. Hier sich zurecht zu finden kostete einige Mühe, da ich aber an der dresdner Gallerie einen so guten Maasstab besaß, so gelang es mir bald, in den verschiedenen Abtheilungen einheimisch zu werden. Es kann nicht meine Absicht sein, hier eine Beschreibung oder Kritik der allbekannten pariser Gallerie zu geben, ich will nur ein paar Bilder anführen, die mir den nachhaltigsten Eindruck hinterließen. La belle jardiniere von Rafael, für Franz I. gemalt, nimmt durch die Anmuth der Figuren und die Sonnenklarheit der Farbe unstreitig den ersten Rang ein; die schöne Johanna von Arragonien gehört zu den besten Exemplaren dieses oft gemalten Bildnisses; die beiden kleinen Heiligen Georg und Michael kann man nicht genug ansehn. Von Lionardo da Vinci ist die Vierge aux rochers in den Schatten sehr nachgedunkelt, die beiden reizenden Frauenköpfe Mona Lisa und La belle ferroniere zeigen eine mehr harmonische Färbung. Die Antiope von Im Verlaufe dieser Studien erschien mir eine recht ausgiebige Bekanntschaft mit den antiken Monumenten, basirt auf eine gründliche Kenntniß der alten Autoren als eine würdige und erreichbare Lebensaufgabe. Doch ward ich später durch meine Reise nach Ägypten von diesen schönen Ziele weit abgelenkt. Stieg man im Louvre aus dem zu ebner Erde gelegenen Antikenkabinet in den ersten Stock zu den Gemälden hinauf so kam man durch ein großes Vorzimmer in einen fast unabsehbaren 540 Fuß langen Saal, der zu beiden Seiten mit Bildern aus allen Schulen bedeckt war. Hier sich zurecht zu finden kostete einige Mühe, da ich aber an der dresdner Gallerie einen so guten Maasstab besaß, so gelang es mir bald, in den verschiedenen Abtheilungen einheimisch zu werden. Es kann nicht meine Absicht sein, hier eine Beschreibung oder Kritik der allbekannten pariser Gallerie zu geben, ich will nur ein paar Bilder anführen, die mir den nachhaltigsten Eindruck hinterließen. La belle jardinière von Rafael, für Franz I. gemalt, nimmt durch die Anmuth der Figuren und die Sonnenklarheit der Farbe unstreitig den ersten Rang ein; die schöne Johanna von Arragonien gehört zu den besten Exemplaren dieses oft gemalten Bildnisses; die beiden kleinen Heiligen Georg und Michael kann man nicht genug ansehn. Von Lionardo da Vinci ist die Vierge aux rochers in den Schatten sehr nachgedunkelt, die beiden reizenden Frauenköpfe Mona Lisa und La belle ferronière zeigen eine mehr harmonische Färbung. Die Antiope von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0476" n="468"/> </p><lb/> <p>Im Verlaufe dieser Studien erschien mir eine recht ausgiebige Bekanntschaft mit den antiken Monumenten, basirt auf eine gründliche Kenntniß der alten Autoren als eine würdige und erreichbare Lebensaufgabe. Doch ward ich später durch meine Reise nach Ägypten von diesen schönen Ziele weit abgelenkt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Stieg man im Louvre aus dem zu ebner Erde gelegenen Antikenkabinet in den ersten Stock zu den Gemälden hinauf so kam man durch ein großes Vorzimmer in einen fast unabsehbaren 540 Fuß langen Saal, der zu beiden Seiten mit Bildern aus allen Schulen bedeckt war. Hier sich zurecht zu finden kostete einige Mühe, da ich aber an der dresdner Gallerie einen so guten Maasstab besaß, so gelang es mir bald, in den verschiedenen Abtheilungen einheimisch zu werden. Es kann nicht meine Absicht sein, hier eine Beschreibung oder Kritik der allbekannten pariser Gallerie zu geben, ich will nur ein paar Bilder anführen, die mir den nachhaltigsten Eindruck hinterließen. </p><lb/> <p>La belle jardinière von Rafael, für Franz I. gemalt, nimmt durch die Anmuth der Figuren und die Sonnenklarheit der Farbe unstreitig den ersten Rang ein; die schöne Johanna von Arragonien gehört zu den besten Exemplaren dieses oft gemalten Bildnisses; die beiden kleinen Heiligen Georg und Michael kann man nicht genug ansehn. Von Lionardo da Vinci ist die Vierge aux rochers in den Schatten sehr nachgedunkelt, die beiden reizenden Frauenköpfe Mona Lisa und La belle ferronière zeigen eine mehr harmonische Färbung. Die Antiope von </p> </div> </body> </text> </TEI> [468/0476]
Im Verlaufe dieser Studien erschien mir eine recht ausgiebige Bekanntschaft mit den antiken Monumenten, basirt auf eine gründliche Kenntniß der alten Autoren als eine würdige und erreichbare Lebensaufgabe. Doch ward ich später durch meine Reise nach Ägypten von diesen schönen Ziele weit abgelenkt.
Stieg man im Louvre aus dem zu ebner Erde gelegenen Antikenkabinet in den ersten Stock zu den Gemälden hinauf so kam man durch ein großes Vorzimmer in einen fast unabsehbaren 540 Fuß langen Saal, der zu beiden Seiten mit Bildern aus allen Schulen bedeckt war. Hier sich zurecht zu finden kostete einige Mühe, da ich aber an der dresdner Gallerie einen so guten Maasstab besaß, so gelang es mir bald, in den verschiedenen Abtheilungen einheimisch zu werden. Es kann nicht meine Absicht sein, hier eine Beschreibung oder Kritik der allbekannten pariser Gallerie zu geben, ich will nur ein paar Bilder anführen, die mir den nachhaltigsten Eindruck hinterließen.
La belle jardinière von Rafael, für Franz I. gemalt, nimmt durch die Anmuth der Figuren und die Sonnenklarheit der Farbe unstreitig den ersten Rang ein; die schöne Johanna von Arragonien gehört zu den besten Exemplaren dieses oft gemalten Bildnisses; die beiden kleinen Heiligen Georg und Michael kann man nicht genug ansehn. Von Lionardo da Vinci ist die Vierge aux rochers in den Schatten sehr nachgedunkelt, die beiden reizenden Frauenköpfe Mona Lisa und La belle ferronière zeigen eine mehr harmonische Färbung. Die Antiope von
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/476>, abgerufen am 05.07.2024. |