Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].fanden. Er reichte uns beiden die Hand, ließ uns neben sich sitzen, und fragte mich, ob ich mich meines Grosvaters noch erinnre, der sein lieber Freund gewesen. Diese Begegnung wird mir immer unvergeßlich bleiben. Von mehr hagrer als langer Gestalt, von eckigen Bewegungen, von scharfen Gesichtszügen, von langsamer deutlicher Sprache, wobei er etwas mit der Zunge anstieß, machte Voss, der damals in seinem 64. Jahre stand, den Eindruck eines festen, innerlich kerngesunden, auf sich selbst ruhenden Karakters, dem nur die Milde abging. Als wir ihn verlassen hatten, fehlte wenig, daß Paul durch den Garten dahintanzte, so überselig fühlte er sich. Auf der Straße wurde alles recapitulirt, was und wie er es gesprochen, und schon nach einigen Tagen sagte uns der junge Voss beim Schlusse der Vorlesung: mein Vater läßt Sie beide bitten, morgen Abend bei uns zu essen. Hier lernten wir die Frau des Hauses, die vortreffliche Ernestine kennen; eine junge flinke Nichte, deren schwarze Augen auf Paul einen ganz besonderen Eindruck machten, nahm sich der Wirtschaft an und bediente die Gäste. Am oberen Ende der langen Tafel saß der Patriarch im einfachen Schlafrock, neben ihm seine Frau, dann einige Fremde, ganz zu unterst der Sohn, der zu seinem Vater in einer wahrhaft kindlichen Unterwürfigkeit stand. Lieber Vater, sagte er gegen das Ende des frugalen Mahles, soll ich Dir einen Apfel schälen? - Thu' es, Heinrich, und nimm eine Hälfte für Dich. An Thibaut, der etwas thalaufwärts dicht neben unserm Hause wohnte, brachte ich einen Brief von Klein, fanden. Er reichte uns beiden die Hand, ließ uns neben sich sitzen, und fragte mich, ob ich mich meines Grosvaters noch erinnre, der sein lieber Freund gewesen. Diese Begegnung wird mir immer unvergeßlich bleiben. Von mehr hagrer als langer Gestalt, von eckigen Bewegungen, von scharfen Gesichtszügen, von langsamer deutlicher Sprache, wobei er etwas mit der Zunge anstieß, machte Voss, der damals in seinem 64. Jahre stand, den Eindruck eines festen, innerlich kerngesunden, auf sich selbst ruhenden Karakters, dem nur die Milde abging. Als wir ihn verlassen hatten, fehlte wenig, daß Paul durch den Garten dahintanzte, so überselig fühlte er sich. Auf der Straße wurde alles recapitulirt, was und wie er es gesprochen, und schon nach einigen Tagen sagte uns der junge Voss beim Schlusse der Vorlesung: mein Vater läßt Sie beide bitten, morgen Abend bei uns zu essen. Hier lernten wir die Frau des Hauses, die vortreffliche Ernestine kennen; eine junge flinke Nichte, deren schwarze Augen auf Paul einen ganz besonderen Eindruck machten, nahm sich der Wirtschaft an und bediente die Gäste. Am oberen Ende der langen Tafel saß der Patriarch im einfachen Schlafrock, neben ihm seine Frau, dann einige Fremde, ganz zu unterst der Sohn, der zu seinem Vater in einer wahrhaft kindlichen Unterwürfigkeit stand. Lieber Vater, sagte er gegen das Ende des frugalen Mahles, soll ich Dir einen Apfel schälen? – Thu’ es, Heinrich, und nimm eine Hälfte für Dich. An Thibaut, der etwas thalaufwärts dicht neben unserm Hause wohnte, brachte ich einen Brief von Klein, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0323" n="315"/> fanden. Er reichte uns beiden die Hand, ließ uns neben sich sitzen, und fragte mich, ob ich mich meines Grosvaters noch erinnre, der sein lieber Freund gewesen. </p><lb/> <p>Diese Begegnung wird mir immer unvergeßlich bleiben. Von mehr hagrer als langer Gestalt, von eckigen Bewegungen, von scharfen Gesichtszügen, von langsamer deutlicher Sprache, wobei er etwas mit der Zunge anstieß, machte Voss, der damals in seinem 64. Jahre stand, den Eindruck eines festen, innerlich kerngesunden, auf sich selbst ruhenden Karakters, dem nur die Milde abging. </p><lb/> <p>Als wir ihn verlassen hatten, fehlte wenig, daß Paul durch den Garten dahintanzte, so überselig fühlte er sich. Auf der Straße wurde alles recapitulirt, was und wie er es gesprochen, und schon nach einigen Tagen sagte uns der junge Voss beim Schlusse der Vorlesung: mein Vater läßt Sie beide bitten, morgen Abend bei uns zu essen. Hier lernten wir die Frau des Hauses, die vortreffliche Ernestine kennen; eine junge flinke Nichte, deren schwarze Augen auf Paul einen ganz besonderen Eindruck machten, nahm sich der Wirtschaft an und bediente die Gäste. Am oberen Ende der langen Tafel saß der Patriarch im einfachen Schlafrock, neben ihm seine Frau, dann einige Fremde, ganz zu unterst der Sohn, der zu seinem Vater in einer wahrhaft kindlichen Unterwürfigkeit stand. Lieber Vater, sagte er gegen das Ende des frugalen Mahles, soll ich Dir einen Apfel schälen? – Thu’ es, Heinrich, und nimm eine Hälfte für Dich. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>An Thibaut, der etwas thalaufwärts dicht neben unserm Hause wohnte, brachte ich einen Brief von Klein, </p> </div> </body> </text> </TEI> [315/0323]
fanden. Er reichte uns beiden die Hand, ließ uns neben sich sitzen, und fragte mich, ob ich mich meines Grosvaters noch erinnre, der sein lieber Freund gewesen.
Diese Begegnung wird mir immer unvergeßlich bleiben. Von mehr hagrer als langer Gestalt, von eckigen Bewegungen, von scharfen Gesichtszügen, von langsamer deutlicher Sprache, wobei er etwas mit der Zunge anstieß, machte Voss, der damals in seinem 64. Jahre stand, den Eindruck eines festen, innerlich kerngesunden, auf sich selbst ruhenden Karakters, dem nur die Milde abging.
Als wir ihn verlassen hatten, fehlte wenig, daß Paul durch den Garten dahintanzte, so überselig fühlte er sich. Auf der Straße wurde alles recapitulirt, was und wie er es gesprochen, und schon nach einigen Tagen sagte uns der junge Voss beim Schlusse der Vorlesung: mein Vater läßt Sie beide bitten, morgen Abend bei uns zu essen. Hier lernten wir die Frau des Hauses, die vortreffliche Ernestine kennen; eine junge flinke Nichte, deren schwarze Augen auf Paul einen ganz besonderen Eindruck machten, nahm sich der Wirtschaft an und bediente die Gäste. Am oberen Ende der langen Tafel saß der Patriarch im einfachen Schlafrock, neben ihm seine Frau, dann einige Fremde, ganz zu unterst der Sohn, der zu seinem Vater in einer wahrhaft kindlichen Unterwürfigkeit stand. Lieber Vater, sagte er gegen das Ende des frugalen Mahles, soll ich Dir einen Apfel schälen? – Thu’ es, Heinrich, und nimm eine Hälfte für Dich.
An Thibaut, der etwas thalaufwärts dicht neben unserm Hause wohnte, brachte ich einen Brief von Klein,
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