Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].unterschied der beiden Völker zeigte sich auch darin, daß ich bei einer mittleren Statur in Frankreich als groß, in England als klein qualificirt ward. Hatten auch die Erfahrungen in der Hartungschen Schule mich bei der Erwähnung meiner vornehmen Bekanntschaften sehr zurückhaltend gemacht, so fiel es mir doch nicht ein, meinen häufigen Verkehr in dem herzoglichen Hause vor dem Granzelschen Kreise geheim zu halten; ich wüßte aber nicht zu sagen, daß unsre freundschaftlichen Beziehungen darunter gelitten hätten. Die meisten dieser Herren dachten an nichts anderes als an die Vollendung ihrer Studien, um recht bald in ein Amt zu kommen, einige wenige, zu denen Ganzel gehörte, zeigten ein allgemeines wissenschaftliches Interesse; sie waren sehr froh, wenn sie durch meine Fürsprache bei dem unermüdlich protegirenden Humboldt einer Sitzung der Akademie beiwohnen konnten. In meiner Korrespondenz nach Hause glaubte ich recht viel zu leisten, wenn ich manchmal einen Brief von vier Seiten zu Stande brachte, aber wie ward ich beschämt, als Ganzel mir versicherte, er sende alle 14 Tage, unter dem Titel: Allgemeines Tagebuch, an seine Aeltern Konvolute von 12 bis 14 Bogen. Auf meine Frage, ob denn das Porto ihn nicht bankerot mache, vertraute er mir, durch eine Bekanntschaft in der preußischen Gesandtschaftskanzlei sei es ihm möglich, die Briefe kostenfrei dem Kuriere mitzugeben. Mit meiner Schwester Lilli blieb ich auch während des Aufenthaltes in Paris im lebhaftesten Gedanken-Aus- unterschied der beiden Völker zeigte sich auch darin, daß ich bei einer mittleren Statur in Frankreich als groß, in England als klein qualificirt ward. Hatten auch die Erfahrungen in der Hartungschen Schule mich bei der Erwähnung meiner vornehmen Bekanntschaften sehr zurückhaltend gemacht, so fiel es mir doch nicht ein, meinen häufigen Verkehr in dem herzoglichen Hause vor dem Granzelschen Kreise geheim zu halten; ich wüßte aber nicht zu sagen, daß unsre freundschaftlichen Beziehungen darunter gelitten hätten. Die meisten dieser Herren dachten an nichts anderes als an die Vollendung ihrer Studien, um recht bald in ein Amt zu kommen, einige wenige, zu denen Ganzel gehörte, zeigten ein allgemeines wissenschaftliches Interesse; sie waren sehr froh, wenn sie durch meine Fürsprache bei dem unermüdlich protegirenden Humboldt einer Sitzung der Akademie beiwohnen konnten. In meiner Korrespondenz nach Hause glaubte ich recht viel zu leisten, wenn ich manchmal einen Brief von vier Seiten zu Stande brachte, aber wie ward ich beschämt, als Ganzel mir versicherte, er sende alle 14 Tage, unter dem Titel: Allgemeines Tagebuch, an seine Aeltern Konvolute von 12 bis 14 Bogen. Auf meine Frage, ob denn das Porto ihn nicht bankerot mache, vertraute er mir, durch eine Bekanntschaft in der preußischen Gesandtschaftskanzlei sei es ihm möglich, die Briefe kostenfrei dem Kuriere mitzugeben. Mit meiner Schwester Lilli blieb ich auch während des Aufenthaltes in Paris im lebhaftesten Gedanken-Aus- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0446" n="438"/> unterschied der beiden Völker zeigte sich auch darin, daß ich bei einer mittleren Statur in Frankreich als groß, in England als klein qualificirt ward. </p><lb/> <p>Hatten auch die Erfahrungen in der Hartungschen Schule mich bei der Erwähnung meiner vornehmen Bekanntschaften sehr zurückhaltend gemacht, so fiel es mir doch nicht ein, meinen häufigen Verkehr in dem herzoglichen Hause vor dem Granzelschen Kreise geheim zu halten; ich wüßte aber nicht zu sagen, daß unsre freundschaftlichen Beziehungen darunter gelitten hätten. Die meisten dieser Herren dachten an nichts anderes als an die Vollendung ihrer Studien, um recht bald in ein Amt zu kommen, einige wenige, zu denen Ganzel gehörte, zeigten ein allgemeines wissenschaftliches Interesse; sie waren sehr froh, wenn sie durch meine Fürsprache bei dem unermüdlich protegirenden Humboldt einer Sitzung der Akademie beiwohnen konnten. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>In meiner Korrespondenz nach Hause glaubte ich recht viel zu leisten, wenn ich manchmal einen Brief von vier Seiten zu Stande brachte, aber wie ward ich beschämt, als Ganzel mir versicherte, er sende alle 14 Tage, unter dem Titel: Allgemeines Tagebuch, an seine Aeltern Konvolute von 12 bis 14 Bogen. Auf meine Frage, ob denn das Porto ihn nicht bankerot mache, vertraute er mir, durch eine Bekanntschaft in der preußischen Gesandtschaftskanzlei sei es ihm möglich, die Briefe kostenfrei dem Kuriere mitzugeben. </p><lb/> <p>Mit meiner Schwester Lilli blieb ich auch während des Aufenthaltes in Paris im lebhaftesten Gedanken-Aus- </p> </div> </body> </text> </TEI> [438/0446]
unterschied der beiden Völker zeigte sich auch darin, daß ich bei einer mittleren Statur in Frankreich als groß, in England als klein qualificirt ward.
Hatten auch die Erfahrungen in der Hartungschen Schule mich bei der Erwähnung meiner vornehmen Bekanntschaften sehr zurückhaltend gemacht, so fiel es mir doch nicht ein, meinen häufigen Verkehr in dem herzoglichen Hause vor dem Granzelschen Kreise geheim zu halten; ich wüßte aber nicht zu sagen, daß unsre freundschaftlichen Beziehungen darunter gelitten hätten. Die meisten dieser Herren dachten an nichts anderes als an die Vollendung ihrer Studien, um recht bald in ein Amt zu kommen, einige wenige, zu denen Ganzel gehörte, zeigten ein allgemeines wissenschaftliches Interesse; sie waren sehr froh, wenn sie durch meine Fürsprache bei dem unermüdlich protegirenden Humboldt einer Sitzung der Akademie beiwohnen konnten.
In meiner Korrespondenz nach Hause glaubte ich recht viel zu leisten, wenn ich manchmal einen Brief von vier Seiten zu Stande brachte, aber wie ward ich beschämt, als Ganzel mir versicherte, er sende alle 14 Tage, unter dem Titel: Allgemeines Tagebuch, an seine Aeltern Konvolute von 12 bis 14 Bogen. Auf meine Frage, ob denn das Porto ihn nicht bankerot mache, vertraute er mir, durch eine Bekanntschaft in der preußischen Gesandtschaftskanzlei sei es ihm möglich, die Briefe kostenfrei dem Kuriere mitzugeben.
Mit meiner Schwester Lilli blieb ich auch während des Aufenthaltes in Paris im lebhaftesten Gedanken-Aus-
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/446>, abgerufen am 16.07.2024. |