Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].uns oft in der Begeisterung für die Schönheiten der alten Kirchenmusik. Bereitwillig unterstützte er ein Konzert für wohlthätige Zwecke, wobei er eine Sonate von Beethoven zum besten gab. An seinem Spiele und Vortrage war nicht das mindeste auszusetzen, aber seine schwere Hand sprengte zwei oder drei Saiten, was den Eindruck des Ganzen sehr beeinträchtigte. Durch seinen hervorragenden Geist und seine bedeutende Persönlichkeit angezogen, hielten sich mehrere Juristen zu ihm, die meist dem preußischen Adel angehörten, und eben so wie er die Hallersche Restauration der Staatswissenschaft für den Inbegriff aller Staatsweisheit ansahen. Die Herren von Bonin, von Plessen, von Wulffen u. a. machten sich durch die extremsten, absolutistischen Regierungsgrundsätze bemerkbar. Da diese Kommilitonen sich manchmal bei uns, trotz der Kleinheit unserer Stuben zusammenfanden, so wiederholte Paul seinen Satz: we are haunted with nobility! An ihren politischen und juristischen Discussionen nahm ich sehr wenig Antheil, doch erinnre ich mich, einst mit Gerlach in eine heftige Differenz gerathen zu sein, als er die Abschaffung der Tortur beklagte, und behauptete, sobald der Richter die subjektive feste Ueberzeugung von der Schuld des Angeklagten erlangt habe, so müsse ihm jedes Mittel erlaubt sein, um den Verbrecher zum Geständnisse zu bringen. So schroff und abscheulich mir auch diese Ansicht vorkam, so ließ ich mich doch später von gewiegten Juristen belehren, daß sie durch eine Inconsequenz des modernen Gerichtsverfahrens hervorgerufen werde. In dem älteren Prozesse nämlich bildete die Folter ein integrirendes Glied; zur Verurtheilung des Angeklagten gehörte, daß er convictus et confessus sei; war er convictus und wollte nicht gestehn, uns oft in der Begeisterung für die Schönheiten der alten Kirchenmusik. Bereitwillig unterstützte er ein Konzert für wohlthätige Zwecke, wobei er eine Sonate von Beethoven zum besten gab. An seinem Spiele und Vortrage war nicht das mindeste auszusetzen, aber seine schwere Hand sprengte zwei oder drei Saiten, was den Eindruck des Ganzen sehr beeinträchtigte. Durch seinen hervorragenden Geist und seine bedeutende Persönlichkeit angezogen, hielten sich mehrere Juristen zu ihm, die meist dem preußischen Adel angehörten, und eben so wie er die Hallersche Restauration der Staatswissenschaft für den Inbegriff aller Staatsweisheit ansahen. Die Herren von Bonin, von Plessen, von Wulffen u. a. machten sich durch die extremsten, absolutistischen Regierungsgrundsätze bemerkbar. Da diese Kommilitonen sich manchmal bei uns, trotz der Kleinheit unserer Stuben zusammenfanden, so wiederholte Paul seinen Satz: we are haunted with nobility! An ihren politischen und juristischen Discussionen nahm ich sehr wenig Antheil, doch erinnre ich mich, einst mit Gerlach in eine heftige Differenz gerathen zu sein, als er die Abschaffung der Tortur beklagte, und behauptete, sobald der Richter die subjektive feste Ueberzeugung von der Schuld des Angeklagten erlangt habe, so müsse ihm jedes Mittel erlaubt sein, um den Verbrecher zum Geständnisse zu bringen. So schroff und abscheulich mir auch diese Ansicht vorkam, so ließ ich mich doch später von gewiegten Juristen belehren, daß sie durch eine Inconsequenz des modernen Gerichtsverfahrens hervorgerufen werde. In dem älteren Prozesse nämlich bildete die Folter ein integrirendes Glied; zur Verurtheilung des Angeklagten gehörte, daß er convictus et confessus sei; war er convictus und wollte nicht gestehn, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0377" n="369"/> uns