Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].war aber weit davon entfernt, die polnische Nationalität vernichten zu wollen, er begnügte sich mit einer einfachen Personalunion, und machte seinen Bruder Konstantin zum Vicekönig von Polen. Womit sollte nun Preußen für seine heldenmüthigen Anstrengungen abgefunden werden? Man dachte anfangs daran, ihm Sachsen und Hannover zuzutheilen, allein auf Hannover erhob England seine Familienansprüche, und für Sachsens Erhaltung kämpfte besonders Talleyrand, der gleich anfangs den verfänglichen Grundsatz aufstellte, daß kein legitimer Monarch seines Landes ganz beraubt werden dürfe. Es wurde der Vorschlag gemacht, den König von Sachsen am Rheine zu entschädigen, und dies schien vielen sehr annehmlich, weil das bigotte katholische Regentenhaus, das in dem protestantischen Sachsen niemals festen Fuß fassen konnte, dort am Rhein lauter katholische Unterthanen erhalten hätte. Auch dieser Ausweg erhielt keinen Beiall. Das Königreich Sachsen wurde nicht ganz mediatisirt, aber was noch schlimmer war, getheilt. Es hieß, daß Talleyrand, der das Geld übermäßig liebte, für seine thätige Beihülfe vom Könige von Sachsen eine Million Thaler, oder nach einem anderen Berichte, eine Million Dukaten erhalten habe. Dacht' ich's doch, daß es so kommen werde! rief der Grosvater Eichmann bei dieser Nachricht. Da möchte man ja wünschen, daß der alte Blücher den lahmen Mephistopheles mitsammt der Brücke von Jena in die Luft gesprengt hätte! Es ging damals die Anekdote von Mund zu Munde, daß Blücher im Frühjahr 1814 die Brücke von Jena in Paris "wegen ihres niederträchtigen Namens" wollte in die Luft sprengen lassen. Vergebens waren die Vor- war aber weit davon entfernt, die polnische Nationalität vernichten zu wollen, er begnügte sich mit einer einfachen Personalunion, und machte seinen Bruder Konstantin zum Vicekönig von Polen. Womit sollte nun Preußen für seine heldenmüthigen Anstrengungen abgefunden werden? Man dachte anfangs daran, ihm Sachsen und Hannover zuzutheilen, allein auf Hannover erhob England seine Familienansprüche, und für Sachsens Erhaltung kämpfte besonders Talleyrand, der gleich anfangs den verfänglichen Grundsatz aufstellte, daß kein legitimer Monarch seines Landes ganz beraubt werden dürfe. Es wurde der Vorschlag gemacht, den König von Sachsen am Rheine zu entschädigen, und dies schien vielen sehr annehmlich, weil das bigotte katholische Regentenhaus, das in dem protestantischen Sachsen niemals festen Fuß fassen konnte, dort am Rhein lauter katholische Unterthanen erhalten hätte. Auch dieser Ausweg erhielt keinen Beiall. Das Königreich Sachsen wurde nicht ganz mediatisirt, aber was noch schlimmer war, getheilt. Es hieß, daß Talleyrand, der das Geld übermäßig liebte, für seine thätige Beihülfe vom Könige von Sachsen eine Million Thaler, oder nach einem anderen Berichte, eine Million Dukaten erhalten habe. Dacht’ ich’s doch, daß es so kommen werde! rief der Grosvater Eichmann bei dieser Nachricht. Da möchte man ja wünschen, daß der alte Blücher den lahmen Mephistopheles mitsammt der Brücke von Jena in die Luft gesprengt hätte! Es ging damals die Anekdote von Mund zu Munde, daß Blücher im Frühjahr 1814 die Brücke von Jena in Paris „wegen ihres niederträchtigen Namens“ wollte in die Luft sprengen lassen. Vergebens waren die Vor- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0040" n="32"/> war aber weit