Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Aufgabe für Sänger und Sängerinnen. Als Primadonna strahlte in dieser, wie in den übrigen italiänischen Opern Madame Fodor-Mainvielle, eine Sängerin ersten Ranges, die nach einer kurzen glänzenden Laufbahn nur zu früh dahinstarb, deren seelenvoller Gesang aber allen denen, die sie gehört, unvergeßlich bleiben wird. Ihr zur Seite stand der mächtige Bariton Garcia, aus spanischem Stamme, ein geborner Don Juan und Graf Almaviva. Er gehörte zu den seltnen Sängern, die zugleich Tonsetzer sind. Eine französische, von ihm komponirte Oper: La mort du Tasse ward in dem großen französischen Opernhause gegeben, und er selbst sang darin den Tasso. Nun kann es wohl kaum einen unglücklicheren Gegenstand für eine Oper geben, als einen sterbenden Dichter, und es ist die Frage, ob auch ein größerer Komponist als Garcia, diesen Abscheidenden hätte beleben können. Wenn ich nach einmaligem Hören urtheilen darf, so schien mir die Erfindung in melodischer und harmonischer Hinsicht recht ansprechend, aber ich mußte immer an meines Vaters Wahrspruch denken, als jedes Stück mir viel zu lang und zu weit ausgesponnen vorkam. Dies war besonders am Schlusse der Fall, wo dem sterbenden Tasso durch den Chor Muth eingesprochen wird mit den Worten: Prenez courage! worauf Tasso abwehrend erwiedert: Laissez-moi! Die gar zu häufige Wiederholung dieser beiden nichtssagenden Phrasen: Prenez courage! und Laissez-moi! in allen möglichen Modulationen wurde zuletzt komisch. Im italiänischen Theater gingen außer dem Aufgabe für Sänger und Sängerinnen. Als Primadonna strahlte in dieser, wie in den übrigen italiänischen Opern Madame Fodor-Mainvielle, eine Sängerin ersten Ranges, die nach einer kurzen glänzenden Laufbahn nur zu früh dahinstarb, deren seelenvoller Gesang aber allen denen, die sie gehört, unvergeßlich bleiben wird. Ihr zur Seite stand der mächtige Bariton Garcia, aus spanischem Stamme, ein geborner Don Juan und Graf Almaviva. Er gehörte zu den seltnen Sängern, die zugleich Tonsetzer sind. Eine französische, von ihm komponirte Oper: La mort du Tasse ward in dem großen französischen Opernhause gegeben, und er selbst sang darin den Tasso. Nun kann es wohl kaum einen unglücklicheren Gegenstand für eine Oper geben, als einen sterbenden Dichter, und es ist die Frage, ob auch ein größerer Komponist als Garcia, diesen Abscheidenden hätte beleben können. Wenn ich nach einmaligem Hören urtheilen darf, so schien mir die Erfindung in melodischer und harmonischer Hinsicht recht ansprechend, aber ich mußte immer an meines Vaters Wahrspruch denken, als jedes Stück mir viel zu lang und zu weit ausgesponnen vorkam. Dies war besonders am Schlusse der Fall, wo dem sterbenden Tasso durch den Chor Muth eingesprochen wird mit den Worten: Prenez courage! worauf Tasso abwehrend erwiedert: Laissez-moi! Die gar zu häufige Wiederholung dieser beiden nichtssagenden Phrasen: Prenez courage! und Laissez-moi! in allen möglichen Modulationen wurde zuletzt komisch. Im italiänischen Theater gingen außer dem ‹Barbiere die Seviglia› noch vier Rossinische Opern über die Bühne: die beiden durch ihren Titel sich ergänzenden Stücke <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0455" n="447"/> Aufgabe für Sänger und Sängerinnen. Als Primadonna strahlte in dieser, wie in den übrigen italiänischen Opern Madame Fodor-Mainvielle, eine Sängerin ersten Ranges, die nach einer kurzen glänzenden Laufbahn nur zu früh dahinstarb, deren seelenvoller Gesang aber allen denen, die sie gehört, unvergeßlich bleiben wird. </p><lb/> <p>Ihr zur Seite stand der mächtige Bariton Garcia, aus spanischem Stamme, ein geborner Don Juan und Graf Almaviva. Er gehörte zu den seltnen Sängern, die zugleich Tonsetzer sind. Eine französische, von ihm komponirte Oper: La mort du Tasse ward in dem großen französischen Opernhause gegeben, und er selbst sang darin den Tasso. Nun kann es wohl kaum einen unglücklicheren Gegenstand für eine Oper geben, als einen sterbenden Dichter, und es ist die Frage, ob auch ein größerer Komponist als Garcia, diesen Abscheidenden hätte beleben können. Wenn ich nach einmaligem Hören urtheilen darf, so schien mir die Erfindung in melodischer und harmonischer Hinsicht recht ansprechend, aber ich mußte immer an meines Vaters Wahrspruch denken, als jedes Stück mir viel zu lang und zu weit ausgesponnen vorkam. Dies war besonders am Schlusse der Fall, wo dem sterbenden Tasso durch den Chor Muth eingesprochen wird mit den Worten: Prenez courage! worauf Tasso abwehrend erwiedert: Laissez-moi! Die gar zu häufige Wiederholung dieser beiden nichtssagenden Phrasen: Prenez courage! und Laissez-moi! in allen möglichen Modulationen wurde zuletzt komisch. </p><lb/> <p>Im italiänischen Theater gingen außer dem ‹Barbiere die Seviglia› noch vier Rossinische Opern über die Bühne: die beiden durch ihren Titel sich ergänzenden Stücke </p> </div> </body> </text> </TEI> [447/0455]
Aufgabe für Sänger und Sängerinnen. Als Primadonna strahlte in dieser, wie in den übrigen italiänischen Opern Madame Fodor-Mainvielle, eine Sängerin ersten Ranges, die nach einer kurzen glänzenden Laufbahn nur zu früh dahinstarb, deren seelenvoller Gesang aber allen denen, die sie gehört, unvergeßlich bleiben wird.
Ihr zur Seite stand der mächtige Bariton Garcia, aus spanischem Stamme, ein geborner Don Juan und Graf Almaviva. Er gehörte zu den seltnen Sängern, die zugleich Tonsetzer sind. Eine französische, von ihm komponirte Oper: La mort du Tasse ward in dem großen französischen Opernhause gegeben, und er selbst sang darin den Tasso. Nun kann es wohl kaum einen unglücklicheren Gegenstand für eine Oper geben, als einen sterbenden Dichter, und es ist die Frage, ob auch ein größerer Komponist als Garcia, diesen Abscheidenden hätte beleben können. Wenn ich nach einmaligem Hören urtheilen darf, so schien mir die Erfindung in melodischer und harmonischer Hinsicht recht ansprechend, aber ich mußte immer an meines Vaters Wahrspruch denken, als jedes Stück mir viel zu lang und zu weit ausgesponnen vorkam. Dies war besonders am Schlusse der Fall, wo dem sterbenden Tasso durch den Chor Muth eingesprochen wird mit den Worten: Prenez courage! worauf Tasso abwehrend erwiedert: Laissez-moi! Die gar zu häufige Wiederholung dieser beiden nichtssagenden Phrasen: Prenez courage! und Laissez-moi! in allen möglichen Modulationen wurde zuletzt komisch.
Im italiänischen Theater gingen außer dem ‹Barbiere die Seviglia› noch vier Rossinische Opern über die Bühne: die beiden durch ihren Titel sich ergänzenden Stücke
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