Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].schrieb nur wenn es mir an der Zeit schien, etwas sachliches. Während des Winters hatte er sich im französischen hinlänglich geübt: denn die Damen in den Gesellschaften von Lausanne und Genf sind als wahre Sprachlehrmaschinen bekannt. Er wollte nun noch einige Zeit Kameralia studiren; ich forderte ihn dringend auf, nach Heidelberg zu kommen, und hatte die Freude ihn zu Ostern dort zu sehn. Brassier war von meinen begeisterten Schilderungen der heidelberger Gegend so entzündet worden, daß er seinen Vater anlag, ihn nach beendigtem Freiwilligenjahre dorthin gehn zu lassen. Auch er kam zu Ostern 1820, und wir hielten nach wie vor gute Kameradschaft. In den Briefen aus Berlin geschah der politischen Angelegenheiten selten Erwähnung, doch meldete mir meine Schwester im Anfange des Jahres 1820 von dem allgemeinen Bedauern, das die Enlassung der beiden Minister W. von Humboldt (Kultus) und von Beyme (Justiz) bei allen Vaterlandsfreunden hervorgerufen. Als freisinnige, dem geistigen Fortschritte zugeneigte Männer mußten sie der reactionären Strömung weichen, die seit dem Anfange der Demagogenverfolgungen den alternden Staatskanzler, Fürsten von Hardenberg und den schwachen König Friedrich Wilhelm III. immer weiter von der Bahn zeitgemäßer Reformen abdrängten. Humboldts Benehmen bei diesem Vorfalle zeugte von der ihm eignen, unerschütterlichen philosophischen Ruhe. Er erhielt seine Entlassung am 31. Dec 1819. Zu Neujahr pflegten die dem Minister näher stehenden Räthe ihm persönlich ihre Glückwünsche darzubrin- schrieb nur wenn es mir an der Zeit schien, etwas sachliches. Während des Winters hatte er sich im französischen hinlänglich geübt: denn die Damen in den Gesellschaften von Lausanne und Genf sind als wahre Sprachlehrmaschinen bekannt. Er wollte nun noch einige Zeit Kameralia studiren; ich forderte ihn dringend auf, nach Heidelberg zu kommen, und hatte die Freude ihn zu Ostern dort zu sehn. Brassier war von meinen begeisterten Schilderungen der heidelberger Gegend so entzündet worden, daß er seinen Vater anlag, ihn nach beendigtem Freiwilligenjahre dorthin gehn zu lassen. Auch er kam zu Ostern 1820, und wir hielten nach wie vor gute Kameradschaft. In den Briefen aus Berlin geschah der politischen Angelegenheiten selten Erwähnung, doch meldete mir meine Schwester im Anfange des Jahres 1820 von dem allgemeinen Bedauern, das die Enlassung der beiden Minister W. von Humboldt (Kultus) und von Beyme (Justiz) bei allen Vaterlandsfreunden hervorgerufen. Als freisinnige, dem geistigen Fortschritte zugeneigte Männer mußten sie der reactionären Strömung weichen, die seit dem Anfange der Demagogenverfolgungen den alternden Staatskanzler, Fürsten von Hardenberg und den schwachen König Friedrich Wilhelm III. immer weiter von der Bahn zeitgemäßer Reformen abdrängten. Humboldts Benehmen bei diesem Vorfalle zeugte von der ihm eignen, unerschütterlichen philosophischen Ruhe. Er erhielt seine Entlassung am 31. Dec 1819. Zu Neujahr pflegten die dem Minister näher stehenden Räthe ihm persönlich ihre Glückwünsche darzubrin- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0349" n="341"/> schrieb nur wenn es mir an der Zeit schien, etwas sachliches. Während des Winters hatte er sich im französischen hinlänglich geübt: denn die Damen in den Gesellschaften von Lausanne und Genf sind als wahre Sprachlehrmaschinen bekannt. Er wollte nun noch einige Zeit Kameralia studiren; ich forderte ihn dringend auf, nach Heidelberg zu kommen, und hatte die Freude ihn zu Ostern dort zu sehn. </p><lb/> <p>Brassier war von meinen begeisterten Schilderungen der heidelberger Gegend so entzündet worden, daß er seinen Vater anlag, ihn nach beendigtem Freiwilligenjahre dorthin gehn zu lassen. Auch er kam zu Ostern 1820, und wir hielten nach wie vor gute Kameradschaft. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>In den Briefen aus Berlin geschah der politischen Angelegenheiten selten Erwähnung, doch meldete mir meine Schwester im Anfange des Jahres 1820 von dem allgemeinen Bedauern, das die Enlassung der beiden Minister W. von Humboldt (Kultus) und von Beyme (Justiz) bei allen Vaterlandsfreunden hervorgerufen. Als freisinnige, dem geistigen Fortschritte zugeneigte Männer mußten sie der reactionären Strömung weichen, die seit dem Anfange der Demagogenverfolgungen den alternden Staatskanzler, Fürsten von Hardenberg und den schwachen König Friedrich Wilhelm III. immer weiter von der Bahn zeitgemäßer Reformen abdrängten. Humboldts Benehmen bei diesem Vorfalle zeugte von der ihm eignen, unerschütterlichen philosophischen Ruhe. Er erhielt seine Entlassung am 31. Dec 1819. Zu Neujahr pflegten die dem Minister näher stehenden Räthe ihm persönlich ihre Glückwünsche darzubrin- </p> </div> </body> </text> </TEI> [341/0349]
schrieb nur wenn es mir an der Zeit schien, etwas sachliches. Während des Winters hatte er sich im französischen hinlänglich geübt: denn die Damen in den Gesellschaften von Lausanne und Genf sind als wahre Sprachlehrmaschinen bekannt. Er wollte nun noch einige Zeit Kameralia studiren; ich forderte ihn dringend auf, nach Heidelberg zu kommen, und hatte die Freude ihn zu Ostern dort zu sehn.
Brassier war von meinen begeisterten Schilderungen der heidelberger Gegend so entzündet worden, daß er seinen Vater anlag, ihn nach beendigtem Freiwilligenjahre dorthin gehn zu lassen. Auch er kam zu Ostern 1820, und wir hielten nach wie vor gute Kameradschaft.
In den Briefen aus Berlin geschah der politischen Angelegenheiten selten Erwähnung, doch meldete mir meine Schwester im Anfange des Jahres 1820 von dem allgemeinen Bedauern, das die Enlassung der beiden Minister W. von Humboldt (Kultus) und von Beyme (Justiz) bei allen Vaterlandsfreunden hervorgerufen. Als freisinnige, dem geistigen Fortschritte zugeneigte Männer mußten sie der reactionären Strömung weichen, die seit dem Anfange der Demagogenverfolgungen den alternden Staatskanzler, Fürsten von Hardenberg und den schwachen König Friedrich Wilhelm III. immer weiter von der Bahn zeitgemäßer Reformen abdrängten. Humboldts Benehmen bei diesem Vorfalle zeugte von der ihm eignen, unerschütterlichen philosophischen Ruhe. Er erhielt seine Entlassung am 31. Dec 1819. Zu Neujahr pflegten die dem Minister näher stehenden Räthe ihm persönlich ihre Glückwünsche darzubrin-
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/349>, abgerufen am 16.02.2025. |