Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].hospitirt), so ließ ich mir soviel davon erklären, als gesprächsweise möglich war. Es konnte nicht fehlen, daß manche Sätze der Identitätsphilosophie, außer dem Zusammenhange in ihrer Schroffheit hingestellt, sehr kurios klangen. Gegen manche Punkte trat ich mit Einwendungen hervor, die mir wohlbegründet schienen, allein Ganzels Erwiederungen überzeugten mich bald, daß man ein fest abgeschlossenes und gerundetes philosophisches System nicht mit einzelnen Ausstellungen bekämpfen könne, wenn man sich nicht vorher das Ganze zu eigen gemacht. Diese Betrachtung bewog mich nach meiner Heimkehr bei Hegel mehrere Kollegien zu hören, und dies gereichte mir als geistige Uebung zu wesentlichem Nutzen, wenngleich ich keineswegs mich rühmen will, die Hegelsche Philosophie in ihrer Ganzheit erfaßt zu haben. Ganzel beredete mich, in einem Kollegium bei dem berühmten Physiologen Magendie zu hospitiren. Wir trafen den Professor in einem ziemlich engen Zimmer seiner Privatwohnung, wo die 16 bis 20 Zuhörer kaum Platz hatten. Er saß an einem langen Tische und erklärte die schädlichen Wirkungen der Säuren auf den thierischen Organismus; dann nahm er ein lebendiges Kaninchen, schnitt ihm mit einem scharfen Rasirmesser den Schädel auf, tröpfelte ätzende Schwefelsäure in das Gehim, und sagte nach einer Pause: il ne bouge pas. Das Thierchen war schon todt. Es folgten ähnliche Experimente mit Hunden, Tauben u. s. w. Ich dankte Gott, als die Stunde zu Ende ging und überzeugte mich von neuem, daß zum medizinischen Studium und zur Ausübung der ärztlichen Praxis eine ganz besondere Vokation gehöre. Die erwähnten Mediziner schlossen sich zu einem hospitirt), so ließ ich mir soviel davon erklären, als gesprächsweise möglich war. Es konnte nicht fehlen, daß manche Sätze der Identitätsphilosophie, außer dem Zusammenhange in ihrer Schroffheit hingestellt, sehr kurios klangen. Gegen manche Punkte trat ich mit Einwendungen hervor, die mir wohlbegründet schienen, allein Ganzels Erwiederungen überzeugten mich bald, daß man ein fest abgeschlossenes und gerundetes philosophisches System nicht mit einzelnen Ausstellungen bekämpfen könne, wenn man sich nicht vorher das Ganze zu eigen gemacht. Diese Betrachtung bewog mich nach meiner Heimkehr bei Hegel mehrere Kollegien zu hören, und dies gereichte mir als geistige Uebung zu wesentlichem Nutzen, wenngleich ich keineswegs mich rühmen will, die Hegelsche Philosophie in ihrer Ganzheit erfaßt zu haben. Ganzel beredete mich, in einem Kollegium bei dem berühmten Physiologen Magendie zu hospitiren. Wir trafen den Professor in einem ziemlich engen Zimmer seiner Privatwohnung, wo die 16 bis 20 Zuhörer kaum Platz hatten. Er saß an einem langen Tische und erklärte die schädlichen Wirkungen der Säuren auf den thierischen Organismus; dann nahm er ein lebendiges Kaninchen, schnitt ihm mit einem scharfen Rasirmesser den Schädel auf, tröpfelte ätzende Schwefelsäure in das Gehim, und sagte nach einer Pause: il ne bouge pas. Das Thierchen war schon todt. Es folgten ähnliche Experimente mit Hunden, Tauben u. s. w. Ich dankte Gott, als die Stunde zu Ende ging und überzeugte mich von neuem, daß zum medizinischen Studium und zur Ausübung der ärztlichen Praxis eine ganz besondere Vokation gehöre. Die erwähnten Mediziner schlossen sich zu einem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0444" n="436"/> hospitirt), so