Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].gen. Dies that auch Geheimerath von Harlem, der am 1. Jan. früh sich bei Humboldt einfand. Nach einem ruhigen Gespräche über verschiedene Gegenstände fragte der Minister: Was giebt es denn sonst neues, lieber Harlem? - Nichts das ich wüßte, Excellenz. - Nun, so will ich Ihnen etwas neues sagen: der König hat mir gestern Abend meinen Abschied geschickt. - Harlem hielt dies anfangs für einen Scherz, aber Humboldt ging langsam zu seinem Schreibtische, und reichte ihm das Entlassungsdekret mit den Worten: Da lesen Sie selbst, wenn Sie mir nicht glauben wollen! In einige Unruhe versetzte mich ein Brief der guten Frau von der Recke, die Dinge von mir verlangte, welche mir gar zu fern lagen. Im Jahre 1816 war in Darmstadt der Oberkonsistorialrath Stark gestorben, den man im Verdachte hatte, er sei in Paris heimlich Katholik geworden. Darüber entpann sich in Zeitschriften und Broschüren eine höchst widerwärtige Polemik, die, wie es zu geschehn pflegt, zu gar keinem Resultate führte, denn Stark läugnete standhaft seinen Kryptokatholicismus, und wurde denn auch zuletzt als protestantischer Geistlicher in Darmstadt beerdigt. Frau von der Recke schrieb mir: als Enkel des um die Aufklärung hochverdienten Friedrich Nicolai möge ich in Darmstadt Nachforschungen in der Starkschen Sache anstellen, um die Wahrheit der bestrittenen Behauptungen endlich an das Licht zu ziehen u. s. w. Ich muß bekennen, daß es mir als eifrigem Studenten der Philologie an dem inneren Berufe fehlte, zur Verbreitung der Aufklärung in Deutschland beizutragen. Den Namen gen. Dies that auch Geheimerath von Harlem, der am 1. Jan. früh sich bei Humboldt einfand. Nach einem ruhigen Gespräche über verschiedene Gegenstände fragte der Minister: Was giebt es denn sonst neues, lieber Harlem? – Nichts das ich wüßte, Excellenz. – Nun, so will ich Ihnen etwas neues sagen: der König hat mir gestern Abend meinen Abschied geschickt. – Harlem hielt dies anfangs für einen Scherz, aber Humboldt ging langsam zu seinem Schreibtische, und reichte ihm das Entlassungsdekret mit den Worten: Da lesen Sie selbst, wenn Sie mir nicht glauben wollen! In einige Unruhe versetzte mich ein Brief der guten Frau von der Recke, die Dinge von mir verlangte, welche mir gar zu fern lagen. Im Jahre 1816 war in Darmstadt der Oberkonsistorialrath Stark gestorben, den man im Verdachte hatte, er sei in Paris heimlich Katholik geworden. Darüber entpann sich in Zeitschriften und Broschüren eine höchst widerwärtige Polemik, die, wie es zu geschehn pflegt, zu gar keinem Resultate führte, denn Stark läugnete standhaft seinen Kryptokatholicismus, und wurde denn auch zuletzt als protestantischer Geistlicher in Darmstadt beerdigt. Frau von der Recke schrieb mir: als Enkel des um die Aufklärung hochverdienten Friedrich Nicolai möge ich in Darmstadt Nachforschungen in der Starkschen Sache anstellen, um die Wahrheit der bestrittenen Behauptungen endlich an das Licht zu ziehen u. s. w. Ich muß bekennen, daß es mir als eifrigem Studenten der Philologie an dem inneren Berufe fehlte, zur Verbreitung der Aufklärung in Deutschland beizutragen. Den Namen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0350" n="342"/> gen. Dies that auch Geheimerath von Harlem, der am 1. Jan. früh sich bei Humboldt einfand. Nach einem ruhigen Gespräche über verschiedene Gegenstände fragte der Minister: Was giebt es denn sonst neues, lieber Harlem? – Nichts das ich wüßte, Excellenz. – Nun, so will ich Ihnen etwas neues sagen: der König hat mir gestern Abend meinen Abschied geschickt. – Harlem hielt dies anfangs für einen Scherz, aber Humboldt ging langsam zu seinem Schreibtische, und reichte ihm das Entlassungsdekret mit den Worten: Da lesen Sie selbst, wenn Sie mir nicht glauben wollen! </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>In einige Unruhe versetzte mich ein Brief der guten Frau von der Recke, die Dinge von mir verlangte, welche mir gar zu fern lagen. Im Jahre 1816 war in Darmstadt der Oberkonsistorialrath Stark gestorben, den man im Verdachte hatte, er sei in Paris heimlich Katholik geworden. Darüber entpann sich in Zeitschriften und Broschüren eine höchst widerwärtige Polemik, die, wie es zu geschehn pflegt, zu gar keinem Resultate führte, denn Stark läugnete standhaft seinen Kryptokatholicismus, und wurde denn auch zuletzt als protestantischer Geistlicher in Darmstadt beerdigt. Frau von der Recke schrieb mir: als Enkel des um die Aufklärung hochverdienten Friedrich Nicolai möge ich in Darmstadt Nachforschungen in der Starkschen Sache anstellen, um die Wahrheit der bestrittenen Behauptungen endlich an das Licht zu ziehen u. s. w. Ich muß bekennen, daß es mir als eifrigem Studenten der Philologie an dem inneren Berufe fehlte, zur Verbreitung der Aufklärung in Deutschland beizutragen. Den Namen </p> </div> </body> </text> </TEI> [342/0350]
gen. Dies that auch Geheimerath von Harlem, der am 1. Jan. früh sich bei Humboldt einfand. Nach einem ruhigen Gespräche über verschiedene Gegenstände fragte der Minister: Was giebt es denn sonst neues, lieber Harlem? – Nichts das ich wüßte, Excellenz. – Nun, so will ich Ihnen etwas neues sagen: der König hat mir gestern Abend meinen Abschied geschickt. – Harlem hielt dies anfangs für einen Scherz, aber Humboldt ging langsam zu seinem Schreibtische, und reichte ihm das Entlassungsdekret mit den Worten: Da lesen Sie selbst, wenn Sie mir nicht glauben wollen!
In einige Unruhe versetzte mich ein Brief der guten Frau von der Recke, die Dinge von mir verlangte, welche mir gar zu fern lagen. Im Jahre 1816 war in Darmstadt der Oberkonsistorialrath Stark gestorben, den man im Verdachte hatte, er sei in Paris heimlich Katholik geworden. Darüber entpann sich in Zeitschriften und Broschüren eine höchst widerwärtige Polemik, die, wie es zu geschehn pflegt, zu gar keinem Resultate führte, denn Stark läugnete standhaft seinen Kryptokatholicismus, und wurde denn auch zuletzt als protestantischer Geistlicher in Darmstadt beerdigt. Frau von der Recke schrieb mir: als Enkel des um die Aufklärung hochverdienten Friedrich Nicolai möge ich in Darmstadt Nachforschungen in der Starkschen Sache anstellen, um die Wahrheit der bestrittenen Behauptungen endlich an das Licht zu ziehen u. s. w. Ich muß bekennen, daß es mir als eifrigem Studenten der Philologie an dem inneren Berufe fehlte, zur Verbreitung der Aufklärung in Deutschland beizutragen. Den Namen
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/350>, abgerufen am 05.07.2024. |