Frau von der Recke nach Berlin, und schloß sich bald in enger Freundschaft an meine Schwester Lilli an. Es wurde mit mehreren Bekannten und Freunden eine gemeinsame Tanzstunde angeordnet, in der Fräulein Minchen vor allen andern durch Schönheit und Anmuth glänzte. Auf mich machte sie den tiefsten Eindruck. Der Gedanke an sie erschien mir wie die Morgenröthe eines hellen Tages, und wenn sie mich ansah, war mir, als ständ' ich in der Sonne. Ich ließ meine Erregung in begeisterten Versen ausströmen, ja ich hatte die Kühnheit, ihr einige Gedichte, welche ich für die gelungensten hielt, durch einen Freund überreichen zu lassen. Allein sie war so unerfahren in dergleichen Angelegenheiten, daß sie in ihrer Unschuld die Verse zu Frau von der Recke trug. Diese nahm die Sache ganz ernsthaft. Von ihren liebevollen und eindringlichen Vorstellungen war ich wie zerknirscht; lange konnte ich mich nicht zurechtfinden: denn ich hatte eben nur im Drange meines natürlichen Gefühls gehandelt. Frau von der Recke nahm im Frühjahre 1816 ihre schöne Pflegbefohlene mit nach Karlsbad zurück; mir aber kam die freundliche Erscheinung niemals wieder aus dem Sinne. Mehrere Jahre später sah ich sie in Karlsbad wieder, und 1824 ward zu dem Bunde der Herzen auch der der Hände hinzugefügt, der nun schon 47 Jahre besteht.
Frau von der Recke nach Berlin, und schloß sich bald in enger Freundschaft an meine Schwester Lilli an. Es wurde mit mehreren Bekannten und Freunden eine gemeinsame Tanzstunde angeordnet, in der Fräulein Minchen vor allen andern durch Schönheit und Anmuth glänzte. Auf mich machte sie den tiefsten Eindruck. Der Gedanke an sie erschien mir wie die Morgenröthe eines hellen Tages, und wenn sie mich ansah, war mir, als ständ’ ich in der Sonne. Ich ließ meine Erregung in begeisterten Versen ausströmen, ja ich hatte die Kühnheit, ihr einige Gedichte, welche ich für die gelungensten hielt, durch einen Freund überreichen zu lassen. Allein sie war so unerfahren in dergleichen Angelegenheiten, daß sie in ihrer Unschuld die Verse zu Frau von der Recke trug. Diese nahm die Sache ganz ernsthaft. Von ihren liebevollen und eindringlichen Vorstellungen war ich wie zerknirscht; lange konnte ich mich nicht zurechtfinden: denn ich hatte eben nur im Drange meines natürlichen Gefühls gehandelt. Frau von der Recke nahm im Frühjahre 1816 ihre schöne Pflegbefohlene mit nach Karlsbad zurück; mir aber kam die freundliche Erscheinung niemals wieder aus dem Sinne. Mehrere Jahre später sah ich sie in Karlsbad wieder, und 1824 ward zu dem Bunde der Herzen auch der der Hände hinzugefügt, der nun schon 47 Jahre besteht.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0034"n="26"/>
Frau von der Recke nach Berlin, und schloß sich bald in enger Freundschaft an meine Schwester Lilli an. Es wurde mit mehreren Bekannten und Freunden eine gemeinsame Tanzstunde angeordnet, in der Fräulein Minchen vor allen andern durch Schönheit und Anmuth glänzte. Auf mich machte sie den tiefsten Eindruck. Der Gedanke an sie erschien mir wie die Morgenröthe eines hellen Tages, und wenn sie mich ansah, war mir, als ständ’ ich in der Sonne. Ich ließ meine Erregung in begeisterten Versen ausströmen, ja ich hatte die Kühnheit, ihr einige Gedichte, welche ich für die gelungensten hielt, durch einen Freund überreichen zu lassen. Allein sie war so unerfahren in dergleichen Angelegenheiten, daß sie in ihrer Unschuld die Verse zu Frau von der Recke trug. Diese nahm die Sache ganz ernsthaft. Von ihren liebevollen und eindringlichen Vorstellungen war ich wie zerknirscht; lange konnte ich mich nicht zurechtfinden: denn ich hatte eben nur im Drange meines natürlichen Gefühls gehandelt. Frau von der Recke nahm im Frühjahre 1816 ihre schöne Pflegbefohlene mit nach Karlsbad zurück; mir aber kam die freundliche Erscheinung niemals wieder aus dem Sinne. Mehrere Jahre später sah ich sie in Karlsbad wieder, und 1824 ward zu dem Bunde der Herzen auch der der Hände hinzugefügt, der nun schon 47 Jahre besteht.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[26/0034]
Frau von der Recke nach Berlin, und schloß sich bald in enger Freundschaft an meine Schwester Lilli an. Es wurde mit mehreren Bekannten und Freunden eine gemeinsame Tanzstunde angeordnet, in der Fräulein Minchen vor allen andern durch Schönheit und Anmuth glänzte. Auf mich machte sie den tiefsten Eindruck. Der Gedanke an sie erschien mir wie die Morgenröthe eines hellen Tages, und wenn sie mich ansah, war mir, als ständ’ ich in der Sonne. Ich ließ meine Erregung in begeisterten Versen ausströmen, ja ich hatte die Kühnheit, ihr einige Gedichte, welche ich für die gelungensten hielt, durch einen Freund überreichen zu lassen. Allein sie war so unerfahren in dergleichen Angelegenheiten, daß sie in ihrer Unschuld die Verse zu Frau von der Recke trug. Diese nahm die Sache ganz ernsthaft. Von ihren liebevollen und eindringlichen Vorstellungen war ich wie zerknirscht; lange konnte ich mich nicht zurechtfinden: denn ich hatte eben nur im Drange meines natürlichen Gefühls gehandelt. Frau von der Recke nahm im Frühjahre 1816 ihre schöne Pflegbefohlene mit nach Karlsbad zurück; mir aber kam die freundliche Erscheinung niemals wieder aus dem Sinne. Mehrere Jahre später sah ich sie in Karlsbad wieder, und 1824 ward zu dem Bunde der Herzen auch der der Hände hinzugefügt, der nun schon 47 Jahre besteht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/34>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.