Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Munde zum Wohllaute. Ohne besonders geistreich zu sein, wußte er seinen Bemerkungen durch die Art des Vortrages einen besonderen Reiz zu geben. Wohl erinnre ich mich, wie er einst sein Glück pries, daß er gar nichts ernsthaftes zu thun habe, und auch nie etwas zu thun wünsche. Die Mischung von Scherz und Ernst in seinen Sätzen war so fein, daß ich nicht dahin gelangen konnte, mein Urtheil über seine wahre Meinung festzustellen.



Die Einrichtung der herzoglichen Zimmer war in Paris wie in Löbichau von der Art, daß man sich beim Betreten derselben alsbald in eine Atmosphäre von Wohlbehagen versetzt fühlte. Das Empfangzimmer, in dem die Gäste sich versammelten, schmückten drei vortreffliche lebensgroße Bildnisse von Gerard, das der Herzogin, das ihrer Tochter Dorothea und das des Fürsten Talleyrand. Ich betrachtete sie recht fleißig, um mir daran die Vorzüge der neuen französischen Malerschule deutlich zu machen. Die Auffassung zeigte bei allen dreien eine sprechende Lebendigkeit, die man mir als einen Hauptvorzug der zahlreichen, in alle Welt zerstreuten Gerardschen Bildnisse rühmte, während bei seinen historischen Darstellungen noch eine überaus harmonische Farbenvertheilung hinzutritt, die selbst der minder gewählten Farbe seines Lehrers David vorgezogen wird. Auf dem Portrait von Talleyrand, der sich stehend hatte malen lassen, durfte man es für eine geschickte Auskunft halten, daß der Künstler die Figur als auf einem Fuße ruhend hingestellt, und durch ein leichtes Vorsetzen des andern Fußes die Lahmheit desselben angedeutet.

Munde zum Wohllaute. Ohne besonders geistreich zu sein, wußte er seinen Bemerkungen durch die Art des Vortrages einen besonderen Reiz zu geben. Wohl erinnre ich mich, wie er einst sein Glück pries, daß er gar nichts ernsthaftes zu thun habe, und auch nie etwas zu thun wünsche. Die Mischung von Scherz und Ernst in seinen Sätzen war so fein, daß ich nicht dahin gelangen konnte, mein Urtheil über seine wahre Meinung festzustellen.



Die Einrichtung der herzoglichen Zimmer war in Paris wie in Löbichau von der Art, daß man sich beim Betreten derselben alsbald in eine Atmosphäre von Wohlbehagen versetzt fühlte. Das Empfangzimmer, in dem die Gäste sich versammelten, schmückten drei vortreffliche lebensgroße Bildnisse von Gérard, das der Herzogin, das ihrer Tochter Dorothea und das des Fürsten Talleyrand. Ich betrachtete sie recht fleißig, um mir daran die Vorzüge der neuen französischen Malerschule deutlich zu machen. Die Auffassung zeigte bei allen dreien eine sprechende Lebendigkeit, die man mir als einen Hauptvorzug der zahlreichen, in alle Welt zerstreuten Gerardschen Bildnisse rühmte, während bei seinen historischen Darstellungen noch eine überaus harmonische Farbenvertheilung hinzutritt, die selbst der minder gewählten Farbe seines Lehrers David vorgezogen wird. Auf dem Portrait von Talleyrand, der sich stehend hatte malen lassen, durfte man es für eine geschickte Auskunft halten, daß der Künstler die Figur als auf einem Fuße ruhend hingestellt, und durch ein leichtes Vorsetzen des andern Fußes die Lahmheit desselben angedeutet.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0432" n="424"/>
Munde zum Wohllaute. Ohne besonders geistreich zu sein, wußte er seinen Bemerkungen durch die Art des Vortrages einen besonderen Reiz zu geben. Wohl erinnre ich mich, wie er einst sein Glück pries, daß er gar nichts ernsthaftes zu thun habe, und auch nie etwas zu thun wünsche. Die Mischung von Scherz und Ernst in seinen Sätzen war so fein, daß ich nicht dahin gelangen konnte, mein Urtheil über seine wahre Meinung festzustellen. </p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Die Einrichtung der herzoglichen Zimmer war in Paris wie in Löbichau von der Art, daß man sich beim Betreten derselben alsbald in eine Atmosphäre von Wohlbehagen versetzt fühlte. Das Empfangzimmer, in dem die Gäste sich versammelten, schmückten drei vortreffliche lebensgroße Bildnisse von Gérard, das der Herzogin, das ihrer Tochter Dorothea und das des Fürsten Talleyrand. Ich betrachtete sie recht fleißig, um mir daran die Vorzüge der neuen französischen Malerschule deutlich zu machen. Die Auffassung zeigte bei allen dreien eine sprechende Lebendigkeit, die man mir als einen Hauptvorzug der zahlreichen, in alle Welt zerstreuten Gerardschen Bildnisse rühmte, während bei seinen historischen Darstellungen noch eine überaus harmonische Farbenvertheilung hinzutritt, die selbst der minder gewählten Farbe seines Lehrers David vorgezogen wird. Auf dem Portrait von Talleyrand, der sich stehend hatte malen lassen, durfte man es für eine geschickte Auskunft halten, daß der Künstler die Figur als auf einem Fuße ruhend hingestellt, und durch ein leichtes Vorsetzen des andern Fußes die Lahmheit desselben angedeutet.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[424/0432] Munde zum Wohllaute. Ohne besonders geistreich zu sein, wußte er seinen Bemerkungen durch die Art des Vortrages einen besonderen Reiz zu geben. Wohl erinnre ich mich, wie er einst sein Glück pries, daß er gar nichts ernsthaftes zu thun habe, und auch nie etwas zu thun wünsche. Die Mischung von Scherz und Ernst in seinen Sätzen war so fein, daß ich nicht dahin gelangen konnte, mein Urtheil über seine wahre Meinung festzustellen. Die Einrichtung der herzoglichen Zimmer war in Paris wie in Löbichau von der Art, daß man sich beim Betreten derselben alsbald in eine Atmosphäre von Wohlbehagen versetzt fühlte. Das Empfangzimmer, in dem die Gäste sich versammelten, schmückten drei vortreffliche lebensgroße Bildnisse von Gérard, das der Herzogin, das ihrer Tochter Dorothea und das des Fürsten Talleyrand. Ich betrachtete sie recht fleißig, um mir daran die Vorzüge der neuen französischen Malerschule deutlich zu machen. Die Auffassung zeigte bei allen dreien eine sprechende Lebendigkeit, die man mir als einen Hauptvorzug der zahlreichen, in alle Welt zerstreuten Gerardschen Bildnisse rühmte, während bei seinen historischen Darstellungen noch eine überaus harmonische Farbenvertheilung hinzutritt, die selbst der minder gewählten Farbe seines Lehrers David vorgezogen wird. Auf dem Portrait von Talleyrand, der sich stehend hatte malen lassen, durfte man es für eine geschickte Auskunft halten, daß der Künstler die Figur als auf einem Fuße ruhend hingestellt, und durch ein leichtes Vorsetzen des andern Fußes die Lahmheit desselben angedeutet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/432
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/432>, abgerufen am 28.11.2024.