Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].aller Mühe konnte ich ihn niemals im Takte festhalten, sondern er eilte, wie ein rollender Felsen, mit beschleunigter Geschwindigkeit dem Ende zu. Bald zog auch ein badischer Edelmann, Herr von Rodenstein ins Haus, der ein Cello mitbrachte. Das war nun des Guten in der Musik fast zu viel. Wenn drei Klaviere, zwei Celli und eine Geige in dem eng und leicht gebauten Hause gleichzeitig arbeiteten, so blieb dem Reste der Einwohnerschaft kaum etwas anderes übrig, als im Freien Erholung zu suchen. Duetten für zwei Celli waren damals in Heidelberg nicht zu haben; wir beide, Rodenstein und ich, beschränkten uns also darauf, uns gegenseitig unsre Noten mitzutheilen. Eine solche gemeinschaftliche Beschäftigung verbindet schneller als ein langer Umgang; wir schlossen uns recht nahe an einander an. Durch Rodenstein wurde ich überredet, an einem großen Musikfeste in Mannheim Theil zu nehmen, wozu ich mich sonst wohl schwerlich entschlossen hätte. Die Zeit der Monstre-Konzerte fing eben an heraufzudämmern; man wollte durch Tonmassen wirken. Die Stadt Mannheim beschloß, den Messias von Händel mit verstärkten Chören und Instrumenten aufzuführen. Aus der ganzen Umgegend wurden Sänger und Musiker entboten, aber sie waren nicht so leicht zusammen zu bringen wie jetzt, wo die städteverbindende Eisenbahn jede Entfernung verschwinden macht. Rodenstein als Badenser förderte eifrig das Unternehmen, und fuhr deshalb mehrmals nach Mannheim hinüber. Er versicherte mich, daß unsre beiden Violoncelli höchst willkommen sein würden, weil dies Instrument von Dilettanten seltner gespielt werde; er ruhte nicht eher, als bis ich ihm meine Beihülfe zusagte. aller Mühe konnte ich ihn niemals im Takte festhalten, sondern er eilte, wie ein rollender Felsen, mit beschleunigter Geschwindigkeit dem Ende zu. Bald zog auch ein badischer Edelmann, Herr von Rodenstein ins Haus, der ein Cello mitbrachte. Das war nun des Guten in der Musik fast zu viel. Wenn drei Klaviere, zwei Celli und eine Geige in dem eng und leicht gebauten Hause gleichzeitig arbeiteten, so blieb dem Reste der Einwohnerschaft kaum etwas anderes übrig, als im Freien Erholung zu suchen. Duetten für zwei Celli waren damals in Heidelberg nicht zu haben; wir beide, Rodenstein und ich, beschränkten uns also darauf, uns gegenseitig unsre Noten mitzutheilen. Eine solche gemeinschaftliche Beschäftigung verbindet schneller als ein langer Umgang; wir schlossen uns recht nahe an einander an. Durch Rodenstein wurde ich überredet, an einem großen Musikfeste in Mannheim Theil zu nehmen, wozu ich mich sonst wohl schwerlich entschlossen hätte. Die Zeit der Monstre-Konzerte fing eben an heraufzudämmern; man wollte durch Tonmassen wirken. Die Stadt Mannheim beschloß, den Messias von Händel mit verstärkten Chören und Instrumenten aufzuführen. Aus der ganzen Umgegend wurden Sänger und Musiker entboten, aber sie waren nicht so leicht zusammen zu bringen wie jetzt, wo die städteverbindende Eisenbahn jede Entfernung verschwinden macht. Rodenstein als Badenser förderte eifrig das Unternehmen, und fuhr deshalb mehrmals nach Mannheim hinüber. Er versicherte mich, daß unsre beiden Violoncelli höchst willkommen sein würden, weil dies Instrument von Dilettanten seltner gespielt werde; er ruhte nicht eher, als bis ich ihm meine Beihülfe zusagte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0379" n="371"/> aller