Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Paris. Lyon. London. 1820. 1821. Von Heidelberg ging die Reise weiter über Saarbrücken, Metz, S. Menehould, Epernay und Meaux. Am 9. Nov. 1820 erreichten wir Paris. Ich war etwas vorausgefahren und erwartete die Herzogin an ihrem Hotel. Dankbar wollte ich nun Abschied nehmen, aber wie ward mir zu Muthe, als sie mir mit dem grösten Wohlwollen sagte, sie erwarte mich morgen und alle folgenden Tage um 12 Uhr zum Dejeuner und um 6 Uhr zum Diner. Meine Ueberraschung machte mich fast stumm, aber an eine Ablehnung war gar nicht zu denken. Auf dem Wege nach meiner Wohnung, die ganz in der Nähe lag, überdachte ich das neue Verhältniß und suchte dieser unerwarteten Gunst gegenüber Stellung zu nehmen. Durch die Einführung in einen so vornehmen Kreis durfte ich hoffen, nicht bloß die feinste pariser Gesellschaft kennen zu lernen, sondern auch für meine eigne Bildung viel zu gewinnen. Daneben drängte sich die Betrachtung auf, daß ich in solche Umgebung nicht gehöre, und darin nie einen Platz einnehmen werde. Da die Mitglieder jener haute volee gewiß von mir dasselbe dachten, so schien es mir unerträglich, mich über die Achsel ansehn zu lassen, und ich beschloß, in solchen Fällen wie ein Igel nach allen Seiten Stacheln vor- Paris. Lyon. London. 1820. 1821. Von Heidelberg ging die Reise weiter über Saarbrücken, Metz, S. Menehould, Epernay und Meaux. Am 9. Nov. 1820 erreichten wir Paris. Ich war etwas vorausgefahren und erwartete die Herzogin an ihrem Hotel. Dankbar wollte ich nun Abschied nehmen, aber wie ward mir zu Muthe, als sie mir mit dem grösten Wohlwollen sagte, sie erwarte mich morgen und alle folgenden Tage um 12 Uhr zum Dejeuner und um 6 Uhr zum Diner. Meine Ueberraschung machte mich fast stumm, aber an eine Ablehnung war gar nicht zu denken. Auf dem Wege nach meiner Wohnung, die ganz in der Nähe lag, überdachte ich das neue Verhältniß und suchte dieser unerwarteten Gunst gegenüber Stellung zu nehmen. Durch die Einführung in einen so vornehmen Kreis durfte ich hoffen, nicht bloß die feinste pariser Gesellschaft kennen zu lernen, sondern auch für meine eigne Bildung viel zu gewinnen. Daneben drängte sich die Betrachtung auf, daß ich in solche Umgebung nicht gehöre, und darin nie einen Platz einnehmen werde. Da die Mitglieder jener haute volée gewiß von mir dasselbe dachten, so schien es mir unerträglich, mich über die Achsel ansehn zu lassen, und ich beschloß, in solchen Fällen wie ein Igel nach allen Seiten Stacheln vor- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0420" n="412"/> <div n="1"> <head rendition="#c">Paris. Lyon. London. 1820. 1821.</head><lb/> <p>Von Heidelberg ging die Reise weiter über Saarbrücken, Metz, S. Menehould, Epernay und Meaux. Am 9. Nov. 1820 erreichten wir Paris. Ich war etwas vorausgefahren und erwartete die Herzogin an ihrem Hotel. Dankbar wollte ich nun Abschied nehmen, aber wie ward mir zu Muthe, als sie mir mit dem grösten Wohlwollen sagte, sie erwarte mich morgen und alle folgenden Tage um 12 Uhr zum Dejeuner und um 6 Uhr zum Diner. Meine Ueberraschung machte mich fast stumm, aber an eine Ablehnung war gar nicht zu denken. Auf dem Wege nach meiner Wohnung, die ganz in der Nähe lag, überdachte ich das neue Verhältniß und suchte dieser unerwarteten Gunst gegenüber Stellung zu nehmen. Durch die Einführung in einen so vornehmen Kreis durfte ich hoffen, nicht bloß die feinste pariser Gesellschaft kennen zu lernen, sondern auch für meine eigne Bildung viel zu gewinnen. Daneben drängte sich die Betrachtung auf, daß ich in solche Umgebung nicht gehöre, und darin nie einen Platz einnehmen werde. Da die Mitglieder jener haute volée gewiß von mir dasselbe dachten, so schien es mir unerträglich, mich über die Achsel ansehn zu lassen, und ich beschloß, in solchen Fällen wie ein Igel nach allen Seiten Stacheln vor- </p> </div> </body> </text> </TEI> [412/0420]
Paris. Lyon. London. 1820. 1821.
Von Heidelberg ging die Reise weiter über Saarbrücken, Metz, S. Menehould, Epernay und Meaux. Am 9. Nov. 1820 erreichten wir Paris. Ich war etwas vorausgefahren und erwartete die Herzogin an ihrem Hotel. Dankbar wollte ich nun Abschied nehmen, aber wie ward mir zu Muthe, als sie mir mit dem grösten Wohlwollen sagte, sie erwarte mich morgen und alle folgenden Tage um 12 Uhr zum Dejeuner und um 6 Uhr zum Diner. Meine Ueberraschung machte mich fast stumm, aber an eine Ablehnung war gar nicht zu denken. Auf dem Wege nach meiner Wohnung, die ganz in der Nähe lag, überdachte ich das neue Verhältniß und suchte dieser unerwarteten Gunst gegenüber Stellung zu nehmen. Durch die Einführung in einen so vornehmen Kreis durfte ich hoffen, nicht bloß die feinste pariser Gesellschaft kennen zu lernen, sondern auch für meine eigne Bildung viel zu gewinnen. Daneben drängte sich die Betrachtung auf, daß ich in solche Umgebung nicht gehöre, und darin nie einen Platz einnehmen werde. Da die Mitglieder jener haute volée gewiß von mir dasselbe dachten, so schien es mir unerträglich, mich über die Achsel ansehn zu lassen, und ich beschloß, in solchen Fällen wie ein Igel nach allen Seiten Stacheln vor-
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