Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Unter den Mittelklassen hatte das Attentat doch einige Erregung zurückgelassen. Wenn im Palais royal um 12 Uhr Mittags der übliche Kanonenschuß durch das Brennglas abgefeuert ward, so rief wohl einer der Spazieigänger: encore un petard. Die öffentliche und geheime Polizei machte die grösten Anstrengungen, um den muthmaaßlichen Theilnehmern an dem Komplotte auf die Spur zu kommen. Es geschahen viele Verhaftungen, und beinahe wäre ich selbst festgenommen worden. Ich kehrte mit Johann eines Abends vom Theatre Saint Martin zurück, als in der Gegend des Palais royal, das enge Gäßchen, in dem wir gingen, oben und unten von Gendarmen gesperrt, und alle darin befindlichen Personen, es mochten 15 bis 20 sein, angehalten wurden. Als der Gendarme in Johanns Knopfloche die beiden Orden erblickte, sagte er mit der Hand am Hute Monsieur est decore, il peut passer! Johann erwiederte darauf mit vieler Geistesgegenwart, nach mir sich hinwendend: et moi, je reponds de Monsieur! worauf wir beide unsre Freiheit erhielten. Tags darauf stand in den ministeriellen Blättern, man habe in jenem Gäschen ein geheimes Waffendepot entdeckt, und es werde sich zeigen, ob dies mit dem Attentate zusammenhänge. Es erfolgte aber weiter nichts, und schon damals wußte das Publikum, die Polizei verbreite von Zeit zu Zeit solche Sensationsnachrichten, um auf die öffentliche Meinung nach irgend einer Seite hin einen Druck auszuüben. Die Tuilerien wurden nun noch schärfer bewacht; es durfte niemand des Abends unter den Fenstern des Königs vorübergehn. Als ich einst ganz arglos mit Ganzel vorbeischlendern wollte, und wir den Anruf der Schildwache Unter den Mittelklassen hatte das Attentat doch einige Erregung zurückgelassen. Wenn im Palais royal um 12 Uhr Mittags der übliche Kanonenschuß durch das Brennglas abgefeuert ward, so rief wohl einer der Spazieigänger: encore un pétard. Die öffentliche und geheime Polizei machte die grösten Anstrengungen, um den muthmaaßlichen Theilnehmern an dem Komplotte auf die Spur zu kommen. Es geschahen viele Verhaftungen, und beinahe wäre ich selbst festgenommen worden. Ich kehrte mit Johann eines Abends vom Théatre Saint Martin zurück, als in der Gegend des Palais royal, das enge Gäßchen, in dem wir gingen, oben und unten von Gendarmen gesperrt, und alle darin befindlichen Personen, es mochten 15 bis 20 sein, angehalten wurden. Als der Gendarme in Johanns Knopfloche die beiden Orden erblickte, sagte er mit der Hand am Hute Monsieur est décoré, il peut passer! Johann erwiederte darauf mit vieler Geistesgegenwart, nach mir sich hinwendend: et moi, je réponds de Monsieur! worauf wir beide unsre Freiheit erhielten. Tags darauf stand in den ministeriellen Blättern, man habe in jenem Gäschen ein geheimes Waffendépôt entdeckt, und es werde sich zeigen, ob dies mit dem Attentate zusammenhänge. Es erfolgte aber weiter nichts, und schon damals wußte das Publikum, die Polizei verbreite von Zeit zu Zeit solche Sensationsnachrichten, um auf die öffentliche Meinung nach irgend einer Seite hin einen Druck auszuüben. Die Tuilerien wurden nun noch schärfer bewacht; es durfte niemand des Abends unter den Fenstern des Königs vorübergehn. Als ich einst ganz arglos mit Ganzel vorbeischlendern wollte, und wir den Anruf der Schildwache <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0471" n="463"/> </p><lb/> <p>Unter den Mittelklassen hatte das Attentat doch einige Erregung zurückgelassen. Wenn im Palais royal um 12 Uhr Mittags der übliche Kanonenschuß durch das Brennglas abgefeuert ward, so rief wohl einer der Spazieigänger: encore un pétard. </p><lb/> <p>Die öffentliche und geheime Polizei machte die grösten Anstrengungen, um den muthmaaßlichen Theilnehmern an dem Komplotte auf die Spur zu kommen. Es geschahen viele Verhaftungen, und beinahe wäre ich selbst festgenommen worden. Ich kehrte mit Johann eines Abends vom Théatre Saint Martin zurück, als in der Gegend des Palais royal, das enge Gäßchen, in dem wir gingen, oben und unten von Gendarmen gesperrt, und alle darin befindlichen Personen, es mochten 15 bis 20 sein, angehalten wurden. Als der Gendarme in Johanns Knopfloche die beiden Orden erblickte, sagte er mit der Hand am Hute Monsieur est décoré, il peut passer! Johann erwiederte darauf mit vieler Geistesgegenwart, nach mir sich hinwendend: et moi, je réponds de Monsieur! worauf wir beide unsre Freiheit erhielten. Tags darauf stand in den ministeriellen Blättern, man habe in jenem Gäschen ein geheimes Waffendépôt entdeckt, und es werde sich zeigen, ob dies mit dem Attentate zusammenhänge. Es erfolgte aber weiter nichts, und schon damals wußte das Publikum, die Polizei verbreite von Zeit zu Zeit solche Sensationsnachrichten, um auf die öffentliche Meinung nach irgend einer Seite hin einen Druck auszuüben. </p><lb/> <p>Die Tuilerien wurden nun noch schärfer bewacht; es durfte niemand des Abends unter den Fenstern des Königs vorübergehn. Als ich einst ganz arglos mit Ganzel vorbeischlendern wollte, und wir den Anruf der Schildwache </p> </div> </body> </text> </TEI> [463/0471]
Unter den Mittelklassen hatte das Attentat doch einige Erregung zurückgelassen. Wenn im Palais royal um 12 Uhr Mittags der übliche Kanonenschuß durch das Brennglas abgefeuert ward, so rief wohl einer der Spazieigänger: encore un pétard.
Die öffentliche und geheime Polizei machte die grösten Anstrengungen, um den muthmaaßlichen Theilnehmern an dem Komplotte auf die Spur zu kommen. Es geschahen viele Verhaftungen, und beinahe wäre ich selbst festgenommen worden. Ich kehrte mit Johann eines Abends vom Théatre Saint Martin zurück, als in der Gegend des Palais royal, das enge Gäßchen, in dem wir gingen, oben und unten von Gendarmen gesperrt, und alle darin befindlichen Personen, es mochten 15 bis 20 sein, angehalten wurden. Als der Gendarme in Johanns Knopfloche die beiden Orden erblickte, sagte er mit der Hand am Hute Monsieur est décoré, il peut passer! Johann erwiederte darauf mit vieler Geistesgegenwart, nach mir sich hinwendend: et moi, je réponds de Monsieur! worauf wir beide unsre Freiheit erhielten. Tags darauf stand in den ministeriellen Blättern, man habe in jenem Gäschen ein geheimes Waffendépôt entdeckt, und es werde sich zeigen, ob dies mit dem Attentate zusammenhänge. Es erfolgte aber weiter nichts, und schon damals wußte das Publikum, die Polizei verbreite von Zeit zu Zeit solche Sensationsnachrichten, um auf die öffentliche Meinung nach irgend einer Seite hin einen Druck auszuüben.
Die Tuilerien wurden nun noch schärfer bewacht; es durfte niemand des Abends unter den Fenstern des Königs vorübergehn. Als ich einst ganz arglos mit Ganzel vorbeischlendern wollte, und wir den Anruf der Schildwache
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |