Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].hoben sein würden. Von Bestrafung der Schuldigen oder auch nur der Anstifter war gar keine Rede; es wurden ein paar allgemeine Studentenversamlungen gehalten, in denen Reventlow durch flammende Reden glänzte. Zum Schlusse des Dramas zahlte jeder Student 2 Fl. 45 Kr. als Schadenersatz, gewiß eine mäßige Buße für den rohen jugendlichen Muthwillen. Die Erstürmung des Großen Fasses hat lange Zeit als denkwürdiges Ereigniß im Gedächtnisse der heidelberger Bürger fortgelebt. Das mannheimer Theater stand unter Ifflands Leitung am Ende des 18. Jahrhunderts in höchster Blüte, erhielt sich aber auch später auf anerkennenswerther Höhe. Der Besuch desselben von Heidelberg aus war sehr beschwerlich; man fuhr 2 Stunden hin, und 2 Stunden im dunkeln zurück, wenn man nicht dort übernachten wollte. Ich bin nur einmal hinüber gefahren, um Esslair als König Lear zu sehn, und kann gestehn, daß mich dies nicht gereut hat. Eine Heldengestalt von 6 Fuß Höhe, ein edel geformter Kopf, ein glückliches Organ, das wie Donner rollte, und im leisesten Flüstem vollkommen verständlich blieb, ein würdiges Spiel, dem überall das Verständniß des Dichters zum Grunde lag, - alles dies zusammen genommen machte Esslair zu einem der bedeutendsten tragischen Schauspieler. Die übrigen Rollen des Stückes waren hinreichend gut besetzt, um die Aufführung zu einer sehr gelungenen zu machen. Dabei mußte ich an Kleins Ausspruch denken, daß ich mich meiner Gefühle schäme: denn einmal war ich vor Bewegung nahe daran, das Theater zu verlassen. Eine Vergleichung mit Ludwig Devrient war bei so hoben sein würden. Von Bestrafung der Schuldigen oder auch nur der Anstifter war gar keine Rede; es wurden ein paar allgemeine Studentenversamlungen gehalten, in denen Reventlow durch flammende Reden glänzte. Zum Schlusse des Dramas zahlte jeder Student 2 Fl. 45 Kr. als Schadenersatz, gewiß eine mäßige Buße für den rohen jugendlichen Muthwillen. Die Erstürmung des Großen Fasses hat lange Zeit als denkwürdiges Ereigniß im Gedächtnisse der heidelberger Bürger fortgelebt. Das mannheimer Theater stand unter Ifflands Leitung am Ende des 18. Jahrhunderts in höchster Blüte, erhielt sich aber auch später auf anerkennenswerther Höhe. Der Besuch desselben von Heidelberg aus war sehr beschwerlich; man fuhr 2 Stunden hin, und 2 Stunden im dunkeln zurück, wenn man nicht dort übernachten wollte. Ich bin nur einmal hinüber gefahren, um Esslair als König Lear zu sehn, und kann gestehn, daß mich dies nicht gereut hat. Eine Heldengestalt von 6 Fuß Höhe, ein edel geformter Kopf, ein glückliches Organ, das wie Donner rollte, und im leisesten Flüstem vollkommen verständlich blieb, ein würdiges Spiel, dem überall das Verständniß des Dichters zum Grunde lag, – alles dies zusammen genommen machte Esslair zu einem der bedeutendsten tragischen Schauspieler. Die übrigen Rollen des Stückes waren hinreichend gut besetzt, um die Aufführung zu einer sehr gelungenen zu machen. Dabei mußte ich an Kleins Ausspruch denken, daß ich mich meiner Gefühle schäme: denn einmal war ich vor Bewegung nahe daran, das Theater zu verlassen. Eine Vergleichung mit Ludwig Devrient war bei so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0385" n="377"/> hoben sein würden. Von Bestrafung der Schuldigen oder auch nur der Anstifter war gar keine Rede; es wurden ein paar allgemeine Studentenversamlungen gehalten, in denen Reventlow durch flammende Reden glänzte. Zum Schlusse des Dramas zahlte jeder Student 2 Fl. 45 Kr. als Schadenersatz, gewiß eine mäßige Buße für den rohen jugendlichen Muthwillen. Die Erstürmung des Großen Fasses hat lange Zeit als denkwürdiges Ereigniß im Gedächtnisse der heidelberger Bürger fortgelebt. