Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].sehr geschont habe, wenngleich Züge von persönlicher Tapferkeit vorkamen. Er war Mitglied des Staatsrathes, und man behauptete, daß er hier im Vereine mit dem Fürsten von Wittgenstein als entschiedenster Gegner einer freien Verfassung und als gehässigster Feind der demagogischen Studenten aufgetreten sei. In der Litteratur hatte er sich wohl umgesehn und führte selbst eine gewandte Feder. Mit der geistvollen Romanenschriftstellerin, Frau von Paalzow, einer Schwester des Malers Wach, stand er im lebhaftesten Verkehr. Die Freunde des Herzogs erzählten im engsten Vertrauen, daß er mit Frau von Paalzow einen Briefwechsel der eigenthümlichsten Art unterhalten habe. Beide hätten verabredet, einen Roman in Briefen zu schreiben, und zwar solle der Herzog im Namen einer Dame, und Frau von Paalzow im Namen eines Mannes die Feder führen. Es war hauptsächlich darauf abgesehn, sich gegenseitig mit den allerabgefeimtesten Chikanen und Intriguen der vornehmen Gesellschaft zu umstricken, jedem edleren Gefühle Hohn zu sprechen, und ungefähr das im moralischen Sinne zu leisten, was die Liaisons dangereuses von Laclos mit französischer Verschleierungskunst in der sinnlichen Sphäre hervorgebracht. Zum Schlusse mußte der Mann (d. h. Frau von Paalzow) eingestehn, daß die Dame (Herzog Karl) ihm auf dem Gebiete der höheren Immoralität überlegen sei. Fürst Radzivil hatte, wie schon erwähnt, einen großen Theil von Göthes Faust komponirt, und brachte einzelne Scenen daraus in seinem Palaste zur theatralischen Aufführung. Als Zuhörer waren die königlichen Herrschaften sehr geschont habe, wenngleich Züge von persönlicher Tapferkeit vorkamen. Er war Mitglied des Staatsrathes, und man behauptete, daß er hier im Vereine mit dem Fürsten von Wittgenstein als entschiedenster Gegner einer freien Verfassung und als gehässigster Feind der demagogischen Studenten aufgetreten sei. In der Litteratur hatte er sich wohl umgesehn und führte selbst eine gewandte Feder. Mit der geistvollen Romanenschriftstellerin, Frau von Paalzow, einer Schwester des Malers Wach, stand er im lebhaftesten Verkehr. Die Freunde des Herzogs erzählten im engsten Vertrauen, daß er mit Frau von Paalzow einen Briefwechsel der eigenthümlichsten Art unterhalten habe. Beide hätten verabredet, einen Roman in Briefen zu schreiben, und zwar solle der Herzog im Namen einer Dame, und Frau von Paalzow im Namen eines Mannes die Feder führen. Es war hauptsächlich darauf abgesehn, sich gegenseitig mit den allerabgefeimtesten Chikanen und Intriguen der vornehmen Gesellschaft zu umstricken, jedem edleren Gefühle Hohn zu sprechen, und ungefähr das im moralischen Sinne zu leisten, was die Liaisons dangereuses von Laclos mit französischer Verschleierungskunst in der sinnlichen Sphäre hervorgebracht. Zum Schlusse mußte der Mann (d. h. Frau von Paalzow) eingestehn, daß die Dame (Herzog Karl) ihm auf dem Gebiete der höheren Immoralität überlegen sei. Fürst Radzivil hatte, wie schon erwähnt, einen großen Theil von Göthes Faust komponirt, und brachte einzelne Scenen daraus in seinem Palaste zur theatralischen Aufführung. Als Zuhörer waren die königlichen Herrschaften <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0301" n="293"/> sehr geschont habe, wenngleich Züge von persönlicher Tapferkeit vorkamen. </p><lb/> <p>Er war Mitglied des Staatsrathes, und man behauptete, daß er hier im Vereine mit dem Fürsten von Wittgenstein als entschiedenster Gegner einer freien Verfassung und als gehässigster Feind der demagogischen Studenten aufgetreten sei. </p><lb/> <p>In der Litteratur hatte er sich wohl umgesehn und führte selbst eine gewandte Feder. Mit der geistvollen Romanenschriftstellerin, Frau von Paalzow, einer Schwester des Malers Wach, stand er im lebhaftesten Verkehr. Die Freunde des Herzogs erzählten im engsten Vertrauen, daß er mit Frau von Paalzow einen Briefwechsel der eigenthümlichsten Art unterhalten habe. Beide hätten verabredet, einen Roman in Briefen zu schreiben, und zwar solle der Herzog im Namen einer Dame, und Frau von Paalzow im Namen eines Mannes die Feder führen. Es war hauptsächlich darauf abgesehn, sich gegenseitig mit den allerabgefeimtesten Chikanen und Intriguen der vornehmen Gesellschaft zu umstricken, jedem edleren Gefühle Hohn zu sprechen, und ungefähr das im moralischen Sinne zu leisten, was die Liaisons dangereuses von Laclos mit französischer Verschleierungskunst in der sinnlichen Sphäre hervorgebracht. Zum Schlusse mußte der Mann (d. h. Frau von Paalzow) eingestehn, daß die Dame (Herzog Karl) ihm auf dem Gebiete der höheren Immoralität überlegen sei. </p><lb/> <p>Fürst Radzivil hatte, wie schon erwähnt, einen großen Theil von Göthes Faust komponirt, und brachte einzelne Scenen daraus in seinem Palaste zur theatralischen Aufführung. Als Zuhörer waren die königlichen Herrschaften </p> </div> </body> </text> </TEI> [293/0301]
sehr geschont habe, wenngleich Züge von persönlicher Tapferkeit vorkamen.
Er war Mitglied des Staatsrathes, und man behauptete, daß er hier im Vereine mit dem Fürsten von Wittgenstein als entschiedenster Gegner einer freien Verfassung und als gehässigster Feind der demagogischen Studenten aufgetreten sei.
In der Litteratur hatte er sich wohl umgesehn und führte selbst eine gewandte Feder. Mit der geistvollen Romanenschriftstellerin, Frau von Paalzow, einer Schwester des Malers Wach, stand er im lebhaftesten Verkehr. Die Freunde des Herzogs erzählten im engsten Vertrauen, daß er mit Frau von Paalzow einen Briefwechsel der eigenthümlichsten Art unterhalten habe. Beide hätten verabredet, einen Roman in Briefen zu schreiben, und zwar solle der Herzog im Namen einer Dame, und Frau von Paalzow im Namen eines Mannes die Feder führen. Es war hauptsächlich darauf abgesehn, sich gegenseitig mit den allerabgefeimtesten Chikanen und Intriguen der vornehmen Gesellschaft zu umstricken, jedem edleren Gefühle Hohn zu sprechen, und ungefähr das im moralischen Sinne zu leisten, was die Liaisons dangereuses von Laclos mit französischer Verschleierungskunst in der sinnlichen Sphäre hervorgebracht. Zum Schlusse mußte der Mann (d. h. Frau von Paalzow) eingestehn, daß die Dame (Herzog Karl) ihm auf dem Gebiete der höheren Immoralität überlegen sei.
Fürst Radzivil hatte, wie schon erwähnt, einen großen Theil von Göthes Faust komponirt, und brachte einzelne Scenen daraus in seinem Palaste zur theatralischen Aufführung. Als Zuhörer waren die königlichen Herrschaften
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/301>, abgerufen am 16.02.2025. |