Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].sinnvollsten Arbeiten und ist ganz und gar in den Born der süßen Melancholie getaucht. Nicolais "Sebaldus Nothanker" wurde von seinem Freunde Lessing ein "ruppiger Roman" genannt, fand jedoch wegen der aufgeklärten Religionsansichten großen Beifall; für mich konnten jedoch selbst die anziehenden Chodowieckischen Kupfer die gänzlich uninteressante Erzählung nicht schmackhaft machen. Der Sebaldus erlebte viele Auflagen, er ward in das holländische, dänische, schwedische, französische und englische übersetzt. Bei der dritten Auflage waren die Chodowieckischen Kupferplatten ganz und gar ausgedruckt, die vierte Auflage erschien 1799 mit Kupfern von Meil, die sehr weit hinter Chodowiecki zurückbleiben. Es widerfuhr dem Sebaldus dieselbe Ehre wie dem Don Quixote des Cervantes. Als das Erscheinen des zweiten Theiles gar zu lange auf sich warten ließ, so verfaßte ein Herr Müller in Hamburg einen falschen zweiten Theil, um die Ungeduld des Lesepublikums zu befriedigen. Ein andrer mir unbekannter Autor veröffentlichte eine Samlung Predigten von Sebaldus Nothanker. Die "Geschichte eines dicken Mannes" schrieb Nicolai, wie er selbst angiebt, auf Veranlassung einer Reise mit seinem dicken Freunde Bode, dem geistvollen Uebersetzer des Tristram Shandy. Diese Geschichte hat noch weniger Werth, als der Sebaldus: es wird darin die neuste Philosophie durch Anführung von einzelnen, aus dem Zusammenhange gerissenen Sätzen lächerlich gemacht. Die Kupfer von Meil sind nicht geeignet ein nachhaltiges Interesse zu erregen. "Adelheids Briefe" verspotten gleichfalls die neuere sinnvollsten Arbeiten und ist ganz und gar in den Born der süßen Melancholie getaucht. Nicolais „Sebaldus Nothanker“ wurde von seinem Freunde Lessing ein „ruppiger Roman“ genannt, fand jedoch wegen der aufgeklärten Religionsansichten großen Beifall; für mich konnten jedoch selbst die anziehenden Chodowieckischen Kupfer die gänzlich uninteressante Erzählung nicht schmackhaft machen. Der Sebaldus erlebte viele Auflagen, er ward in das holländische, dänische, schwedische, französische und englische übersetzt. Bei der dritten Auflage waren die Chodowieckischen Kupferplatten ganz und gar ausgedruckt, die vierte Auflage erschien 1799 mit Kupfern von Meil, die sehr weit hinter Chodowiecki zurückbleiben. Es widerfuhr dem Sebaldus dieselbe Ehre wie dem Don Quixote des Cervantes. Als das Erscheinen des zweiten Theiles gar zu lange auf sich warten ließ, so verfaßte ein Herr Müller in Hamburg einen falschen zweiten Theil, um die Ungeduld des Lesepublikums zu befriedigen. Ein andrer mir unbekannter Autor veröffentlichte eine Samlung Predigten von Sebaldus Nothanker. Die „Geschichte eines dicken Mannes“ schrieb Nicolai, wie er selbst angiebt, auf Veranlassung einer Reise mit seinem dicken Freunde Bode, dem geistvollen Uebersetzer des Tristram Shandy. Diese Geschichte hat noch weniger Werth, als der Sebaldus: es wird darin die neuste Philosophie durch Anführung von einzelnen, aus dem Zusammenhange gerissenen Sätzen lächerlich gemacht. Die Kupfer von Meil sind nicht geeignet ein nachhaltiges Interesse zu erregen. „Adelheids Briefe“ verspotten gleichfalls die neuere <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0285" n="277"/> sinnvollsten