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Das mannheimer Theater stand unter Ifflands Leitung am Ende des 18. Jahrhunderts in höchster Blüte, erhielt sich aber auch später auf anerkennenswerther Höhe. Der Besuch desselben von Heidelberg aus war sehr beschwerlich; man fuhr 2 Stunden hin, und 2 Stunden im dunkeln zurück, wenn man nicht dort übernachten wollte. </p><lb/> <p>Ich bin nur einmal hinüber gefahren, um Esslair als König Lear zu sehn, und kann gestehn, daß mich dies nicht gereut hat. Eine Heldengestalt von 6 Fuß Höhe, ein edel geformter Kopf, ein glückliches Organ, das wie Donner rollte, und im leisesten Flüstem vollkommen verständlich blieb, ein würdiges Spiel, dem überall das Verständniß des Dichters zum Grunde lag, – alles dies zusammen genommen machte Esslair zu einem der bedeutendsten tragischen Schauspieler. Die übrigen Rollen des Stückes waren hinreichend gut besetzt, um die Aufführung zu einer sehr gelungenen zu machen. Dabei mußte ich an Kleins Ausspruch denken, daß ich mich meiner Gefühle schäme: denn einmal war ich vor Bewegung nahe daran, das Theater zu verlassen. </p><lb/> <p>Eine Vergleichung mit Ludwig Devrient war bei so </p> </div> </body> </text> </TEI> [377/0385]
hoben sein würden. Von Bestrafung der Schuldigen oder auch nur der Anstifter war gar keine Rede; es wurden ein paar allgemeine Studentenversamlungen gehalten, in denen Reventlow durch flammende Reden glänzte. Zum Schlusse des Dramas zahlte jeder Student 2 Fl. 45 Kr. als Schadenersatz, gewiß eine mäßige Buße für den rohen jugendlichen Muthwillen. Die Erstürmung des Großen Fasses hat lange Zeit als denkwürdiges Ereigniß im Gedächtnisse der heidelberger Bürger fortgelebt.
Das mannheimer Theater stand unter Ifflands Leitung am Ende des 18. Jahrhunderts in höchster Blüte, erhielt sich aber auch später auf anerkennenswerther Höhe. Der Besuch desselben von Heidelberg aus war sehr beschwerlich; man fuhr 2 Stunden hin, und 2 Stunden im dunkeln zurück, wenn man nicht dort übernachten wollte.
Ich bin nur einmal hinüber gefahren, um Esslair als König Lear zu sehn, und kann gestehn, daß mich dies nicht gereut hat. Eine Heldengestalt von 6 Fuß Höhe, ein edel geformter Kopf, ein glückliches Organ, das wie Donner rollte, und im leisesten Flüstem vollkommen verständlich blieb, ein würdiges Spiel, dem überall das Verständniß des Dichters zum Grunde lag, – alles dies zusammen genommen machte Esslair zu einem der bedeutendsten tragischen Schauspieler. Die übrigen Rollen des Stückes waren hinreichend gut besetzt, um die Aufführung zu einer sehr gelungenen zu machen. Dabei mußte ich an Kleins Ausspruch denken, daß ich mich meiner Gefühle schäme: denn einmal war ich vor Bewegung nahe daran, das Theater zu verlassen.
Eine Vergleichung mit Ludwig Devrient war bei so
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/385 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/385>, abgerufen am 05.07.2024. |