Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Natur um uns her forderte zu immer neuer Bewunderung auf. Aus Lillis Briefen hatte ich nicht abnehmen können, ob Kleins Bewerbungen von Erfolg gewesen; hier gestand sie mir unumwunden, daß sie sein schönes musikalisches Talent aufs höchste schätze, aber sonst keine Neigung für ihn empfinde. Unsre Freude ward noch erhöht durch die Ankunft der beiden kunstreichen Schwestern aus Berlin, Justizräthin Krause und Auguste Sebald. Daß solche Gesangskräfte für den Thibautschen Verein nicht verloren sein dürften, verstand sich von selbst. Thibaut machte auch eine Ausnahme von seiner sonst strengen Regel, indem er an einem Donnerstag die Fremden als Gäste Theil nehmen ließ. Auguste sang eine Sopranpartie mit gewohnter Meisterschaft vom Blatte, und brachte am Schlusse bei der Kadenz einen ganz tadellosen Triller an. Thibaut zeigte sich außerordentlich befriedigt und dankbar, aber als wir am nächsten Donnerstage wieder unter uns waren, und die vorige Leistung durchgesprochen wurde, sagte er sich im Kopfe krauend mit dem ihm eignen verschmitzten Lächeln: "Schöne Stimme! schöner seelenvoller Vortrag! aber - der verdammte Triller! der paßte doch gar nicht zu dem Ernste der Komposition!" Und er hatte Recht. Von Heidelberg reisten meine Aeltern auf wenige Tage nach Strasburg. Mein Vater hoffte einige alte Freunde zu sehn, und er fand wirklich nach 42 Jahren den Pastor Blessig noch am Leben, den er im Jahre 1778 gekannt, der sich bei dem Tode des Grafen Friedrich von Medem so theilnehmend bewiesen, und dessen Lebensbeschreibung, wie ich schon erwähnte, im Jahre 1792 herausgegeben. Unterdessen packten wir in Heidelberg unsre Bücher- Natur um uns her forderte zu immer neuer Bewunderung auf. Aus Lillis Briefen hatte ich nicht abnehmen können, ob Kleins Bewerbungen von Erfolg gewesen; hier gestand sie mir unumwunden, daß sie sein schönes musikalisches Talent aufs höchste schätze, aber sonst keine Neigung für ihn empfinde. Unsre Freude ward noch erhöht durch die Ankunft der beiden kunstreichen Schwestern aus Berlin, Justizräthin Krause und Auguste Sebald. Daß solche Gesangskräfte für den Thibautschen Verein nicht verloren sein dürften, verstand sich von selbst. Thibaut machte auch eine Ausnahme von seiner sonst strengen Regel, indem er an einem Donnerstag die Fremden als Gäste Theil nehmen ließ. Auguste sang eine Sopranpartie mit gewohnter Meisterschaft vom Blatte, und brachte am Schlusse bei der Kadenz einen ganz tadellosen Triller an. Thibaut zeigte sich außerordentlich befriedigt und dankbar, aber als wir am nächsten Donnerstage wieder unter uns waren, und die vorige Leistung durchgesprochen wurde, sagte er sich im Kopfe krauend mit dem ihm eignen verschmitzten Lächeln: „Schöne Stimme! schöner seelenvoller Vortrag! aber – der verdammte Triller! der paßte doch gar nicht zu dem Ernste der Komposition!“ Und er hatte Recht. Von Heidelberg reisten meine Aeltern auf wenige Tage nach Strasburg. Mein Vater hoffte einige alte Freunde zu sehn, und er fand wirklich nach 42 Jahren den Pastor Blessig noch am Leben, den er im Jahre 1778 gekannt, der sich bei dem Tode des Grafen Friedrich von Medem so theilnehmend bewiesen, und dessen Lebensbeschreibung, wie ich schon erwähnte, im Jahre 1792 herausgegeben. Unterdessen packten wir in Heidelberg unsre Bücher- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0393" n="385"/> Natur um uns her forderte zu immer neuer Bewunderung auf. 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Thibaut zeigte sich außerordentlich befriedigt und dankbar, aber als wir am nächsten Donnerstage wieder unter uns waren, und die vorige Leistung durchgesprochen wurde, sagte er sich im Kopfe krauend mit dem ihm eignen verschmitzten Lächeln: „Schöne Stimme! schöner seelenvoller Vortrag! aber – der verdammte Triller! der paßte doch gar nicht zu dem Ernste der Komposition!“ Und er hatte Recht. </p><lb/> <p>Von Heidelberg reisten meine Aeltern auf wenige Tage nach Strasburg. Mein Vater hoffte einige alte Freunde zu sehn, und er fand wirklich nach 42 Jahren den Pastor Blessig noch am Leben, den er im Jahre 1778 gekannt, der sich bei dem Tode des Grafen Friedrich von Medem so theilnehmend bewiesen, und dessen Lebensbeschreibung, wie ich schon erwähnte, im Jahre 1792 herausgegeben. </p><lb/> <p>Unterdessen packten wir in Heidelberg unsre Bücher- </p> </div> </body> </text> </TEI> [385/0393]
Natur um uns her forderte zu immer neuer Bewunderung auf. Aus Lillis Briefen hatte ich nicht abnehmen können, ob Kleins Bewerbungen von Erfolg gewesen; hier gestand sie mir unumwunden, daß sie sein schönes musikalisches Talent aufs höchste schätze, aber sonst keine Neigung für ihn empfinde.
Unsre Freude ward noch erhöht durch die Ankunft der beiden kunstreichen Schwestern aus Berlin, Justizräthin Krause und Auguste Sebald. Daß solche Gesangskräfte für den Thibautschen Verein nicht verloren sein dürften, verstand sich von selbst. Thibaut machte auch eine Ausnahme von seiner sonst strengen Regel, indem er an einem Donnerstag die Fremden als Gäste Theil nehmen ließ. Auguste sang eine Sopranpartie mit gewohnter Meisterschaft vom Blatte, und brachte am Schlusse bei der Kadenz einen ganz tadellosen Triller an. Thibaut zeigte sich außerordentlich befriedigt und dankbar, aber als wir am nächsten Donnerstage wieder unter uns waren, und die vorige Leistung durchgesprochen wurde, sagte er sich im Kopfe krauend mit dem ihm eignen verschmitzten Lächeln: „Schöne Stimme! schöner seelenvoller Vortrag! aber – der verdammte Triller! der paßte doch gar nicht zu dem Ernste der Komposition!“ Und er hatte Recht.
Von Heidelberg reisten meine Aeltern auf wenige Tage nach Strasburg. Mein Vater hoffte einige alte Freunde zu sehn, und er fand wirklich nach 42 Jahren den Pastor Blessig noch am Leben, den er im Jahre 1778 gekannt, der sich bei dem Tode des Grafen Friedrich von Medem so theilnehmend bewiesen, und dessen Lebensbeschreibung, wie ich schon erwähnte, im Jahre 1792 herausgegeben.
Unterdessen packten wir in Heidelberg unsre Bücher-
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