davon entfernt, die polnische Nationalität vernichten zu wollen, er begnügte sich mit einer einfachen Personalunion, und machte seinen Bruder Konstantin zum Vicekönig von Polen. </p><lb/> <p>Womit sollte nun Preußen für seine heldenmüthigen Anstrengungen abgefunden werden? Man dachte anfangs daran, ihm Sachsen und Hannover zuzutheilen, allein auf Hannover erhob England seine Familienansprüche, und für Sachsens Erhaltung kämpfte besonders Talleyrand, der gleich anfangs den verfänglichen Grundsatz aufstellte, daß kein legitimer Monarch seines Landes ganz beraubt werden dürfe. Es wurde der Vorschlag gemacht, den König von Sachsen am Rheine zu entschädigen, und dies schien vielen sehr annehmlich, weil das bigotte katholische Regentenhaus, das in dem protestantischen Sachsen niemals festen Fuß fassen konnte, dort am Rhein lauter katholische Unterthanen erhalten hätte. Auch dieser Ausweg erhielt keinen Beiall. Das Königreich Sachsen wurde nicht ganz mediatisirt, aber was noch schlimmer war, getheilt. Es hieß, daß Talleyrand, der das Geld übermäßig liebte, für seine thätige Beihülfe vom Könige von Sachsen eine Million Thaler, oder nach einem anderen Berichte, eine Million Dukaten erhalten habe. </p><lb/> <p>Dacht’ ich’s doch, daß es so kommen werde! rief der Grosvater Eichmann bei dieser Nachricht. Da möchte man ja wünschen, daß der alte Blücher den lahmen Mephistopheles mitsammt der Brücke von Jena in die Luft gesprengt hätte! Es ging damals die Anekdote von Mund zu Munde, daß Blücher im Frühjahr 1814 die Brücke von Jena in Paris „wegen ihres niederträchtigen Namens“ wollte in die Luft sprengen lassen. Vergebens waren die Vor- </p> </div> </body> </text> </TEI> [32/0040]
war aber weit davon entfernt, die polnische Nationalität vernichten zu wollen, er begnügte sich mit einer einfachen Personalunion, und machte seinen Bruder Konstantin zum Vicekönig von Polen.
Womit sollte nun Preußen für seine heldenmüthigen Anstrengungen abgefunden werden? Man dachte anfangs daran, ihm Sachsen und Hannover zuzutheilen, allein auf Hannover erhob England seine Familienansprüche, und für Sachsens Erhaltung kämpfte besonders Talleyrand, der gleich anfangs den verfänglichen Grundsatz aufstellte, daß kein legitimer Monarch seines Landes ganz beraubt werden dürfe. Es wurde der Vorschlag gemacht, den König von Sachsen am Rheine zu entschädigen, und dies schien vielen sehr annehmlich, weil das bigotte katholische Regentenhaus, das in dem protestantischen Sachsen niemals festen Fuß fassen konnte, dort am Rhein lauter katholische Unterthanen erhalten hätte. Auch dieser Ausweg erhielt keinen Beiall. Das Königreich Sachsen wurde nicht ganz mediatisirt, aber was noch schlimmer war, getheilt. Es hieß, daß Talleyrand, der das Geld übermäßig liebte, für seine thätige Beihülfe vom Könige von Sachsen eine Million Thaler, oder nach einem anderen Berichte, eine Million Dukaten erhalten habe.
Dacht’ ich’s doch, daß es so kommen werde! rief der Grosvater Eichmann bei dieser Nachricht. Da möchte man ja wünschen, daß der alte Blücher den lahmen Mephistopheles mitsammt der Brücke von Jena in die Luft gesprengt hätte! Es ging damals die Anekdote von Mund zu Munde, daß Blücher im Frühjahr 1814 die Brücke von Jena in Paris „wegen ihres niederträchtigen Namens“ wollte in die Luft sprengen lassen. Vergebens waren die Vor-
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/40>, abgerufen am 16.02.2025. |