Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Reise nach Dresden 1819. Der Sommer des Jahres 1819 verging im fleißigen Kollegienbesuch, im Durchforschen der grosväterlichen Bibliothek und unter vielfachen musikalischen Genüssen im akustischen Saale des großen Gartens. Ich wohnte in der Brüderstraße, wo Luischen alle Morgen für den Kaffee sorgte, und der alte Friedrich die Stiefel niemals blank genug putzen konnte: denn er klagte mir oft seine Noth, daß eine so vorzügliche Glanzwichse, wie er sie früher für den seligen Herrn Nicolai angewendet, gar nicht mehr zu haben sei. Klein besuchte die Blumenstraße sehr häufig, und erfreute uns durch den Reichthum seiner Kompositionen und durch seinen unvergleichlichen Vortrag. Oft gingen wir zusammen in tiefer Dunkelheit zur Stadt. Die Blumenstraße, in welcher das holprige Pflaster und die spärliche Oellampenbeleuchtung nur bis an den Grünen Weg, nicht bis an unser Haus reichten, war so abgelegen und einsam, daß man nach Sonnenuntergang kaum einen Menschen zwischen den dunkeln Zäunen antraf. Der sternenklare Himmel glänzte über den stillen Gartenbäumen, und der Geruch der Boucheschen Hyacinthenbeete wallte durch die kaum bewegte Luft. Man konnte sich viele Meilen von Berlin entfernt wähnen. Je weiter wir aber fort- Reise nach Dresden 1819. Der Sommer des Jahres 1819 verging im fleißigen Kollegienbesuch, im Durchforschen der grosväterlichen Bibliothek und unter vielfachen musikalischen Genüssen im akustischen Saale des großen Gartens. Ich wohnte in der Brüderstraße, wo Luischen alle Morgen für den Kaffee sorgte, und der alte Friedrich die Stiefel niemals blank genug putzen konnte: denn er klagte mir oft seine Noth, daß eine so vorzügliche Glanzwichse, wie er sie früher für den seligen Herrn Nicolai angewendet, gar nicht mehr zu haben sei. Klein besuchte die Blumenstraße sehr häufig, und erfreute uns durch den Reichthum seiner Kompositionen und durch seinen unvergleichlichen Vortrag. Oft gingen wir zusammen in tiefer Dunkelheit zur Stadt. Die Blumenstraße, in welcher das holprige Pflaster und die spärliche Oellampenbeleuchtung nur bis an den Grünen Weg, nicht bis an unser Haus reichten, war so abgelegen und einsam, daß man nach Sonnenuntergang kaum einen Menschen zwischen den dunkeln Zäunen antraf. Der sternenklare Himmel glänzte über den stillen Gartenbäumen, und der Geruch der Bouchéschen Hyacinthenbeete wallte durch die kaum bewegte Luft. Man konnte sich viele Meilen von Berlin entfernt wähnen. Je weiter wir aber fort- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0291" n="283"/> <div n="1"> <head rendition="#c">Reise nach Dresden 1819.</head><lb/> <p>Der Sommer des Jahres 1819 verging im fleißigen Kollegienbesuch, im Durchforschen der grosväterlichen Bibliothek und unter vielfachen musikalischen Genüssen im akustischen Saale des großen Gartens. Ich wohnte in der Brüderstraße, wo Luischen alle Morgen für den Kaffee sorgte, und der alte Friedrich die Stiefel niemals blank genug putzen konnte: denn er klagte mir oft seine Noth, daß eine so vorzügliche Glanzwichse, wie er sie früher für den seligen Herrn Nicolai angewendet, gar nicht mehr zu haben sei. Klein besuchte die Blumenstraße sehr häufig, und erfreute uns durch den Reichthum seiner Kompositionen und durch seinen unvergleichlichen Vortrag. Oft gingen wir zusammen in tiefer Dunkelheit zur Stadt. Die Blumenstraße, in welcher das holprige Pflaster und die spärliche Oellampenbeleuchtung nur bis an den Grünen Weg, nicht bis an unser Haus reichten, war so abgelegen und einsam, daß man nach Sonnenuntergang kaum einen Menschen zwischen den dunkeln Zäunen antraf. Der sternenklare Himmel glänzte über den stillen Gartenbäumen, und der Geruch der Bouchéschen Hyacinthenbeete wallte durch die kaum bewegte Luft. Man konnte sich viele Meilen von Berlin entfernt wähnen. Je weiter wir aber fort- </p> </div> </body> </text> </TEI> [283/0291]
Reise nach Dresden 1819.
Der Sommer des Jahres 1819 verging im fleißigen Kollegienbesuch, im Durchforschen der grosväterlichen Bibliothek und unter vielfachen musikalischen Genüssen im akustischen Saale des großen Gartens. Ich wohnte in der Brüderstraße, wo Luischen alle Morgen für den Kaffee sorgte, und der alte Friedrich die Stiefel niemals blank genug putzen konnte: denn er klagte mir oft seine Noth, daß eine so vorzügliche Glanzwichse, wie er sie früher für den seligen Herrn Nicolai angewendet, gar nicht mehr zu haben sei. Klein besuchte die Blumenstraße sehr häufig, und erfreute uns durch den Reichthum seiner Kompositionen und durch seinen unvergleichlichen Vortrag. Oft gingen wir zusammen in tiefer Dunkelheit zur Stadt. Die Blumenstraße, in welcher das holprige Pflaster und die spärliche Oellampenbeleuchtung nur bis an den Grünen Weg, nicht bis an unser Haus reichten, war so abgelegen und einsam, daß man nach Sonnenuntergang kaum einen Menschen zwischen den dunkeln Zäunen antraf. Der sternenklare Himmel glänzte über den stillen Gartenbäumen, und der Geruch der Bouchéschen Hyacinthenbeete wallte durch die kaum bewegte Luft. Man konnte sich viele Meilen von Berlin entfernt wähnen. Je weiter wir aber fort-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |