Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].wir sie in Berlin bei Wolf und Solger gefunden. Es gab uns eine geringe Meinung von dem Stande der badischen Gymnasialbildung, daß Creuzer es für nöthig hielt, den Studenten noch die Paragraphen aus Bröders lateinischer Grammatik zu citiren. Creuzer war groß und schlank, aber von gebrochener Gestalt, sein Gang unsicher und schwankend. Sein bedeutendes Gesicht mit großen hellen blauen Augen, die er manchmal wie ein Seher durch das Auditorium leuchten ließ, entstellte eine rothe, tief in die Stirn reichende Perrücke, die er zuweilen bis an die Augenbrauen herabzog. Von seinen früheren Schicksalen hörten wir, daß er vor Jahren in Frankfurt a. M. ein Liebesverhältniß mit einem Fräulein von Günderode gehabt. Diese Neigung steigerte sich bei ihr bis zur höchsten Leidenschaft. Als er endlich, völlig mittellos, und ohne Hoffnung auf ein genügendes Auskommen, diese Verlobung auflöste, wirkte der Schmerz so heftig auf das erregte Gemüth der Geliebten, daß sie sich in den Fluten des Main den Tod gab. Creuzer wurde durch diesen tragischen Vorfall tief gebeugt; er alterte vor der Zeit, und erschien als Fünfziger wie ein hinwelkender Greis. Später heirathete er, wie es hieß aus Dankbarkeit eine Frau, die ihm an Jahren voraus war, mit der er in glücklicher, aber kinderloser Ehe lebte. Bei Schlosser hörten wir ein sehr unterrichtendes Kollegium über die französische Revolution von 1789, die wir bisher nur ganz im allgemeinen gekannt. Die Ursachen der gewaltigen Staatsumwälzung traten anschaulich hervor; mit unerbittlicher Strenge wurden die Fehler der Herrschenden, die Laster und Verbrechen der Beherrschten enthüllt. Von Schlosser konnte man mit vollem Rechte wir sie in Berlin bei Wolf und Solger gefunden. Es gab uns eine geringe Meinung von dem Stande der badischen Gymnasialbildung, daß Creuzer es für nöthig hielt, den Studenten noch die Paragraphen aus Bröders lateinischer Grammatik zu citiren. Creuzer war groß und schlank, aber von gebrochener Gestalt, sein Gang unsicher und schwankend. Sein bedeutendes Gesicht mit großen hellen blauen Augen, die er manchmal wie ein Seher durch das Auditorium leuchten ließ, entstellte eine rothe, tief in die Stirn reichende Perrücke, die er zuweilen bis an die Augenbrauen herabzog. Von seinen früheren Schicksalen hörten wir, daß er vor Jahren in Frankfurt a. M. ein Liebesverhältniß mit einem Fräulein von Günderode gehabt. Diese Neigung steigerte sich bei ihr bis zur höchsten Leidenschaft. Als er endlich, völlig mittellos, und ohne Hoffnung auf ein genügendes Auskommen, diese Verlobung auflöste, wirkte der Schmerz so heftig auf das erregte Gemüth der Geliebten, daß sie sich in den Fluten des Main den Tod gab. Creuzer wurde durch diesen tragischen Vorfall tief gebeugt; er alterte vor der Zeit, und erschien als Fünfziger wie ein hinwelkender Greis. Später heirathete er, wie es hieß aus Dankbarkeit eine Frau, die ihm an Jahren voraus war, mit der er in glücklicher, aber kinderloser Ehe lebte. Bei Schlosser hörten wir ein sehr unterrichtendes Kollegium über die französische Revolution von 1789, die wir bisher nur ganz im allgemeinen gekannt. Die Ursachen der gewaltigen Staatsumwälzung traten anschaulich hervor; mit unerbittlicher Strenge wurden die Fehler der Herrschenden, die Laster und Verbrechen der Beherrschten enthüllt. Von Schlosser konnte man mit vollem Rechte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0335" n="327"/> wir sie in Berlin bei Wolf und Solger gefunden. 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Creuzer wurde durch diesen tragischen Vorfall tief gebeugt; er alterte vor der Zeit, und erschien als Fünfziger wie ein hinwelkender Greis. Später heirathete er, wie es hieß aus Dankbarkeit eine Frau, die ihm an Jahren voraus war, mit der er in glücklicher, aber kinderloser Ehe lebte. </p><lb/> <p>Bei Schlosser hörten wir ein sehr unterrichtendes Kollegium über die französische Revolution von 1789, die wir bisher nur ganz im allgemeinen gekannt. Die Ursachen der gewaltigen Staatsumwälzung traten anschaulich hervor; mit unerbittlicher Strenge wurden die Fehler der Herrschenden, die Laster und Verbrechen der Beherrschten enthüllt. Von Schlosser konnte man mit vollem Rechte </p> </div> </body> </text> </TEI> [327/0335]
wir sie in Berlin bei Wolf und Solger gefunden. Es gab uns eine geringe Meinung von dem Stande der badischen Gymnasialbildung, daß Creuzer es für nöthig hielt, den Studenten noch die Paragraphen aus Bröders lateinischer Grammatik zu citiren.
Creuzer war groß und schlank, aber von gebrochener Gestalt, sein Gang unsicher und schwankend. Sein bedeutendes Gesicht mit großen hellen blauen Augen, die er manchmal wie ein Seher durch das Auditorium leuchten ließ, entstellte eine rothe, tief in die Stirn reichende Perrücke, die er zuweilen bis an die Augenbrauen herabzog.
Von seinen früheren Schicksalen hörten wir, daß er vor Jahren in Frankfurt a. M. ein Liebesverhältniß mit einem Fräulein von Günderode gehabt. Diese Neigung steigerte sich bei ihr bis zur höchsten Leidenschaft. Als er endlich, völlig mittellos, und ohne Hoffnung auf ein genügendes Auskommen, diese Verlobung auflöste, wirkte der Schmerz so heftig auf das erregte Gemüth der Geliebten, daß sie sich in den Fluten des Main den Tod gab. Creuzer wurde durch diesen tragischen Vorfall tief gebeugt; er alterte vor der Zeit, und erschien als Fünfziger wie ein hinwelkender Greis. Später heirathete er, wie es hieß aus Dankbarkeit eine Frau, die ihm an Jahren voraus war, mit der er in glücklicher, aber kinderloser Ehe lebte.
Bei Schlosser hörten wir ein sehr unterrichtendes Kollegium über die französische Revolution von 1789, die wir bisher nur ganz im allgemeinen gekannt. Die Ursachen der gewaltigen Staatsumwälzung traten anschaulich hervor; mit unerbittlicher Strenge wurden die Fehler der Herrschenden, die Laster und Verbrechen der Beherrschten enthüllt. Von Schlosser konnte man mit vollem Rechte
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