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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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Ihrer Gesinnung nach ganz liberal, unterstützte sie getreulich die Herzogin in ihren Kämpfen gegen die Gräfin Chassepot. Wie die meisten Engländer hart protestantisch, hielt Madame Waldron, eben so wie Luther, den Papst für den ächten und rechten Antichrist. Als ich einst diese allzuschroffe Gesinnung etwas zu lindern suchte, und einiges zu Gunsten des Papstthumes fallen ließ, brachte sie mir am nächsten Tage einen dicken englischen Quartanten: History of the bishops of Rome, mit der Zumuthung, ihn durchzulesen, um mich von der Verderblichkeit des Papismus zu überzeugen.

Bald nach der Ankunft der Herzogin meldete der Kammerdiener, als wir eben beim Frühstücke saßen: Le prince de Rohan! - Faites entrer! Und herein tanzte ein kleiner breitschultriger Herr von mittleren Jahren, dessen Anzug keine übermäßige Sorgfalt verrieth, überschüttete die Herzogin mit einem Schwalle von Komplimenten über ihr unverändert jugendliches Aussehn, nahm neben ihr Platz und bemächtigte sich ohne weiteres der Konversation. Es war dies der erste Gemahl der Herzogin von Sagan, von dem sie nach kurzer Zeit gegen eine ihm gezahlte Abstandsumme von 100,000 Thlrn. getrennt ward. Er gehörte zu den allerheftigsten Legitimisten, emigrirte in der ersten Revolution mit den bourbonischen Prinzen und trat in östreichische Dienste. Hier befehligte er einen großen Schwarm von Kroaten, deren äußere und innere Eigenschaften er in sehr launiger Weise beschrieb. Bei der Unmöglichkeit sich mit seinen Soldaten zu verständigen - denn er konnte diesen Wilden unmöglich zumuthen, französisch zu verstehn, so wenig als er selbst Neigung fühlte, das kroatische Idiom zu lernen - bediente er sich

Ihrer Gesinnung nach ganz liberal, unterstützte sie getreulich die Herzogin in ihren Kämpfen gegen die Gräfin Chassepot. Wie die meisten Engländer hart protestantisch, hielt Madame Waldron, eben so wie Luther, den Papst für den ächten und rechten Antichrist. Als ich einst diese allzuschroffe Gesinnung etwas zu lindern suchte, und einiges zu Gunsten des Papstthumes fallen ließ, brachte sie mir am nächsten Tage einen dicken englischen Quartanten: History of the bishops of Rome, mit der Zumuthung, ihn durchzulesen, um mich von der Verderblichkeit des Papismus zu überzeugen.

Bald nach der Ankunft der Herzogin meldete der Kammerdiener, als wir eben beim Frühstücke saßen: Le prince de Rohan! – Faites entrer! Und herein tanzte ein kleiner breitschultriger Herr von mittleren Jahren, dessen Anzug keine übermäßige Sorgfalt verrieth, überschüttete die Herzogin mit einem Schwalle von Komplimenten über ihr unverändert jugendliches Aussehn, nahm neben ihr Platz und bemächtigte sich ohne weiteres der Konversation. Es war dies der erste Gemahl der Herzogin von Sagan, von dem sie nach kurzer Zeit gegen eine ihm gezahlte Abstandsumme von 100,000 Thlrn. getrennt ward. Er gehörte zu den allerheftigsten Legitimisten, emigrirte in der ersten Revolution mit den bourbonischen Prinzen und trat in östreichische Dienste. Hier befehligte er einen großen Schwarm von Kroaten, deren äußere und innere Eigenschaften er in sehr launiger Weise beschrieb. Bei der Unmöglichkeit sich mit seinen Soldaten zu verständigen – denn er konnte diesen Wilden unmöglich zumuthen, französisch zu verstehn, so wenig als er selbst Neigung fühlte, das kroatische Idiom zu lernen – bediente er sich

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Ihrer Gesinnung nach ganz liberal, unterstützte sie getreulich die Herzogin in ihren Kämpfen gegen die Gräfin Chassepot. Wie die meisten Engländer hart protestantisch, hielt Madame Waldron, eben so wie Luther, den Papst für den ächten und rechten Antichrist. Als ich einst diese allzuschroffe Gesinnung etwas zu lindern suchte, und einiges zu Gunsten des Papstthumes fallen ließ, brachte sie mir am nächsten Tage einen dicken englischen Quartanten: History of the bishops of Rome, mit der Zumuthung, ihn durchzulesen, um mich von der Verderblichkeit des Papismus zu überzeugen. </p><lb/>
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[420/0428] Ihrer Gesinnung nach ganz liberal, unterstützte sie getreulich die Herzogin in ihren Kämpfen gegen die Gräfin Chassepot. Wie die meisten Engländer hart protestantisch, hielt Madame Waldron, eben so wie Luther, den Papst für den ächten und rechten Antichrist. Als ich einst diese allzuschroffe Gesinnung etwas zu lindern suchte, und einiges zu Gunsten des Papstthumes fallen ließ, brachte sie mir am nächsten Tage einen dicken englischen Quartanten: History of the bishops of Rome, mit der Zumuthung, ihn durchzulesen, um mich von der Verderblichkeit des Papismus zu überzeugen. Bald nach der Ankunft der Herzogin meldete der Kammerdiener, als wir eben beim Frühstücke saßen: Le prince de Rohan! – Faites entrer! Und herein tanzte ein kleiner breitschultriger Herr von mittleren Jahren, dessen Anzug keine übermäßige Sorgfalt verrieth, überschüttete die Herzogin mit einem Schwalle von Komplimenten über ihr unverändert jugendliches Aussehn, nahm neben ihr Platz und bemächtigte sich ohne weiteres der Konversation. Es war dies der erste Gemahl der Herzogin von Sagan, von dem sie nach kurzer Zeit gegen eine ihm gezahlte Abstandsumme von 100,000 Thlrn. getrennt ward. Er gehörte zu den allerheftigsten Legitimisten, emigrirte in der ersten Revolution mit den bourbonischen Prinzen und trat in östreichische Dienste. Hier befehligte er einen großen Schwarm von Kroaten, deren äußere und innere Eigenschaften er in sehr launiger Weise beschrieb. Bei der Unmöglichkeit sich mit seinen Soldaten zu verständigen – denn er konnte diesen Wilden unmöglich zumuthen, französisch zu verstehn, so wenig als er selbst Neigung fühlte, das kroatische Idiom zu lernen – bediente er sich

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/428>, abgerufen am 24.11.2024.