oft in der Begeisterung für die Schönheiten der alten Kirchenmusik. Bereitwillig unterstützte er ein Konzert für wohlthätige Zwecke, wobei er eine Sonate von Beethoven zum besten gab. An seinem Spiele und Vortrage war nicht das mindeste auszusetzen, aber seine schwere Hand sprengte zwei oder drei Saiten, was den Eindruck des Ganzen sehr beeinträchtigte. Durch seinen hervorragenden Geist und seine bedeutende Persönlichkeit angezogen, hielten sich mehrere Juristen zu ihm, die meist dem preußischen Adel angehörten, und eben so wie er die Hallersche Restauration der Staatswissenschaft für den Inbegriff aller Staatsweisheit ansahen. Die Herren von Bonin, von Plessen, von Wulffen u. a. machten sich durch die extremsten, absolutistischen Regierungsgrundsätze bemerkbar. Da diese Kommilitonen sich manchmal bei uns, trotz der Kleinheit unserer Stuben zusammenfanden, so wiederholte Paul seinen Satz: we are haunted with nobility! An ihren politischen und juristischen Discussionen nahm ich sehr wenig Antheil, doch erinnre ich mich, einst mit Gerlach in eine heftige Differenz gerathen zu sein, als er die Abschaffung der Tortur beklagte, und behauptete, sobald der Richter die subjektive feste Ueberzeugung von der Schuld des Angeklagten erlangt habe, so müsse ihm jedes Mittel erlaubt sein, um den Verbrecher zum Geständnisse zu bringen. So schroff und abscheulich mir auch diese Ansicht vorkam, so ließ ich mich doch später von gewiegten Juristen belehren, daß sie durch eine Inconsequenz des modernen Gerichtsverfahrens hervorgerufen werde. In dem älteren Prozesse nämlich bildete die Folter ein integrirendes Glied; zur Verurtheilung des Angeklagten gehörte, daß er convictus et confessus sei; war er convictus und wollte nicht gestehn, </p> </div> </body> </text> </TEI> [369/0377]
uns oft in der Begeisterung für die Schönheiten der alten Kirchenmusik. Bereitwillig unterstützte er ein Konzert für wohlthätige Zwecke, wobei er eine Sonate von Beethoven zum besten gab. An seinem Spiele und Vortrage war nicht das mindeste auszusetzen, aber seine schwere Hand sprengte zwei oder drei Saiten, was den Eindruck des Ganzen sehr beeinträchtigte. Durch seinen hervorragenden Geist und seine bedeutende Persönlichkeit angezogen, hielten sich mehrere Juristen zu ihm, die meist dem preußischen Adel angehörten, und eben so wie er die Hallersche Restauration der Staatswissenschaft für den Inbegriff aller Staatsweisheit ansahen. Die Herren von Bonin, von Plessen, von Wulffen u. a. machten sich durch die extremsten, absolutistischen Regierungsgrundsätze bemerkbar. Da diese Kommilitonen sich manchmal bei uns, trotz der Kleinheit unserer Stuben zusammenfanden, so wiederholte Paul seinen Satz: we are haunted with nobility! An ihren politischen und juristischen Discussionen nahm ich sehr wenig Antheil, doch erinnre ich mich, einst mit Gerlach in eine heftige Differenz gerathen zu sein, als er die Abschaffung der Tortur beklagte, und behauptete, sobald der Richter die subjektive feste Ueberzeugung von der Schuld des Angeklagten erlangt habe, so müsse ihm jedes Mittel erlaubt sein, um den Verbrecher zum Geständnisse zu bringen. So schroff und abscheulich mir auch diese Ansicht vorkam, so ließ ich mich doch später von gewiegten Juristen belehren, daß sie durch eine Inconsequenz des modernen Gerichtsverfahrens hervorgerufen werde. In dem älteren Prozesse nämlich bildete die Folter ein integrirendes Glied; zur Verurtheilung des Angeklagten gehörte, daß er convictus et confessus sei; war er convictus und wollte nicht gestehn,
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/377>, abgerufen am 18.07.2024. |