Arbeiten und ist ganz und gar in den Born der süßen Melancholie getaucht. </p><lb/> <p>Nicolais „Sebaldus Nothanker“ wurde von seinem Freunde Lessing ein „ruppiger Roman“ genannt, fand jedoch wegen der aufgeklärten Religionsansichten großen Beifall; für mich konnten jedoch selbst die anziehenden Chodowieckischen Kupfer die gänzlich uninteressante Erzählung nicht schmackhaft machen. </p><lb/> <p>Der Sebaldus erlebte viele Auflagen, er ward in das holländische, dänische, schwedische, französische und englische übersetzt. Bei der dritten Auflage waren die Chodowieckischen Kupferplatten ganz und gar ausgedruckt, die vierte Auflage erschien 1799 mit Kupfern von Meil, die sehr weit hinter Chodowiecki zurückbleiben. Es widerfuhr dem Sebaldus dieselbe Ehre wie dem Don Quixote des Cervantes. Als das Erscheinen des zweiten Theiles gar zu lange auf sich warten ließ, so verfaßte ein Herr Müller in Hamburg einen falschen zweiten Theil, um die Ungeduld des Lesepublikums zu befriedigen. Ein andrer mir unbekannter Autor veröffentlichte eine Samlung Predigten von Sebaldus Nothanker. </p><lb/> <p>Die „Geschichte eines dicken Mannes“ schrieb Nicolai, wie er selbst angiebt, auf Veranlassung einer Reise mit seinem dicken Freunde Bode, dem geistvollen Uebersetzer des Tristram Shandy. Diese Geschichte hat noch weniger Werth, als der Sebaldus: es wird darin die neuste Philosophie durch Anführung von einzelnen, aus dem Zusammenhange gerissenen Sätzen lächerlich gemacht. Die Kupfer von Meil sind nicht geeignet ein nachhaltiges Interesse zu erregen. </p><lb/> <p>„Adelheids Briefe“ verspotten gleichfalls die neuere </p> </div> </body> </text> </TEI> [277/0285]
sinnvollsten Arbeiten und ist ganz und gar in den Born der süßen Melancholie getaucht.
Nicolais „Sebaldus Nothanker“ wurde von seinem Freunde Lessing ein „ruppiger Roman“ genannt, fand jedoch wegen der aufgeklärten Religionsansichten großen Beifall; für mich konnten jedoch selbst die anziehenden Chodowieckischen Kupfer die gänzlich uninteressante Erzählung nicht schmackhaft machen.
Der Sebaldus erlebte viele Auflagen, er ward in das holländische, dänische, schwedische, französische und englische übersetzt. Bei der dritten Auflage waren die Chodowieckischen Kupferplatten ganz und gar ausgedruckt, die vierte Auflage erschien 1799 mit Kupfern von Meil, die sehr weit hinter Chodowiecki zurückbleiben. Es widerfuhr dem Sebaldus dieselbe Ehre wie dem Don Quixote des Cervantes. Als das Erscheinen des zweiten Theiles gar zu lange auf sich warten ließ, so verfaßte ein Herr Müller in Hamburg einen falschen zweiten Theil, um die Ungeduld des Lesepublikums zu befriedigen. Ein andrer mir unbekannter Autor veröffentlichte eine Samlung Predigten von Sebaldus Nothanker.
Die „Geschichte eines dicken Mannes“ schrieb Nicolai, wie er selbst angiebt, auf Veranlassung einer Reise mit seinem dicken Freunde Bode, dem geistvollen Uebersetzer des Tristram Shandy. Diese Geschichte hat noch weniger Werth, als der Sebaldus: es wird darin die neuste Philosophie durch Anführung von einzelnen, aus dem Zusammenhange gerissenen Sätzen lächerlich gemacht. Die Kupfer von Meil sind nicht geeignet ein nachhaltiges Interesse zu erregen.
„Adelheids Briefe“ verspotten gleichfalls die neuere
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