Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Mal hineinzugehn. Aber selten habe ich einen herberen musikalischen Schmerz empfunden als während dieser Aufführung. Nach den Regeln der damaligen strengen Theateretikette war es unerlaubt, einen Mohren, eine Schlange, Affen, Bären und Löwen, noch weniger Federmenschen oder Feuer und Wasser auf die Bühne zu bringen. So etwas würde das korrekte Schicklichkeitsgefühl des pariser Publikums höchlich beleidigt haben. Dies zugegeben, so konnten die betreffenden Scenen wegbleiben, ohne den Zusammenhang des beinahe zusammenhanglosen Libretto zu stören, aber ganz unerträglich kam es mir vor, daß an diesen Stellen Arien und Duette aus dem Don Giovanni, aus dem Figaro, aus dem Titus eingelegt waren, und daß überdies ein gottvergeßner Komponist Namens Lachnith, der das Ganze in Scene gesetzt, noch einige Brocken seiner eignen Musik hinzugethan. Ein paar Einzelheiten, die mir haften geblieben, verursachen mir jetzt mehr Lachen als damals Verdruß. Papageno und Papagena sind in ein paar ägyptische Landleute: Bocchoris und Mona verwandelt. Bocchoris erhält statt des Glockenspieles ein Sistrum, und singt mit Mona ein Duett nach der Musik der Champagnerarie im Don Giovanni. Taminos Zauberflöte bleibt weg; statt einer Schlange wird er von einer unterirdischen Flamme verfolgt, die beim Erscheinen der drei Damen erlischt. Die Königin der Nacht singt bei ihrem Auftreten die große Rachearie der Donna Anna: Or sai chi l'onore, und Tamino die Sopranarie der Susanna im Figaro: Deh vieni, non tardar.

Das ganz gefüllte Haus spendete den reichsten Beifall. Mit wuthentbranntem Gemüthe eilte ich nach Hause, und es war gut, daß Monsieur Lachnith mir nicht begegnete.

Mal hineinzugehn. Aber selten habe ich einen herberen musikalischen Schmerz empfunden als während dieser Aufführung. Nach den Regeln der damaligen strengen Theateretikette war es unerlaubt, einen Mohren, eine Schlange, Affen, Bären und Löwen, noch weniger Federmenschen oder Feuer und Wasser auf die Bühne zu bringen. So etwas würde das korrekte Schicklichkeitsgefühl des pariser Publikums höchlich beleidigt haben. Dies zugegeben, so konnten die betreffenden Scenen wegbleiben, ohne den Zusammenhang des beinahe zusammenhanglosen Libretto zu stören, aber ganz unerträglich kam es mir vor, daß an diesen Stellen Arien und Duette aus dem Don Giovanni, aus dem Figaro, aus dem Titus eingelegt waren, und daß überdies ein gottvergeßner Komponist Namens Lachnith, der das Ganze in Scene gesetzt, noch einige Brocken seiner eignen Musik hinzugethan. Ein paar Einzelheiten, die mir haften geblieben, verursachen mir jetzt mehr Lachen als damals Verdruß. Papageno und Papagena sind in ein paar ägyptische Landleute: Bocchoris und Mona verwandelt. Bocchoris erhält statt des Glockenspieles ein Sistrum, und singt mit Mona ein Duett nach der Musik der Champagnerarie im Don Giovanni. Taminos Zauberflöte bleibt weg; statt einer Schlange wird er von einer unterirdischen Flamme verfolgt, die beim Erscheinen der drei Damen erlischt. Die Königin der Nacht singt bei ihrem Auftreten die große Rachearie der Donna Anna: Or sai chi l’onore, und Tamino die Sopranarie der Susanna im Figaro: Deh vieni, non tardar.