Mühe konnte ich ihn niemals im Takte festhalten, sondern er eilte, wie ein rollender Felsen, mit beschleunigter Geschwindigkeit dem Ende zu. </p><lb/> <p>Bald zog auch ein badischer Edelmann, Herr von Rodenstein ins Haus, der ein Cello mitbrachte. Das war nun des Guten in der Musik fast zu viel. Wenn drei Klaviere, zwei Celli und eine Geige in dem eng und leicht gebauten Hause gleichzeitig arbeiteten, so blieb dem Reste der Einwohnerschaft kaum etwas anderes übrig, als im Freien Erholung zu suchen. Duetten für zwei Celli waren damals in Heidelberg nicht zu haben; wir beide, Rodenstein und ich, beschränkten uns also darauf, uns gegenseitig unsre Noten mitzutheilen. Eine solche gemeinschaftliche Beschäftigung verbindet schneller als ein langer Umgang; wir schlossen uns recht nahe an einander an. Durch Rodenstein wurde ich überredet, an einem großen Musikfeste in Mannheim Theil zu nehmen, wozu ich mich sonst wohl schwerlich entschlossen hätte. </p><lb/> <p>Die Zeit der Monstre-Konzerte fing eben an heraufzudämmern; man wollte durch Tonmassen wirken. Die Stadt Mannheim beschloß, den Messias von Händel mit verstärkten Chören und Instrumenten aufzuführen. Aus der ganzen Umgegend wurden Sänger und Musiker entboten, aber sie waren nicht so leicht zusammen zu bringen wie jetzt, wo die städteverbindende Eisenbahn jede Entfernung verschwinden macht. Rodenstein als Badenser förderte eifrig das Unternehmen, und fuhr deshalb mehrmals nach Mannheim hinüber. Er versicherte mich, daß unsre beiden Violoncelli höchst willkommen sein würden, weil dies Instrument von Dilettanten seltner gespielt werde; er ruhte nicht eher, als bis ich ihm meine Beihülfe zusagte. </p> </div> </body> </text> </TEI> [371/0379]
aller Mühe konnte ich ihn niemals im Takte festhalten, sondern er eilte, wie ein rollender Felsen, mit beschleunigter Geschwindigkeit dem Ende zu.
Bald zog auch ein badischer Edelmann, Herr von Rodenstein ins Haus, der ein Cello mitbrachte. Das war nun des Guten in der Musik fast zu viel. Wenn drei Klaviere, zwei Celli und eine Geige in dem eng und leicht gebauten Hause gleichzeitig arbeiteten, so blieb dem Reste der Einwohnerschaft kaum etwas anderes übrig, als im Freien Erholung zu suchen. Duetten für zwei Celli waren damals in Heidelberg nicht zu haben; wir beide, Rodenstein und ich, beschränkten uns also darauf, uns gegenseitig unsre Noten mitzutheilen. Eine solche gemeinschaftliche Beschäftigung verbindet schneller als ein langer Umgang; wir schlossen uns recht nahe an einander an. Durch Rodenstein wurde ich überredet, an einem großen Musikfeste in Mannheim Theil zu nehmen, wozu ich mich sonst wohl schwerlich entschlossen hätte.
Die Zeit der Monstre-Konzerte fing eben an heraufzudämmern; man wollte durch Tonmassen wirken. Die Stadt Mannheim beschloß, den Messias von Händel mit verstärkten Chören und Instrumenten aufzuführen. Aus der ganzen Umgegend wurden Sänger und Musiker entboten, aber sie waren nicht so leicht zusammen zu bringen wie jetzt, wo die städteverbindende Eisenbahn jede Entfernung verschwinden macht. Rodenstein als Badenser förderte eifrig das Unternehmen, und fuhr deshalb mehrmals nach Mannheim hinüber. Er versicherte mich, daß unsre beiden Violoncelli höchst willkommen sein würden, weil dies Instrument von Dilettanten seltner gespielt werde; er ruhte nicht eher, als bis ich ihm meine Beihülfe zusagte.
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