Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Bibliothek oder einer Bildersamlung unerläßlich ist: denn Paul, der sonst den Beinamen des Bücherwurmes mit Recht führte, zog es vor, dem leichtbeschwingten Kreise der jungen Damen sich anzuschließen. Aber bald kam es anders. Gustav, rief meine Schwester eines Abends mich an, wo hast du heute den ganzen Vormittag gesteckt? Wir beide, Emilie und ich wollten dich zu einem Morgenspaziergange auffordern, mußten uns aber mit Paul begnügen. Das wahre Glück, erwiederte Paul, ist die Genügsamkeit "und die Genügsamkeit hat überall genug." Ich steckte, war meine Antwort, in der Bibliothek, werde aber morgen diesen Lieblingsaufenthalt verlassen, um mich den Damen zur Disposition zu stellen. Nein, nein, rief Emilie, wir holen Sie morgen aus der Bibliothek ab, und bei dieser Gelegenheit werden wir gleich sehn, was für Bücher Sie lesen. So geschah es denn auch am folgenden Morgen und öfter. Die klösterliche Stille hatte nun angehört. Als die Damen eintrafen, nahm ich Jean Pauls Flegeljahre zur Hand, und brachte sie durch die Versicherung zum Lachen, daß ich mich in Gedanken öfter mit Vult vergleiche, obschon ich weder ein Flötenvirtuos, noch ein schwarzäugiger pockennarbiger Krauskopf sei. Dies führte das Gespräch auf meinen Liebling Jean Paul, der im vorigen Sommer als Gast in Löbichau verweilte, und von dem Emilie mancherlei anziehendes zu erzählen wußte. Von schlanker Gestalt und von geschmeidigen Bewegungen sei er eben nicht gewesen, und seine Toilette habe in Bezug auf die Wäsche je zuweilen die glättende Sorgfalt einer weiblichen Hand vermissen lassen. Daß er seinen unzertrennlichen Gefährten, den Pudel, mit Bibliothek oder einer Bildersamlung unerläßlich ist: denn Paul, der sonst den Beinamen des Bücherwurmes mit Recht führte, zog es vor, dem leichtbeschwingten Kreise der jungen Damen sich anzuschließen. Aber bald kam es anders. Gustav, rief meine Schwester eines Abends mich an, wo hast du heute den ganzen Vormittag gesteckt? Wir beide, Emilie und ich wollten dich zu einem Morgenspaziergange auffordern, mußten uns aber mit Paul begnügen. Das wahre Glück, erwiederte Paul, ist die Genügsamkeit „und die Genügsamkeit hat überall genug.“ Ich steckte, war meine Antwort, in der Bibliothek, werde aber morgen diesen Lieblingsaufenthalt verlassen, um mich den Damen zur Disposition zu stellen. Nein, nein, rief Emilie, wir holen Sie morgen aus der Bibliothek ab, und bei dieser Gelegenheit werden wir gleich sehn, was für Bücher Sie lesen. So geschah es denn auch am folgenden Morgen und öfter. Die klösterliche Stille hatte nun angehört. Als die Damen eintrafen, nahm ich Jean Pauls Flegeljahre zur Hand, und brachte sie durch die Versicherung zum Lachen, daß ich mich in Gedanken öfter mit Vult vergleiche, obschon ich weder ein Flötenvirtuos, noch ein schwarzäugiger pockennarbiger Krauskopf sei. Dies führte das Gespräch auf meinen Liebling Jean Paul, der im vorigen Sommer als Gast in Löbichau verweilte, und von dem Emilie mancherlei anziehendes zu erzählen wußte. Von schlanker Gestalt und von geschmeidigen Bewegungen sei er eben nicht gewesen, und seine Toilette habe in Bezug auf die Wäsche je zuweilen die glättende Sorgfalt einer weiblichen Hand vermissen lassen. Daß er seinen unzertrennlichen Gefährten, den Pudel, mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0401" n="393"/> Bibliothek oder einer Bildersamlung unerläßlich ist: denn Paul, der sonst den Beinamen des Bücherwurmes mit Recht führte, zog es vor, dem leichtbeschwingten Kreise der jungen Damen sich anzuschließen. Aber bald kam es anders. </p><lb/> <p>Gustav, rief meine Schwester eines Abends mich an, wo hast du heute den ganzen Vormittag gesteckt? 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Bibliothek oder einer Bildersamlung unerläßlich ist: denn Paul, der sonst den Beinamen des Bücherwurmes mit Recht führte, zog es vor, dem leichtbeschwingten Kreise der jungen Damen sich anzuschließen. Aber bald kam es anders.
Gustav, rief meine Schwester eines Abends mich an, wo hast du heute den ganzen Vormittag gesteckt? Wir beide, Emilie und ich wollten dich zu einem Morgenspaziergange auffordern, mußten uns aber mit Paul begnügen.
Das wahre Glück, erwiederte Paul, ist die Genügsamkeit „und die Genügsamkeit hat überall genug.“
Ich steckte, war meine Antwort, in der Bibliothek, werde aber morgen diesen Lieblingsaufenthalt verlassen, um mich den Damen zur Disposition zu stellen.
Nein, nein, rief Emilie, wir holen Sie morgen aus der Bibliothek ab, und bei dieser Gelegenheit werden wir gleich sehn, was für Bücher Sie lesen.
So geschah es denn auch am folgenden Morgen und öfter. Die klösterliche Stille hatte nun angehört. Als die Damen eintrafen, nahm ich Jean Pauls Flegeljahre zur Hand, und brachte sie durch die Versicherung zum Lachen, daß ich mich in Gedanken öfter mit Vult vergleiche, obschon ich weder ein Flötenvirtuos, noch ein schwarzäugiger pockennarbiger Krauskopf sei.
Dies führte das Gespräch auf meinen Liebling Jean Paul, der im vorigen Sommer als Gast in Löbichau verweilte, und von dem Emilie mancherlei anziehendes zu erzählen wußte. Von schlanker Gestalt und von geschmeidigen Bewegungen sei er eben nicht gewesen, und seine Toilette habe in Bezug auf die Wäsche je zuweilen die glättende Sorgfalt einer weiblichen Hand vermissen lassen. Daß er seinen unzertrennlichen Gefährten, den Pudel, mit
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