Das ganz gefüllte Haus spendete den reichsten Beifall. Mit wuthentbranntem Gemüthe eilte ich nach Hause, und es war gut, daß Monsieur Lachnith mir nicht begegnete.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0458" n="450"/>
Mal hineinzugehn. Aber selten habe ich einen herberen musikalischen Schmerz empfunden als während dieser Aufführung. Nach den Regeln der damaligen strengen Theateretikette war es unerlaubt, einen Mohren, eine Schlange, Affen, Bären und Löwen, noch weniger Federmenschen oder Feuer und Wasser auf die Bühne zu bringen. So etwas würde das korrekte Schicklichkeitsgefühl des pariser Publikums höchlich beleidigt haben. Dies zugegeben, so konnten die betreffenden Scenen wegbleiben, ohne den Zusammenhang des beinahe zusammenhanglosen Libretto zu stören, aber ganz unerträglich kam es mir vor, daß an diesen Stellen Arien und Duette aus dem Don Giovanni, aus dem Figaro, aus dem Titus eingelegt waren, und daß überdies ein gottvergeßner Komponist Namens Lachnith, der das Ganze in Scene gesetzt, noch einige Brocken seiner eignen Musik hinzugethan. Ein paar Einzelheiten, die mir haften geblieben, verursachen mir jetzt mehr Lachen als damals Verdruß. Papageno und Papagena sind in ein paar ägyptische Landleute: Bocchoris und Mona verwandelt. Bocchoris erhält statt des Glockenspieles ein Sistrum, und singt mit Mona ein Duett nach der Musik der Champagnerarie im Don Giovanni. Taminos Zauberflöte bleibt weg; statt einer Schlange wird er von einer unterirdischen Flamme verfolgt, die beim Erscheinen der drei Damen erlischt. Die Königin der Nacht singt bei ihrem Auftreten die große Rachearie der Donna Anna: Or sai chi l&#x2019;onore, und Tamino die Sopranarie der Susanna im Figaro: Deh vieni, non tardar. </p><lb/>
        <p>Das ganz gefüllte Haus spendete den reichsten Beifall. Mit wuthentbranntem Gemüthe eilte ich nach Hause, und es war gut, daß Monsieur Lachnith mir nicht begegnete.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[450/0458] Mal hineinzugehn. Aber selten habe ich einen herberen musikalischen Schmerz empfunden als während dieser Aufführung. Nach den Regeln der damaligen strengen Theateretikette war es unerlaubt, einen Mohren, eine Schlange, Affen, Bären und Löwen, noch weniger Federmenschen oder Feuer und Wasser auf die Bühne zu bringen. So etwas würde das korrekte Schicklichkeitsgefühl des pariser Publikums höchlich beleidigt haben. Dies zugegeben, so konnten die betreffenden Scenen wegbleiben, ohne den Zusammenhang des beinahe zusammenhanglosen Libretto zu stören, aber ganz unerträglich kam es mir vor, daß an diesen Stellen Arien und Duette aus dem Don Giovanni, aus dem Figaro, aus dem Titus eingelegt waren, und daß überdies ein gottvergeßner Komponist Namens Lachnith, der das Ganze in Scene gesetzt, noch einige Brocken seiner eignen Musik hinzugethan. Ein paar Einzelheiten, die mir haften geblieben, verursachen mir jetzt mehr Lachen als damals Verdruß. Papageno und Papagena sind in ein paar ägyptische Landleute: Bocchoris und Mona verwandelt. Bocchoris erhält statt des Glockenspieles ein Sistrum, und singt mit Mona ein Duett nach der Musik der Champagnerarie im Don Giovanni. Taminos Zauberflöte bleibt weg; statt einer Schlange wird er von einer unterirdischen Flamme verfolgt, die beim Erscheinen der drei Damen erlischt. Die Königin der Nacht singt bei ihrem Auftreten die große Rachearie der Donna Anna: Or sai chi l’onore, und Tamino die Sopranarie der Susanna im Figaro: Deh vieni, non tardar. Das ganz gefüllte Haus spendete den reichsten Beifall. Mit wuthentbranntem Gemüthe eilte ich nach Hause, und es war gut, daß Monsieur Lachnith mir nicht begegnete.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/458
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/458>, abgerufen am 28.11.2024.