ließ ich mir soviel davon erklären, als gesprächsweise möglich war. Es konnte nicht fehlen, daß manche Sätze der Identitätsphilosophie, außer dem Zusammenhange in ihrer Schroffheit hingestellt, sehr kurios klangen. Gegen manche Punkte trat ich mit Einwendungen hervor, die mir wohlbegründet schienen, allein Ganzels Erwiederungen überzeugten mich bald, daß man ein fest abgeschlossenes und gerundetes philosophisches System nicht mit einzelnen Ausstellungen bekämpfen könne, wenn man sich nicht vorher das Ganze zu eigen gemacht. Diese Betrachtung bewog mich nach meiner Heimkehr bei Hegel mehrere Kollegien zu hören, und dies gereichte mir als geistige Uebung zu wesentlichem Nutzen, wenngleich ich keineswegs mich rühmen will, die Hegelsche Philosophie in ihrer Ganzheit erfaßt zu haben. </p><lb/> <p>Ganzel beredete mich, in einem Kollegium bei dem berühmten Physiologen Magendie zu hospitiren. Wir trafen den Professor in einem ziemlich engen Zimmer seiner Privatwohnung, wo die 16 bis 20 Zuhörer kaum Platz hatten. Er saß an einem langen Tische und erklärte die schädlichen Wirkungen der Säuren auf den thierischen Organismus; dann nahm er ein lebendiges Kaninchen, schnitt ihm mit einem scharfen Rasirmesser den Schädel auf, tröpfelte ätzende Schwefelsäure in das Gehim, und sagte nach einer Pause: il ne bouge pas. Das Thierchen war schon todt. Es folgten ähnliche Experimente mit Hunden, Tauben u. s. w. Ich dankte Gott, als die Stunde zu Ende ging und überzeugte mich von neuem, daß zum medizinischen Studium und zur Ausübung der ärztlichen Praxis eine ganz besondere Vokation gehöre. </p><lb/> <p>Die erwähnten Mediziner schlossen sich zu einem </p> </div> </body> </text> </TEI> [436/0444]
hospitirt), so ließ ich mir soviel davon erklären, als gesprächsweise möglich war. Es konnte nicht fehlen, daß manche Sätze der Identitätsphilosophie, außer dem Zusammenhange in ihrer Schroffheit hingestellt, sehr kurios klangen. Gegen manche Punkte trat ich mit Einwendungen hervor, die mir wohlbegründet schienen, allein Ganzels Erwiederungen überzeugten mich bald, daß man ein fest abgeschlossenes und gerundetes philosophisches System nicht mit einzelnen Ausstellungen bekämpfen könne, wenn man sich nicht vorher das Ganze zu eigen gemacht. Diese Betrachtung bewog mich nach meiner Heimkehr bei Hegel mehrere Kollegien zu hören, und dies gereichte mir als geistige Uebung zu wesentlichem Nutzen, wenngleich ich keineswegs mich rühmen will, die Hegelsche Philosophie in ihrer Ganzheit erfaßt zu haben.
Ganzel beredete mich, in einem Kollegium bei dem berühmten Physiologen Magendie zu hospitiren. Wir trafen den Professor in einem ziemlich engen Zimmer seiner Privatwohnung, wo die 16 bis 20 Zuhörer kaum Platz hatten. Er saß an einem langen Tische und erklärte die schädlichen Wirkungen der Säuren auf den thierischen Organismus; dann nahm er ein lebendiges Kaninchen, schnitt ihm mit einem scharfen Rasirmesser den Schädel auf, tröpfelte ätzende Schwefelsäure in das Gehim, und sagte nach einer Pause: il ne bouge pas. Das Thierchen war schon todt. Es folgten ähnliche Experimente mit Hunden, Tauben u. s. w. Ich dankte Gott, als die Stunde zu Ende ging und überzeugte mich von neuem, daß zum medizinischen Studium und zur Ausübung der ärztlichen Praxis eine ganz besondere Vokation gehöre.
Die erwähnten Mediziner schlossen sich zu einem
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