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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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fest eingetragenen Kapitalien eine willkührliche Skala, nach welcher nur die urältesten Hypotheken ihren vollen Werth behielten, die jüngeren in absteigender Folge immer mehr verloren, und die allerjüngsten ganz werthlos wurden. Wenn in jener traurigen Zeit ein begüterter Rentner plötzlich brodtlos ward, so sagten seine Freunde achselzuckend: er ist halt in die Skala gefallen! Dies war bei den Bechererschen Geldern auch der Fall gewesen, und jede Aussicht auf Ersatz durch den unter kaiserlicher Autorität erklärten Bankerot für immer ausgeschlossen.

Nur zu bald verließen uns die liebenswürdigen Bechererschen Eheleute, um nach ihrem schönen Gute Mesow im Spreewalde abzureisen. Bei wiederholten Besuchen in der Hauptstadt erhielt sich der freundliche Umgang in unverminderter Lebendigkeit. Als Tante Jettchen später in Mesow einen Besuch gemacht, unterhielt sie uns manchen Abend durch anziehende Erzählungen von dem weitverzweigten Wassernetze der Spree, wo der meiste Verkehr auf Kähnen stattfindet, von der Wohnlichkeit des Bechererschen Landsitzes, von dem überschwänglichen Reichthume der Gegend an nutzbaren Pflanzungen, von der wunderbaren Aussicht auf der Spitze des Kirchthurmes zu Lübben, wo die gelben, rothen, braunen, blauen Gemüsefelder, wie eine Musterkarte von Farben bis an den fernsten flachen Horizont sich ausdehnen.



Während meines kurzen Aufenthaltes in Berlin wurden im akustischen Gartensaale einige Musiken gegeben, unter denen der Don Juan obenan stand. Aller solcher mit den schon erwähnten ausgezeichneten Kräften unter Kleins

fest eingetragenen Kapitalien eine willkührliche Skala, nach welcher nur die urältesten Hypotheken ihren vollen Werth behielten, die jüngeren in absteigender Folge immer mehr verloren, und die allerjüngsten ganz werthlos wurden. Wenn in jener traurigen Zeit ein begüterter Rentner plötzlich brodtlos ward, so sagten seine Freunde achselzuckend: er ist halt in die Skala gefallen! Dies war bei den Bechererschen Geldern auch der Fall gewesen, und jede Aussicht auf Ersatz durch den unter kaiserlicher Autorität erklärten Bankerot für immer ausgeschlossen.

Nur zu bald verließen uns die liebenswürdigen Bechererschen Eheleute, um nach ihrem schönen Gute Mesow im Spreewalde abzureisen. Bei wiederholten Besuchen in der Hauptstadt erhielt sich der freundliche Umgang in unverminderter Lebendigkeit. Als Tante Jettchen später in Mesow einen Besuch gemacht, unterhielt sie uns manchen Abend durch anziehende Erzählungen von dem weitverzweigten Wassernetze der Spree, wo der meiste Verkehr auf Kähnen stattfindet, von der Wohnlichkeit des Bechererschen Landsitzes, von dem überschwänglichen Reichthume der Gegend an nutzbaren Pflanzungen, von der wunderbaren Aussicht auf der Spitze des Kirchthurmes zu Lübben, wo die gelben, rothen, braunen, blauen Gemüsefelder, wie eine Musterkarte von Farben bis an den fernsten flachen Horizont sich ausdehnen.



Während meines kurzen Aufenthaltes in Berlin wurden im akustischen Gartensaale einige Musiken gegeben, unter denen der Don Juan obenan stand. Aller solcher mit den schon erwähnten ausgezeichneten Kräften unter Kleins

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[405/0413] fest eingetragenen Kapitalien eine willkührliche Skala, nach welcher nur die urältesten Hypotheken ihren vollen Werth behielten, die jüngeren in absteigender Folge immer mehr verloren, und die allerjüngsten ganz werthlos wurden. Wenn in jener traurigen Zeit ein begüterter Rentner plötzlich brodtlos ward, so sagten seine Freunde achselzuckend: er ist halt in die Skala gefallen! Dies war bei den Bechererschen Geldern auch der Fall gewesen, und jede Aussicht auf Ersatz durch den unter kaiserlicher Autorität erklärten Bankerot für immer ausgeschlossen. Nur zu bald verließen uns die liebenswürdigen Bechererschen Eheleute, um nach ihrem schönen Gute Mesow im Spreewalde abzureisen. Bei wiederholten Besuchen in der Hauptstadt erhielt sich der freundliche Umgang in unverminderter Lebendigkeit. Als Tante Jettchen später in Mesow einen Besuch gemacht, unterhielt sie uns manchen Abend durch anziehende Erzählungen von dem weitverzweigten Wassernetze der Spree, wo der meiste Verkehr auf Kähnen stattfindet, von der Wohnlichkeit des Bechererschen Landsitzes, von dem überschwänglichen Reichthume der Gegend an nutzbaren Pflanzungen, von der wunderbaren Aussicht auf der Spitze des Kirchthurmes zu Lübben, wo die gelben, rothen, braunen, blauen Gemüsefelder, wie eine Musterkarte von Farben bis an den fernsten flachen Horizont sich ausdehnen. Während meines kurzen Aufenthaltes in Berlin wurden im akustischen Gartensaale einige Musiken gegeben, unter denen der Don Juan obenan stand. Aller solcher mit den schon erwähnten ausgezeichneten Kräften unter Kleins

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/413>, abgerufen am 24.11.2024.